Direkt zum Inhalt

News: Sektion eines Sterns

Das europäische Very Large Telescope (VLT) in der chilenischen Atacama-Wüste ist das weltweit größte und modernste optische Teleskopsystem. Doch selbst die vier ortsfesten Spiegelteleskope mit ihren beweglichen Hilfsfernrohren vermögen Einzelsterne nur als Lichtpunkt wahrzunehmen. Jetzt aber kam den Astronomen der Zufall zu Hilfe. Dank Einstein konnten sie erstmalig die Oberfläche eines Sterns analysieren.
Als der große italienische Mathematiker und Philosoph Galileo Galilei Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem von ihm konstruierten Teleskop den Himmel beobachtete, musste er seine Augen noch an ein Okular pressen, um Planeten und Monde zu erkennen. Heute dagegen starren Astronomen nur noch auf PC-Monitore: Hochempfindliche Spektroskope zerlegen das ankommende Licht der Sterne und die spezielle Software errechnet die Lichteigenschaften en detail. Trotz allem waren bisher die eingehenden Informationen eher dürftig. Selbst das hohe Auflösungsvermögen der leistungsstärksten optischen Teleskope reichte nicht aus, um die großen Entfernungen zu den Sternen optisch zu überbrücken und extrasolare Strukturen zum Vorschein zu bringen - es sei denn, man hat außerordentliches Glück, so wie vor kurzem ein Wissenschaftlerteam des European Southern Observatory (ESO).

Den Forschern gelang das bislang einmalige Kunststück, mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) die Spektren aus verschiedenen Regionen eines 25 000 Lichtjahre entfernten einzelnen Sterns aufzunehmen. Mit dem FORS1 multi mode instrument zeichneten die Forscher des Probing Lensing Anomalies Network (PLANET) eine Serie von Spektren auf, die ihnen erstmals einen direkten Blick auf die Oberfläche eines Sterns ermöglichte und Informationen über seine Struktur, Temperatur, seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung verschaffte. "Was ganz wichtig ist: Der Stern, der sich uns offenbart hat, ist wie unsere Sonne ein ganz normaler. Daher können wir davon ausgehen, dass es sich bei dem Gros der anderen Sterne ähnlich verhält", resümiert Richard West vom European Southern Observatory in Garching.

Dabei kam den Astronomen ein unsichtbarer und geheimnisvoller Helfer in Gestalt eines Sterns zu Hilfe, der durch die Sichtlinie zu dem beobachteten Stern gelaufen war und durch seine Gravitationswirkung das Licht des entfernten Sterns verstärkt hat. Dieser schon von Albert Einstein vorhergesagte, aber selten auftretende so genannte Microlensing-Effekt: Bewegt sich ein Stern, der sich nahezu in der Sichtlinie der Erde und einem weit entfernten Hintergrundstern befindet, an diesem vorbei, so wird das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise durch den Gravitationslinseneffekt verstärkt.

Dass nach solchen Ereignissen derweil weltweit verschiedene Arbeitsgruppen intensiv suchen, hängt weniger mit dem heller werdenden Stern als vielmehr mit dem unsichtbaren Objekt zusammen, das die Aufhellung verursacht. Denn mit Hilfe des Microlensing wird vor allem nach Massive Astrophysical Compact Halo Objects (MACHOS) gefahndet. Sie könnten für die fehlende Materie im Halo unserer Galaxie verantwortlich sein - für die so genannte dunkle Materie, die sich nur durch ihre Gravitationswirkung verrät. Gleiches gilt für Braune Zwerge oder gar Planeten. Alle diese astrophysikalischen Objekte gelten als MACHO-Kandidaten.

Um diese dingfest zu machen, kooperieren Astronomen-Gruppen rund um den Globus. Nur wenn ein MACHO die Sichtlinie durchläuft, gewinnt das Mikrolensing-Ereignis an "Konturen" und liefert wertvolle Informationen über den anvisierten entfernten Stern - wie dies jetzt geschehen ist. "Dabei hat wahrscheinlich ein Doppelsternsystem in unserer Milchstraße den Mikrogravitationslinsen-Effekt verursacht. Aber welches es war, werden wir wohl nie erfahren", so West.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.