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Schweinegrippe: Adjuvans

Von den zwei Impfstoffen gegen die "Schweinegrippe" enthält einer Adjuvantien, der andere nicht. Was verbirgt sich hinter diesen Wirkverstärkern?
Injektion einer Markersubstanz
Von einer "Zweiklassenmedizin" spricht SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Skandal!", ruft gar Virologe Alexander Kekulé vom Universitätsklinikum Halle. Die am Wochenende verbreitete Meldung, dass für Regierungsmitglieder ein anderer Impfstoff gegen die Schweinegrippe eingesetzt werden solle als für den Rest der Bevölkerung, stößt – gelinde gesagt – auf Verwunderung. Worum geht es?

Jahr für Jahr laufen im Herbst die Impfaktionen gegen die so genannte saisonale Grippe an. Da der Erreger, das Influenzavirus, sich als äußerst wandlungsfähiger Zeitgenosse entpuppt hat, der das menschliche Immunsystem mit immer neuen Varianten seiner Hüllproteine überrascht, enthält der Impfstoff eine Mischung aus drei verschiedenen viralen Antigenen – also jenen Proteinen, die im menschlichen Körper die schützende Immunreaktion auslösen. Experten hoffen, damit mehr oder weniger zielsicher das "richtige" Virus, das im kommenden Winter seine Kreise ziehen wird, zu treffen.

Die Impfung hat sich bewährt: Schätzungsweise bis zu 90 Prozent der Geimpften sind gegen Grippe gefeit oder zeigen zumindest einen milden Krankheitsverlauf. Bei 5000 bis 8000 Toten, welche die "gewöhnliche" Grippe allein in Deutschland in jeder Saison fordert, ist die alljährliche Suche nach dem passenden Impfstoff sicherlich ein lohnender Aufwand.

Im April 2009 verbreitete jedoch ein neuer Begriff weltweit Angst und Schrecken: die "Schweinegrippe". In Mexiko tauchte eine neue Variante des Influenzatyps H1N1 auf, der vermutlich von Schweinen auf Menschen übertragen wurde. Er erwies sich als derart hoch ansteckend, dass die Weltgesundheitsbehörde WHO sich im Juni dazu gezwungen sah, die höchste Pandemie-Alarmstufe auszurufen. Zum Glück verliefen die meisten Infektionen recht glimpflich.

Diese vermeintliche Harmlosigkeit kann sich jedoch jederzeit ändern. Deswegen sollte auch die deutsche Bevölkerung möglichst schnell mit Massenimpfungen gegen den Krankheitskeim geschützt werden. Einen Impfstoff gibt es bereits, doch für alle 80 Millionen Deutsche innerhalb kurzer Zeit genügend Mengen herzustellen, ist schlicht unmöglich. Die letzten Dosen wären vor Juni 2011 nicht fertig.

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Menschen noch nie mit dem Grippevirus in Berührung kamen – sie sind "immunologisch naiv". Um ihr Immunsystem anzukurbeln, wären daher, wie auch bei vielen Kinderkrankheiten, zwei Impfungen notwendig. Die benötigten Impfdosen verdoppeln sich somit.

Als Lösung für dieses Dilemma bieten sich Adjuvantien an. Diese Verstärkersubstanzen (adjuvans, lateinisch: unterstützend, befördernd) werden dem viralen Antigen des Impfstoffs beigefügt, um die Immunreaktion des Körpers zu unterstützen. Pro Impfdosis sind deshalb nicht mehr 15 Mikrogramm Antigen wie beim saisonalen Grippeimpfstoff nötig, sondern lediglich 3,75 Mikogramm. Der Impfstoff wird also um das Vierfache gestreckt.

Das häufig bei Impfstoffen als Adjuvans eingesetzte Aluminiumhydroxid hat sich bei Grippe als nicht ausreichend wirksam erwiesen. Die Pharmafirma GlaxoSmithKline setzt in ihrem Schweinegrippeimpfstoff Pandemrix daher den Verstärker AS03 ein, der aus dem Kohlenwasserstoff Squalen sowie Polysorbat und Vitamin E besteht. Ähnlich ist MF59 zusammengesetzt, das in einem von der Firma Novartis entwickelten Impfstoff enthalten ist. Die Substanzen kommen auch im menschlichen Stoffwechsel vor und gelten daher als unbedenklich.

Da sie jedoch die Immunreaktion – wie beabsichtigt – verstärken, können Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Impfstelle, Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Fieber auftreten. Die Ständige Impfkommission empfiehlt daher für Schwangere – die ja vorrangig geimpft werden sollen – einen adjuvansfreien Impfstoff.

Von diesem Impfstoff – Celvapan von der Firma Baxter – hat die Bundesregierung 200 000 Dosen gekauft. Von dem adjuvanshaltigen Pandemrix sollen 50 Millionen Dosen bereitgestellt werden.

Warum das Gerücht auftauchte, Celvapan sei für "hohe Tiere" reserviert, bleibt rätselhaft. Das für die Zulassung von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut dementierte die Meldung, seine Mitarbeiter würden ausschließlich mit der adjuvansfreien Version geimpft. Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit ihrem Hausarzt sprechen und sich dann ebenfalls mit dem adjuvanshaltigen Serum impfen lassen.

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