Soziale Netze: Seligmachende Seilschaft
Ellbogen haben in der nach ihnen benannten Extrem-Gesellschaft einen Sinn - im wirklichen Leben geht es aber gottlob oft anders zu. Schnurrvögel beweisen etwa, dass ein Leben in kumpelhafter Kooperation im Prinzip sinnvoller ist als Einzelkämpfer-Attitüde. Zumindest, bis das nächste hübsche Weibchen vorbeischneit.
Die Frau fürs Leben zu überzeugen, ist nie ganz leicht. Schon die Dame des Augenblicks zu umwerben, ist ja gelegentlich ganz schön aufwändig – aber muss man es sich wirklich so unheimlich schwer machen wie die Pipra-Männchen? Reicht es denn nicht, wie im Tierreich üblich, einfach ein wenig in schmuckes Äußeres zu investieren, mit ein paar offen getragenen Insignien zu prahlen und damit die bedauernswert mickrige Konkurrenz bei der Damenwahl auszustechen? Muss man sich denn wirklich auch noch zum Idioten machen?
Als Pipra-Mann muss man. Die zur Sperlingsverwandtschaft zählenden Schnurrvögel haben auf Freiersfüßen nicht nur penibel auf ihr Äußeres zu achten, um interessierte Blicke der Damen auf sich zu ziehen – ein im Unterhalt kostspieliges, stellenweise schreiend buntes und seidiges Federkleid ist unschlichter Standard. Darüber hinaus ist es eben auch Pflicht, sich das fragile Gefieder alljährlich im Lek schmutzig zu machen. "Lek" kommt aus dem Schwedischen und ist der Fachausdruck für einen Arena-artigen Kollektiv-Balzplatz, in dem sich die willigen Männchen einer Population – also eigentlich alle – zur Paarungszeit versammeln, um vor den zuschauenden Weibchen die große Tanz- und Zweikampf-Show mit Damenwahl abzuziehen.
Salsa ist nichts dagegen
Was da dann so geboten ist, haben Thomas Ryder von der Universität von Missouri und seine Kollegen zum Forschungsinhalt gemacht. Kurz ein Überblick über das bunte Geschehen: Im Lek geraten die versammelten männlichen Pipras – besonders in Gegenwart sich nähernder Pipraweibchen – in einen je nach Spezies ganz unterschiedlich choreografierten Tanzrausch. Dabei werden dann Schwanzfedern herumgezittert und gereckt, sich geduckt und nervös getrippelt, Flügel emphatisch gespreizt, Körper gestreckt, besonders schöne Farbflecken weibchenwärts gerichtet und Schöpfe gesträubt, schließlich Schenkel ausgestellt, kurze Flugeinlagen eingeschoben und, bei der geringsten Aussicht auf Erfolg, auch immer wieder kurze, begierige Attacken auf die weiblichen Zuschauer geritten, die dann, wenn Madame von den Tanzkünsten Monsieurs überzeugt wurde, in einem zwar flüchtigen, aber doch ernsthaften Techtelmechtel enden.
Anschließend machen die polygamen Weibchen sich dann meist zur nächsten Lek-Party auf und suchen nach Frischfleich – die Männchen bleiben und warten ansonsten auf dasselbe. Vorher, nachher und mittendrin verbinden die Männchen im Lek Choreografie und Kakophonie und produzieren verschiedenartigste Laute, die allen noch unschlüssigen Weibchen den Umweg zum eigenen Tanzboden auch akustisch schmackhaft machen sollen.
Paartanz statt Einzeldarbietung ...
Der Fadenpipra ist balztechnisch ein Mittelding und war genau deshalb zuletzt das bevorzugte Studienobjekt von Ryder und Kollegen. Denn der schwarzrotgelbe Pipra filicauda kennt sowohl das Prinzip des ausgezeichneten zentralen Tanzplatzes für ranghohe Tiere, den alle besonders gerne einnehmen würden, zeigt aber durchaus auch einmal tänzerische Anarchie und neigt manchmal sogar zum Paartanz – er verbrüdert sich dann mit einem Kollegen und synchronisiert seine Bewegungen. Warum, fragten sich Ryder und Co, das nun wieder?
Auf der Suche nach Antworten beringten die Forscher in vier Jahren insgesamt 818 Fadenpipras und beobachteten deren Interaktionen in den jeweiligen Leks, in denen sich zur Paarungszeit üblicherweise sieben bis zehn Vögel tummelten. Im Laufe der Zeit lernten die Forscher dabei das gesamte soziale Gefüge der Vogelgemeinschaft kennen: Wer wurde besonders oft Vater und eroberte sich besonders begehrte Tanz- und Rangordnungsplätze? Und wodurch gelang ihm zuvor der soziale Aufstieg?
... sichert den Erfolg
Mit Hilfe von aus den Gesellschaftswissenschaften adaptierten Methoden der Sozialnetzwerkanalyse ermittelten die Forscher unter anderem, welcher der Fadenpipras wann mit wem der Gelegenheit zum Paartanz nachkam – und erkannten, dass gerade hier ein wichtiger Schlüssel zum sozialen Aufstieg zu liegen scheint. Denn offenbar kommt man zu zweit schneller weiter – vielleicht, indem man einzeln tanzende Männchen kurzzeitig von den besseren Plätzen verdrängt.
Lang- und mittelfristig bilden sich Hierarchien dann nach dem Schneeballprinzip: Die durch Paartanz aufsteigenden Männchen erhalten auf jeder erklommenen Stufe der gesellschaftlichen Leiter immer mehr situationsweise Hilfe von Dritten. Vorteile haben davon auch die rangniederen Helfer – sie lernen im Glanz der Bosse besonders viele andere potenzielle Paartänzer kennen. Und so bilden sich schließlich fest zusammengeschweißte Kumpel-Seilschaften auf dem Weg in die Spitzenpositionen. Vorbei ist es mit der Männerfreundschaft allerdings – typisch –, sobald das erste Weibchen sich nähert.
Als Pipra-Mann muss man. Die zur Sperlingsverwandtschaft zählenden Schnurrvögel haben auf Freiersfüßen nicht nur penibel auf ihr Äußeres zu achten, um interessierte Blicke der Damen auf sich zu ziehen – ein im Unterhalt kostspieliges, stellenweise schreiend buntes und seidiges Federkleid ist unschlichter Standard. Darüber hinaus ist es eben auch Pflicht, sich das fragile Gefieder alljährlich im Lek schmutzig zu machen. "Lek" kommt aus dem Schwedischen und ist der Fachausdruck für einen Arena-artigen Kollektiv-Balzplatz, in dem sich die willigen Männchen einer Population – also eigentlich alle – zur Paarungszeit versammeln, um vor den zuschauenden Weibchen die große Tanz- und Zweikampf-Show mit Damenwahl abzuziehen.
Salsa ist nichts dagegen
Was da dann so geboten ist, haben Thomas Ryder von der Universität von Missouri und seine Kollegen zum Forschungsinhalt gemacht. Kurz ein Überblick über das bunte Geschehen: Im Lek geraten die versammelten männlichen Pipras – besonders in Gegenwart sich nähernder Pipraweibchen – in einen je nach Spezies ganz unterschiedlich choreografierten Tanzrausch. Dabei werden dann Schwanzfedern herumgezittert und gereckt, sich geduckt und nervös getrippelt, Flügel emphatisch gespreizt, Körper gestreckt, besonders schöne Farbflecken weibchenwärts gerichtet und Schöpfe gesträubt, schließlich Schenkel ausgestellt, kurze Flugeinlagen eingeschoben und, bei der geringsten Aussicht auf Erfolg, auch immer wieder kurze, begierige Attacken auf die weiblichen Zuschauer geritten, die dann, wenn Madame von den Tanzkünsten Monsieurs überzeugt wurde, in einem zwar flüchtigen, aber doch ernsthaften Techtelmechtel enden.
Anschließend machen die polygamen Weibchen sich dann meist zur nächsten Lek-Party auf und suchen nach Frischfleich – die Männchen bleiben und warten ansonsten auf dasselbe. Vorher, nachher und mittendrin verbinden die Männchen im Lek Choreografie und Kakophonie und produzieren verschiedenartigste Laute, die allen noch unschlüssigen Weibchen den Umweg zum eigenen Tanzboden auch akustisch schmackhaft machen sollen.
Und weil es beim Pipratanz kaum etwas gibt, was es nicht gibt, gibt es auch das de-facto-Gegenteil des wilden Ego-Gehüpfes: Schnurrvogelgattungen wie die Chiroxiphia tanzen miteinander in völlig gleichzeitigen und gleichförmigen Tanzschritten – was Weibchen die Wahl des besten Tänzers ja nicht gerade erleichtert. Arterhaltend wirkt sich hier aus, dass die Männchen dieser Gattung zunächst eine sehr strikte Hierarchie ausgefochten haben, die den Einzeltänzern einen festgelegten Tanzort zuweist, an dem für weiblich Eingeweihte der Rang abzulesen ist – der Herr im besterleuchteten Schaufenster darf ran.
Paartanz statt Einzeldarbietung ...
Der Fadenpipra ist balztechnisch ein Mittelding und war genau deshalb zuletzt das bevorzugte Studienobjekt von Ryder und Kollegen. Denn der schwarzrotgelbe Pipra filicauda kennt sowohl das Prinzip des ausgezeichneten zentralen Tanzplatzes für ranghohe Tiere, den alle besonders gerne einnehmen würden, zeigt aber durchaus auch einmal tänzerische Anarchie und neigt manchmal sogar zum Paartanz – er verbrüdert sich dann mit einem Kollegen und synchronisiert seine Bewegungen. Warum, fragten sich Ryder und Co, das nun wieder?
Auf der Suche nach Antworten beringten die Forscher in vier Jahren insgesamt 818 Fadenpipras und beobachteten deren Interaktionen in den jeweiligen Leks, in denen sich zur Paarungszeit üblicherweise sieben bis zehn Vögel tummelten. Im Laufe der Zeit lernten die Forscher dabei das gesamte soziale Gefüge der Vogelgemeinschaft kennen: Wer wurde besonders oft Vater und eroberte sich besonders begehrte Tanz- und Rangordnungsplätze? Und wodurch gelang ihm zuvor der soziale Aufstieg?
... sichert den Erfolg
Mit Hilfe von aus den Gesellschaftswissenschaften adaptierten Methoden der Sozialnetzwerkanalyse ermittelten die Forscher unter anderem, welcher der Fadenpipras wann mit wem der Gelegenheit zum Paartanz nachkam – und erkannten, dass gerade hier ein wichtiger Schlüssel zum sozialen Aufstieg zu liegen scheint. Denn offenbar kommt man zu zweit schneller weiter – vielleicht, indem man einzeln tanzende Männchen kurzzeitig von den besseren Plätzen verdrängt.
Lang- und mittelfristig bilden sich Hierarchien dann nach dem Schneeballprinzip: Die durch Paartanz aufsteigenden Männchen erhalten auf jeder erklommenen Stufe der gesellschaftlichen Leiter immer mehr situationsweise Hilfe von Dritten. Vorteile haben davon auch die rangniederen Helfer – sie lernen im Glanz der Bosse besonders viele andere potenzielle Paartänzer kennen. Und so bilden sich schließlich fest zusammengeschweißte Kumpel-Seilschaften auf dem Weg in die Spitzenpositionen. Vorbei ist es mit der Männerfreundschaft allerdings – typisch –, sobald das erste Weibchen sich nähert.
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