News: Sehen wie Hören
Die Wissenschaftler untersuchten die Gehirnaktivität eines Gehörlosen mit Hilfe der Positronenemissionstomographie (PET). Bei diesem nichtinvasiven Verfahren werden lokale Zunahmen des Blutflusses nachgewiesen, die auf eine verstärkte Aktivität der Nervenzellen hindeuten. Während des Experimentes sah die Versuchsperson sich ein Video an, das einen gebärdenden Japaner zeigte. Im primären akustischen Cortex, der die Schallsignale registriert und ordnet, kam es dabei zu keiner Veränderung. Die Aktivität im akustischen Assoziationscortex nahm hingegen deutlich zu. Die Versuchsperson benutzte allerdings nicht die Zentren zur Interpretation visueller Reize, um die Worte und Sätze der Gebärdensprache zu erfassen. Zweisprachige Personen, die sowohl Laut- als auch Gebärdensprache verstehen, gebrauchen üblicherweise akustische und visuelle Regionen zur Interpretation.
Der Versuchsperson wurde anschließend ein Cochlea-Implantat eingesetzt, das ihr ermöglichte, Sprache wahrzunehmen, auch wenn sie deren Inhalt noch nicht verstand. Die Wissenschaftler spielten dem Probanden ein Tonband mit gesprochenem Text vor und führten wiederum PET-Messungen durch. Diesmal reagierte der primäre akustische Cortex – ein Zeichen dafür, daß diese Hirnregion funktionsfähig war, obwohl bis dahin nie ein Signal dorthin gelangt war.
Diese Studien unterstützen die Ansicht, daß grundlegende Funktionen des Gehirns – wie das Sehen und Hören – fest verdrahtet sind, "höhere" Aufgaben – wie die Interpretation der Sinneseindrücke – jedoch durch Erfahrungen in der frühen Kindheit moduliert werden können. Ist ein Kommunikationsweg ausgefallen, werden Hirnregionen, die ansonsten brach lägen, so umfunktioniert, daß die Verständigung auf andere Weise verläuft.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 31.7.1998
"Mit den Händen hören"
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