18. Jahrhundert: Selbsttötung - nicht aus Ehre, sondern aus Verzweiflung?
Lange glaubten Historiker, dass im 18. Jahrhundert viele Aristokraten ihrem Leben ein Ende setzten, um ihre verlorene Ehre wiederherzustellen. Ein Forscher der Universität Münster konnte nun zeigen: Obwohl selbst Friedrich der Große Überlieferungen zufolge häufig von Selbsttötung sprach, genoss Suizid zu seiner Zeit keineswegs ein hohes Ansehen. Tatsächlich galt der Freitod als Sünde. Die Betroffenen wählten dieses Los vielmehr, weil ihnen die Lebenssituation ausweglos erschien.
"Die Idee des heroischen Selbstmords geht zurück auf ein antikes Ethos", erklärt Historiker Florian Kühnel, der im Rahmen seiner Dissertation Abschiedsbriefe aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert untersuchte. "Adlige griffen gerne rhetorisch darauf zurück, um ihre edle Geisteshaltung zu beweisen. Dabei handelte es sich allerdings um reine Selbstinszenierung."
Dass sie aber auch tatsächlich mit dem Freitod ihre Ehre retten wollten, ist ein Irrtum. Die Abschiedsbriefe belegen, dass die Betroffenen selbst den Suizid als "verabscheuungswürdige Sünde und nicht als standesgemäßes Ende" betrachteten, so Kühnel.
Verschiedene Quellen zeigen, dass es vielmehr die drohenden Folgen des Ehrverlustes waren, welche die Aristokraten zur Selbsttötung bewegten. So stieß der Historiker bei seiner Recherche auf den Fall des Dresdner Freiherrn Gottlieb Georg Ernst von Arenswald, der einem Freund in Geldnot helfen wollte, selbst in finanzielle Schwierigkeiten geriet und sich aus Verzweiflung darüber erschoss. Andere Adlige wiederum verkrafteten den Übergang zur Moderne nicht, als sich die ständische Gesellschaft allmählich auflöste – und damit auch ihre eigene Sonderstellung –, und nahmen sich deshalb das Leben.
Die Idee des Ehrensuizids entwickelte offenbar ursprünglich das Bürgertum. Diesem ging es darum, dem Adel zu unterstellen, er empfinde etwas als ehrenhaft, das in Wahrheit unchristlich und sündig sei. Auf diesem Weg erhielt die Vorstellung vom Aristokraten, der den Freitod wählte, um sein gutes Ansehen zu retten, wohl auch Einzug in die Geschichtsbücher.
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