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Selbstorganisation: Wie sich Perlmutt selbst perfektioniert

Während Perlmutt wächst, ist es alles andere als regelmäßig. Doch dann tritt ein entscheidender Prozess in Aktion: Die Defekte ziehen einander an und löschen sich gegenseitig aus.
Bei Seeohren findet man eine ausgeprägte Perlmuttschicht

Wenn eine Muschel Perlmutt produziert, dann lagert sie an ihrer Schale immer neue Schichten primär aus Kalziumkarbonat ab. Analysiert man diese Schichten unter einem Mikroskop, erkennt man, dass sie aus winzigen Plättchen bestehen, die sich extrem regelmäßig aneinander anordnen. Bemerkenswert ist, dass diese Anordnung mit der Zeit immer perfekter wird – die Plättchen finden sich wie Atome in einem Kristall zu einer regelmäßigen Struktur zusammen, die dem Material schließlich seinen attraktiven Glanz beschert.

Ein Wissenschaftlerteam um Igor Zlotnikov von der Technischen Universität Dresden ist der Frage nachgegangen, wie die Muschel – oder genauer gesagt die Millionen von Zellen, die unabhängig voneinander das Baumaterial absondern – eine derart fehlerfreie Oberfläche produzieren können.

Wie die Gruppe im Fachmagazin »Nature Physics« schreibt, bedarf es dazu keines übergeordneten Steuerungsmechanismus. Tatsächlich verläuft der Wachstumsvorgang zu Beginn völlig unsystematisch. Erst mit der Zeit mache sich ein Prozess der Selbstorganisation bemerkbar, der bei ausgereiftem Perlmutt zu einem regelmäßigen Muster führt. Schon länger bekannt war laut Zlotnikov und seinem Team, dass alle Defekte im Schichtaufbau wie die Spiralen von Wendeltreppen eine Händigkeit aufweisen, das heißt, sie sind entweder linksdrehend oder rechtsdrehend. Die strukturelle Unordnung, die jeder Defekt auslöst, macht sich selbst noch in größerer Distanz bemerkbar und beeinflusst in diesem Umkreis, wie sich neue Plättchen bevorzugt anordnen.

Perlmutt im Querschnitt | Das glänzende Material ist aus zahllosen kleinen Schuppen aufgebaut, die in Schichten übereinanderliegen. Die Wachstumsrichtung in diesem Querschnitt ist von unten nach oben.

Das hat eine weit reichende Konsequenz, wie das Team mit Hilfe extrem hochauflösender Analyseverfahren an der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble herausfand: Mit jeder neuen Schicht nähern sich Defekte entgegengesetzter Händigkeit einander an. Dabei wachsen sie so lange aufeinander zu, bis sie sich treffen – und gegenseitig auslöschen. Die Oberfläche wird immer perfekter.

Laut Zlotnikov und seiner Arbeitsgruppe könnten ähnliche Vorgänge auch in anderen Biomineralen stattfinden und dabei »Perfektion aus Unordnung« entstehen lassen.

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