Direkt zum Inhalt

News: Schwieriger als Erbsen zählen

Seinen eigenen Puls zu messen, ist recht unkompliziert: Zählen Sie einfach, wie oft er in einer Minute schlägt. Dieses Prinzip funktioniert selbst noch bei Radiowellen mit Frequenzen von 100 MHz, auch wenn dazu ein elektronischer Zähler benötigt wird. Wenn es jedoch darum geht, die rund 600 THz einer Lichtwelle sauber zu bestimmen, versagt die Methode - das elektromagnetische Feld oszilliert einfach zu schnell. Nur eine Handvoll Laboratorien auf der Welt verfügt über die gewaltige und unhandliche Ausstattung, die Frequenz des Lichtes indirekt zu messen. Ein besonderer Lichtleiter könnte dieses Quasi-Monopol brechen. Aus monochromatischem roten Licht zaubert er durch Frequenzvervielfachung weißes Licht mit genau definierten Eigenschaften. Mit Hilfe dieser Messlatte können Wissenschaftler abschätzen, wieviel Schwingungen in der Sekunde eine elektromagnetische Welle durchführt.
Es ist nicht einfach nur langweilige Detailarbeit, eine Größe auf zwölf Nachkommastellen genau zu vermessen, meint John Hall vom National Institute of Standards and Technology und der University of Colorado in Boulder. Erst dadurch, dass die Zusammenhänge zwischen Licht und den Übergängen von Atomen im Laufe des Jahrhunderts immer exakter quantifiziert wurden, entwickelten Wissenschaftler eine akurate Vorstellung von der Quantenwelt und der Physik der Atome. "Es ist wie bei den russischen Puppen," meint er, "man ist einfach nie bei der letzten angekommen."

Üblicherweise werden optische Frequenzmessungen mit großem experimentellen und personellen Aufwand durchgeführt. Als Hall und seine Kollegen 1983 die bis zum heutigen Tag genaueste Messung vornahmen, benötigten die acht Physiker insgesamt 20 Laser. Als ultimative Referenz diente ihnen das 9-GHz-Signal einer Cäsium-Atomuhr. Sie verdoppelten und verdreifachten die Frequenzen der verschiedenen Oszillatoren in einer Art "Kette" und verglichen penibel deren einzelne Bestandteile miteinander. Da es bislang nur möglich war, zweite und dritte Harmonische zu erzeugen – die Frequenz also zu verdoppeln oder zu verdreifachen –, war damals die relativ große Anzahl stabile Laser notwendig.

Zusammen mit Theodor Hänsch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und weiteren Mitarbeitern hat Hall dieses Problem nun gelöst (Physical Review Letters vom 29. Mai 2000). In dem neuen Versuchsaufbau steckt nur ein einziger Laser, der extrem kurze Lichtpulse von nur 12 fs (1,2*10-14 s) Dauer mit einer Wiederholrate von fast 100 MHz abgibt. Eine Atomuhr sorgt für das exakte Vorgehen. Die Fourier-Transformation des Lichtes liefert eine Reihe sehr schmaler Linien in Abständen von 100 MHz. Ein neuartiger Lichtleiter streckt das rote Licht durch Frequenzvervielfachung über fast den ganzen sichtbaren Bereich, so dass am Ende Millionen Linien mit genau bekanntem Frequenzabstand herauskommen, so wie ihn die Atomuhr vorgegeben hat. Statt sich mit den traditionellen zwei Harmonischen begnügen zu müssen, haben die Forscher nun Zugriff bis zur viermillionsten Harmonischen. "Das ist wie vier Millionen stabiler Laser", sagt Hall.

Der relative Abstand zwischen den einzelnen Linien ist bekannt, was fehlt, ist die absolute Lage dieser Messlatte im Frequenzspektrum. Dazu dienten den Wissenschaftlern die Grundharmonische und die zweite Harmonische eines Neodym-YAG-Lasers. Mit einer hochpräzisen Messung stellten sie dessen Frequenz fest und richteten danach ihre Skala aus.

Um die Frequenz einer Laserstrahls zu bestimmen, muss nun nur noch die Lage seiner Emissionsbande mit den Linien aus dem Lichtleiter verglichen werden. Dass dabei genauere Werte erzielt werden als mit der konventionellen Methode, haben die Physiker schließlich im Test mit zwei Standard-Laser-Linien nachgewiesen.

Innerhalb von fünf Jahren wird es ein kommerzielles Gerät zur Bestimmung optischer Frequenzen geben, meint Hall. Seiner Ansicht nach wird es weitere Experimente ermöglichen, welche die Theorien zur Atomphysik beflügeln sollten. Und ganz nebenbei könnte eine neue Atomuhr entwickelt werden, die sich auf optische Frequenzen statt Mikrowellen stützt. Genauigkeit ist schließlich eine Tugend.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.