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Evolutionsbiologie: Selbstlose Bäckerhefe

Ein Individuum, das sich uneigennützig für andere einsetzt, schadet sich damit selbst, weshalb dieses Verhalten aus Sicht der Evolutionsbiologie mit der Zeit aussterben müsste. Allerdings ist Altruismus in allen Bereichen der Gesellschaft so verbreitet – man denke nur an die Spendenbereitschaft der Menschen –, dass es tief in uns verwurzelt zu sein scheint. Dieser Widerspruch ist nicht leicht zu erklären, und Gegner der Evolutionstheorie verwenden ihn gern als Argument.

Bei Menschen und höheren Tieren gibt es zu dem Problem inzwischen viele Untersuchungen. Demnach gilt selbstloses Verhalten oft Verwandten, die viele der eigenen Gene tragen; außerdem kann es sich unter Freunden auf Basis der Gegenseitigkeit auszahlen. Nun hat Alexander van Oudenaarden mit Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge den Sachverhalt an Hefen untersucht, die zu den primitivsten Organismen überhaupt zählen. Auch bei ihnen gibt es erstaunlicherweise altruistisches Verhalten. Es tritt auf, wenn ausschließlich Saccharose als Nahrungsquelle zur Verfügung steht, welche die Hefen nicht direkt verwerten können. Sie müssen dann das Enzym Invertase herstellen und ausscheiden, um den Zucker in Glucose und Fructose zu spalten. Einige Hefezellen machen das, während das Gros der anderen davon profitiert und sich selbst den Aufwand spart. Was motiviert die Wohltäter zu ihrem altruistischen Verhalten?

Nach den Untersuchungsergebnissen ist es der pure Eigennutz, oder genauer: das wohlverstandene Eigeninteresse. Die Produzenten der Invertase haben nämlich den schnellsten und unmittelbarsten Zugriff auf die Spaltprodukte und können sich dadurch mehr von den Nährstoffen sichern als die Schmarotzer. Wie Oudenaarden und seine Kollegen herausfanden, reicht dieser Vorteil aus, den erhöhten Aufwand wettzumachen.

Christian Tack

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