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Neurologie: Sehen mit dem blinden Fleck

© Max-Planck-Institut für Hirnforschung
Auch das Gehirn von Erwachsenen kann sich noch umprogrammieren. So verarbeiten Bereiche, die nach einer Verstümmelung keine sensorischen Signale mehr erhalten, elektrische Impulse von Nachbarregionen. Aus diesem Grund meinen beispielsweise amputierte Personen eine Berührung in ihrem fehlenden Arm zu spüren, wenn man ihnen über das Gesicht streicht.

Bisher dachten Wissenschaftler, dass für diese "übertragenen Empfindungen" neue feste Verdrahtungen im Gehirn geschaffen werden müssen. Wie ein Forscherteam um Nancy Kanwisher vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge nun gezeigt hat, vollzieht sich die Anpassung dafür jedoch viel zu schnell. Offenbar bestehen die später neu genutzten Verbindungen von Anfang an, sind allerdings ausgeschaltet. Erst im Bedarfsfall werden sie aktiviert.

Die Forscher machten ihre Entdeckung mit übertragenen Empfindungen in der Sehrinde. Dazu nutzten sie den blinden Fleck, den es in jedem Auge gibt. Er rührt daher, dass die Netzhaut dort, wo der Sehnerv endet, keine Photorezeptoren besitzt. Wir bemerken ihn nicht, weil unsere beiden Augen ihren jeweiligen Fleck gegenseitig kompensieren.

Bei dem Experiment mussten die Versuchsteilnehmer ein Auge zukneifen. Dann präsentierten ihnen die Forscher ein Quadrat so, dass sein Bild auf der Netzhaut knapp neben den blinden Fleck fiel. Schon nach zwei Sekunden nahmen die Freiwilligen die Figur als Rechteck wahr, das sich in den Bereich des blinden Flecks erstreckte – ein Zeichen dafür, dass von eigenem Input abgeschnittene Neuronen auf Signale aus der angrenzenden Region der Sehrinde ansprachen. Nach Ansicht der Forscher beweist das, dass entsprechende Querverbindungen schon vorab vorhanden waren.

Andreas Baumann

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