Seuchen: Zwei Pest-Varianten teilten sich Europa
Die Pest tötet Menschen schon seit der Steinzeit: Die älteste bekannte Infizierte starb vor rund 4900 Jahren, wie DNA-Spuren des Erregers Yersinia pestis in einem Grab im Nordwestkaukasus belegen. Wüteten also bereits damals oder noch früher Wellen des Erregers durch Europa – oder entwickelte sich das Bakterium erst allmählich zu dem todbringenden, hoch ansteckenden Keim, der in Antike, Mittelalter und Neuzeit als Schwarzer Tod bekannt wurde?
Beides stimmt wohl nicht ganz, die Geschichte scheint komplizierter. Dies meinen nun die Alt-DNA-Analytiker vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte um Johannes Krause und internationale Kollegen, die sich die frühe Evolution des Pesterregers genauer angesehen und für das Fachblatt »PNAS« zusammengefasst haben. Das Team hatte zuvor DNA-Spuren von 17 Yersinia-Bakterien aus Eurasien analysiert, die in 2500 bis 5000 Jahre alten Grabstätten isoliert worden waren.
Wie die Auswertung zeigt, haben in der ausgehenden Jungsteinzeit offenbar zwei genetisch unterschiedliche Y.-pestis-Stämme unabhängig voneinander nebeneinander existiert. Ihr Verbreitungsraum überlappte im gesamten Westeurasischen Kontinent für rund 2500 Jahre. Nur eine der beiden Arten hat sich an Flöhe als Überträger spezialisiert; der zweiten Form fehlten dagegen Genvarianten, die dem Bakterium ein Überdauern im Floh erlauben, etwa das Gen ymt. Zugleich fehlte der Virulenzfaktor YPMT1.66c, der es den modernen Varianten der Keime ermöglicht, sich gegen das angeborene Immunsystem von Säugetieren zu verteidigen.
Bisher war vermutet worden, dass Bakterien, die nicht von Flöhen übertragen wurden, eine Stammform des Pesterregers waren, aus der sich der moderne, tödlichere Keim dann erst entwickelt hat – der Floh als Überträger, so die Idee, sei dann das Erfolgsgeheimnis der moderneren Pest gewesen. Dies passt jedoch nicht zu den DNA-Analysen: Die Forscher entdeckten zum Beispiel eine ebenfalls sehr alte, durchaus aber an Flöhe angepasste Variante in einer Grabstätte auf der Iberischen Halbinsel. Womöglich hatte jeder Erregerstamm also über lange Zeit hinweg eigene ökologische Nische besetzt, ohne den anderen zu verdrängen, vermuten die Forscher. Erst nach einigen Jahrtausenden sorgte die von Flöhen übertragene Form dann für todbringende Pestwellen – während die zweite Form womöglich irgendwann in der europäischen Eisenzeit verschwand.
Damit stellt sich die Frage, warum die durch Flöhe übertragenen Pesterreger erst nach Jahrtausenden zur Geißel der Menschen wurden. Vielleicht begann die Karriere der Krankheit erst wirklich, als die Menschen es den Erregern immer leichter machten, neue Opfer zu finden: in den Zeiten, in denen die Menschen mehr Weidewirtschaft betrieben, mehr umherreisten und Handel trieben und mit dem frisch domestizierten Reittier Pferd größere Strecken schnell zurücklegten. Dabei transportierten sie dann die Pestbakterien auch schneller von Mensch zu Mensch.
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