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Sternentstehung: Schwere Geburt

Das Umfeld eines Schwarzen Lochs ist nach bisherigem Wissen alles andere als eine geeignete Geburtsstätte für Sterne. Doch junge stellare Vertreter in seiner unmittelbaren Nähe zeugen vom Gegenteil. Eine Simulation zeigt nun, wie das scheinbar Unmögliche möglich sein könnte.
Molekülwolke
Vor etwa 20 Jahren entdeckten Astronomen eine kleine, aber enorm helle Quelle von Radiostrahlung inmitten des Sternhaufens im Zentrum der Galaxis. Schnell kam die Idee auf, dass die Ursache für Sagittarius A* (SgrA*) womöglich ein supermassereiches Schwarzen Loch ist. Die Bewegungen von Sternen und Gas in der Nähe sollten den Beweis für eine derart kompakte Masse erbringen – so wie sich etwa die Sonnenmasse durch die Bahnen der Planeten abschätzen lässt.

Die Zentralregion unserer Milchstraße | Diese Aufnahme des Röntgenteleskops Chandra zeigt die Region um das galaktische Zentrum und die Position des Schwarzen Lochs Sagittarius A*.
Denn trotz seines destruktiven Wesens hat das Massemonster erstaunlich viele Begleiter: Innerhalb einer Zone von nur einem Lichtmonat umkreisen es neben riesigen Gasmassen zum Beispiel so genannte S-Sterne. Als bislang schnellster unter ihnen gilt S2 mit einem Tempo von über 5000 Kilometern pro Sekunde – die Erde reist fast 200 Mal langsamer um die Sonne. Die S-Sterne sind alle ziemlich massereich, S2 vereint zum Beispiel 15 Sonnen in sich, was ihnen eine kurze Lebensdauer beschert und so folgern Astronomen, dass sie erst kürzlich entstanden sind.

Etwas weiter entfernt tummelt sich eine andere Gruppe: rund hundert ebenfalls massereiche Sterne mit einem jugendlichen Alter von nur sechs Millionen Jahren. Messungen von über tausend solcher Gestirne – manchmal weniger als einen Lichttag von SgrA* entfernt – bestätigten schließlich den Verdacht. Danach sollte die mit SgrA* verknüpfte Massekonzentration es auf rund 3,7 Millionen Sonnenmassen bringen. Im intergalaktischen Vergleich recht mickrig, dort finden sich Schwarze Löcher mit Milliarden von Sonnenmassen.

Infrarot-Blick ins Zentrum der Milchstraße | Das Infrarotwellen aufzeichnende Spitzer-Weltraumteleskop ist prädestiniert für den Blick ins Zentrum unserer Galaxie, da die in Blickrichtung liegenden Staubwolken nur optische Lichtwellen absorbieren. Mit Spitzer werden so Hunderttausende Sterne sichtbar – wie in diesem Falschfarbild Richtung Sagittarius, das einen Ausschnitt von etwa 900 Lichtjahren von links nach rechts zeigt. Alte, kühle Sterne erscheinen dabei blau, Staub grell-, massereiche Sterne eher samtglimmend rot. Der helle weiße Fleck in der Mitte ist das galaktische Zentrum, in dem ein supermassereiches Loch, die Röntgenquelle Sgr A*, ihr Unwesen treibt. Unsere Sonne in ihrem kleinen, unbedeutenden Seitenarm der Milchstraße, umkreist dieses Zentrum alle 225 Millionen Jahre – also seit Anbeginn ihrer Zeit schon rund 20 Runden lang.
So sehr sich die Astronomen auch über die Gewissheit freuten, so sehr verunsichert sie die Jugendhaftigkeit der Zeugen. Denn eigentlich sollten die von einem Schwarzen Loch ausgehenden Kräfte alles in seiner näheren Umgebung auseinander reißen. Gerade die fragilen Geburtsstätten von Sternen, molekulare Wolken, würden von den hier herrschenden Gezeitenkräften auseinander getrieben – lange bevor sich darin ein Stern bilden kann. Das die beiden jungen Gemeinschaften um SgrA* nicht ganz normal sind, zeigt auch die Verteilung der Massen in ihnen: Sie enthalten viel mehr Übergewichtige als für eine auf herkömmliche Weise entstandene Populationen erwartet.

Erklären ließe sich das alles beispielsweise dadurch, dass die Sterne in friedlichen Gebieten entstanden, dann aber immer näher ans Schwarze Loch spiralten. Die S-Sterne könnten etwa in Doppelsystemen gewachsen sein, die dem Schwarzen Loch irgendwann einmal zu nahe kamen und daraufhin getrennt wurden. Während einer der beiden nun um SgrA* rast, katapultierte es den anderen mit voller Wucht aus dem galaktischen Zentrum hinaus. Eine Handvoll Hyperschnellläufer (engl.: Hypervelocity stars) in anderen Regionen der Milchstraße sprechen für dieses Szenario.

Im Anflug | Die Simulation verfolgt die Entwicklung einer Molekülwolke mit einer Masse von 10 000 Sonnenmassen, die sich einem Schwarzen Loch nähert. Dieses vereint eine Millionen Sonnenmassen in sich. Die Farben geben von blau, über rot bis hin zu gelb eine steigende Säulendichte, also die Gasdichte in einer gedachten Säule durch die Gaswolke, an. Hier ist die Gaswolke noch rund drei Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt.
Die entfernteren Nachbarn könnten in einem ganzen Sternhaufen angerückt sein. Viele Bewohner gingen auf der Reise verloren und nur die massereichsten Exemplare aus seinem Kern versammelten sich letztlich dort, wo wir sie heute beobachten. Überzeugende Beweise gibt es für diese Theorie allerdings noch keine und auch ihr junges Alter spricht eher dagegen. Ian Bonnell von der University of St. Andrews und William Rice von der University of Edinburgh unterstützen hingegen eine andere Alternative: In einer Computersimulation demonstrieren die beiden, wie sich trotz allen Übels Sterne um extrem massereiche Schwarze Löcher bilden können [1].

Schon andere Wissenschaftler hatten vorgeschlagen, dass eine dünne, exzentrische Akkretionsscheibe aus Gas um ein Schwarzes Loch kreist, schließlich instabil wird und Sterne in ihr entstehen. Doch dafür müssten irgendwie massereiche Gaswolken aus anderen Teilen der Galaxis angeliefert werden. Bonell und Rice zeigen nun, wie rund zehn Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernte Molekülwolken – und damit noch nicht in dessen zerstörerischen Einfluss stehend – durch eine Kollision aus ihrer Bahn geworfen werden und sich dem kompakten Objekt in etwa 20 000 Jahren nähern.

Eingefangen | Auf diesem Bild ist die Gaswolke nur noch eineinhalb Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt. Auch wenn die Gezeitenkräfte an ihr zerren, wird ein Teil des Gases von der Anziehungskraft des kompakten Objekts eingefangen und bewegt sich auf einer exzentrischen Umlaufbahn. Teile dieser Akkretionsscheibe verklumpen und bilden Sterne. Diese sind hier als weiße Punkte zu erkennen.
Einen Teil des Gases könnte die Wolke in einer exzentrischen Umlaufbahn um das Massemonster deponieren, während der Rest entkommt. Selbst wenn die Gezeitenkräfte an der Gasansammlung zerren, würden sie nicht die kleinen Strukturen zerstören, die sie relativ schnell in einzelne Fragmente zerfallen lässt, in denen dann Sterne entstehen können. Durch die Wechselwirkungen mir dem Schwarzen Loch würde sich das Gasgebilde je nach Masse auf mehrere hundert bis tausend Grad Celsius aufheizen und so sicherstellen, dass sich nur relativ große Sterne bilden.

Besitzt die ursprüngliche Gasansammlung ausreichend Masse, könnten die entstehenden Sternpopulationen zudem ungewöhnlich viele massereiche Exemplare enthalten, schreiben die Forscher. Die Ergebnisse stehen zwar im Einklang mit den Beobachtungen in unserer Milchstraße, etwa mit den exzentrischen Umlaufbahnen der Sterne um SgrA*, doch bislang konnte der von ihnen beschriebene Prozess nicht am Original nachvollzogen werden.

Endstadium | Dieses Bild zeigt das Ende einer Simulation für eine Molekülwolke mit einer Masse von 100 000 Sonnenmassen, die sich einem Schwarzen Loch mit drei Millionen Sonnenmassen nähert. Sie ist weniger als ein Lichtjahr vom Zentrum entfernt. Teile der ursprünglichen Gaswolke haben eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch gebildet, während ein Großteil nicht mehr auf dieser Illustration zu sehen ist. Insgesamt sind 198 Sterne mit exzentrischen Bahnen entstanden – hier als weiße Punkte zu erkennen.
Auch ob sich die von ihnen vorausgesetzten Anfangsbedingungen darin finden lassen, bleibt fraglich. Schließlich würden die meisten Molekülwolken innerhalb von hundert Lichtjahren vom Schwarzen Loch dessen direkte Nähe eher meiden, gibt Philip Armitage von der University of Colorado zu Bedenken [2]. Zukünftige Studien müssen also zeigen, ob sich gelegentlich vielleicht doch eine von ihnen in Richtung Sagittarius A* verirrt und den von Bonell und Rice beschriebenen Weg verfolgt.

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