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Künstliche Elemente: Seaborgium verhält sich weniger exotisch als vermutet

Künstliche, superschwere Elemente sind vielleicht doch nicht so exotisch wie gedacht. Das Element Seaborgium verhält sich chemisch wie Wolfram und Molybdän.
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Wie lang das Periodensystem der Elemente wirklich ist, weiß niemand. Kollisionen zwischen Atomkernen bringen immer schwerere, meist extrem kurzlebige Elemente mit Ordnungszahlen über 100 hervor. Während das Periodensystem stetig wächst, bleibt das Wissen um die hinzugekommenen Elemente lückenhaft: Da man nur wenige einzelne Atome erzeugen kann, lassen sich diese Stoffe nicht einfach im Reagenzglas auf ihre chemischen Reaktionen und Eigenschaften untersuchen.

Mit modernen Methoden hat ein Team um Julia Even vom Helmholtz-Institut Mainz nun ein Molekül erzeugt, das das Element Seaborgium – Ordnungszahl 106 – enthält. Als Koordinationsverbindung, bei der sich die Bindungspartner keine Elektronenpaare teilen, sondern besetzte und unbesetzte Orbitale in Wechselwirkung treten, gehört das neue Seaborgiumhexacarbonyl Sg(CO)6 zu einer bisher bei diesen so genannten Transactiniden unbekannten Molekülklasse.

Sixty Symbols: Seaborgium

Einige wenige Verbindungen dieser kurzlebigen Elemente sind bereits bekannt – jedoch lediglich Verbindungen mit Sauerstoff. Dort kommen die Metalle nur in der formal höchsten Oxidationsstufe vor, haben also ihre Bindungselektronen allesamt an die stärker elektronenziehenden Partner abgegeben. Die Erkenntnisse, die man aus dieser einen Verbindungsklasse gewinnt, sind allerdings begrenzt. Um so bedeutender ist, dass die neu hergestellte Verbindung auf einem völlig anderen Bindungstyp basiert.

Für Anwendungen sind die chemischen Eigenschaften der künstlichen Elemente wegen ihrer kurzen Halbwertszeiten nicht relevant – dafür aber aus theoretischer Sicht. Denn die sehr schweren Atome haben wegen ihrer Größe und hohen Kernladung einige ungewöhnliche Eigenschaften – damit bedrohen sie die Grundlage des Periodensystems selbst: Sie stellen in Frage, ob die Einteilung in die jeweiligen Gruppen bei den neuen Elementen überhaupt noch funktioniert. Ob das Periodensystem also noch periodisch ist.

Elemente, die in dem Ordnungsschema in der gleichen Spalte übereinanderstehen, sind sich chemisch recht ähnlich. Natrium und Kalium bilden einfach geladene Ionen und gut wasserlösliche Salze, Kupfer, Silber und Gold kommen alle gediegen in der Natur vor, und Selen ersetzt gelegentlich Schwefel in der Aminosäure Cystein. Aber ob zum Beispiel Roentgenium, das im Periodensystem unter Gold steht, sich auch wie ein Edelmetall verhält, ist nicht so klar: Einige Experimente, unter anderem an Flerovium mit der Ordnungszahl 116, hatten Zweifel aufkommen lassen, ob die überschweren Elemente sich an die gewohnten Regeln halten.

Molybdänhexacarbonyl | Molybdän, Wolfram und Seaborgium bilden mit Kohlenmonoxid oktaedrische Koordinationsverbindungen.

Seaborgium und seine neue Verbindung rücken die Verhältnisse wieder ein wenig zurecht: Sie tun das, was man von ihnen erwartet. Das Team um Julia Even erzeugte das mit einer Halbwertszeit von einigen Sekunden recht langlebige Nuklid Seaborgium-265, indem sie Curium-248 mit Neon-22 beschossen. Gleichzeitig erzeugten sie instabile Nuklide der Elemente Wolfram und Molybdän – zwei Elemente aus der gleichen Gruppe wie Seaborgium, anhand derer die Forschungsgruppe überprüfte, ob Seaborgium sich wie seine Verwandten verhält oder ob es aus der Reihe tanzt.

Nachdem die Nuklide bei der Kollision der Ausgangsatome entstanden sind, trennte das Forscherteam sie mit einem Magnetfeld ab und leitete sie in eine Kammer, in der die Atome durch eine Gasmischung aus Helium und Kohlenmonoxid abgebremst wurden. Mit Letzterem reagieren die Elemente zu den so genannten Carbonylkomplexen. Typisch für die Elemente dieser Gruppe ist, dass sie sechs der zweiatomigen Moleküle binden und mit ihnen einen oktaedrischen Komplex bilden.

Diesen glaubt das Forscherteam auch im Fall von Seaborgium nachgewiesen zu haben. Aus der Reaktionskammer gelangten die Produkte der Reaktion in ein Kühlrohr, in dem die Temperatur von 30 auf -120 Grad Celsius abfiel – so dass die Moleküle bei einer bestimmten Temperatur an der Gefäßwand kondensierten und anhand des Energiespektrums ihrer Alphastrahlung identifiziert werden konnten.

Dabei kondensierte das Seaborgiummolekül zusammen mit den Wolfram- und Molybdänvarianten, was nicht nur auf eine Verwandtschaft hindeutet, sondern auch einer Reihe theoretischer Vorhersagen entspricht. Demnach ist Seaborgium ein typischer Vertreter seiner Gruppe. Zusätzlich zu diesem Erfolg weisen Even und ihre Kolleginnen darauf hin, dass das Verfahren wahrscheinlich bei vielen der Transactiniden funktionieren wird und man den Koordinationsverbindungen genauere Informationen über die elektronische Struktur und die Eigenschaften von Elementen entlocken kann als bisher möglich. Vor allem aber deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Spekulationen über das Ende des Periodensystems möglicherweise voreilig sind.

  • Quellen
Science 345, 2014, S. 1491 – 1493

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