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Sex in der Pubertät: Wie Jugendliche ihr erstes Mal erleben

Für die Mehrheit ist der erste Sex eine schöne Erfahrung. Aber nicht für alle. Und viele wollen lieber warten: In Deutschland ebenso wie in den USA haben die meisten jungen Leute mit 16 noch keinen Geschlechtsverkehr.
Mädchen und Junge im Teenageralter liegen auf einer Wiese und küssen sich

Laura und Max haben bewusst gewartet, bis Laura 16 Jahre alt wurde. Max war da bereits 18 – und sie waren noch gar nicht »zusammen«. Sie lernten sich kennen, fanden sich sympathisch und sprachen über Sex. Gemeinsam bereiteten sie den Moment vor, kümmerten sich um Verhütung. Wie hat sich das erste Mal angefühlt? Schön, sagen beide. Max ist überzeugt: »Dass es eine schöne Erfahrung war, lag vor allem an der offenen Kommunikation.« Später wurden sie ein Paar und sind nun glücklich, dass sie es auf ihre Weise angegangen sind.

Die Geschichte von Laura und Max, die eigentlich anders heißen, ist nicht unbedingt typisch. Sie zeigt jedoch, was gute Voraussetzungen für das erste Mal sind: fundiertes Wissen, ausreichende Reife und offene Gespräche. Dabei war Laura statistisch gesehen mit 16 Jahren noch recht jung. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt seit 1980 regelmäßig eine repräsentative Studie zur Sexualität von Jugendlichen durch. Laut der bis dato letzten Befragung 2019 hatte nur ein Drittel der 16-Jährigen schon einmal Geschlechtsverkehr – und damit weniger als in vergangenen Erhebungen. Mit 17 Jahren waren es ungefähr zwei Drittel und mit 22 Jahren rund 90 Prozent. Jeder Dritte wartete mindestens bis zur Volljährigkeit.

Das Alter sagt aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wann die Jugendlichen tatsächlich bereit sind, erklärt die Frauenärztin Erika Ober aus Michelstadt im Odenwald: »Es kommt auf die Hormone an.« Eine niederländische Metaanalyse untersuchte, wie sich die Pubertät auf das Sexualleben auswirkt. Ergebnis: Je früher die Kinder in die Pubertät kamen, desto früher und riskanter ihre sexuellen Aktivitäten.

In der Studie der BZgA gaben etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen an, länger warten zu wollen, um den richtigen Partner oder die richtige Partnerin zu finden. Andere halten sich selbst noch für zu jung oder sind zu schüchtern, um die entsprechenden Schritte zu unternehmen. Das zeigt, dass sich viele durchaus Gedanken um das erste Mal machen.

Serie »Die Entdeckung der Lust«

Doktorspiele im Kindergarten, der erste Sex frühestens mit 18: So stellen sich viele Eltern das Liebesleben ihrer Kinder vor. Doch tatsächlich beginnt die Lust am eigenen Körper schon früher. Was Erwachsene über die Sexualentwicklung wissen sollten und wie sie mit ihren Kindern darüber sprechen können, erklärt »Spektrum.de« in den folgenden Beiträgen.

  1. Selbstbefriedigung:Wie Kinder ihren Körper erkunden
  2. Sexualaufklärung:Mit Kindern über Sex reden – aber wie?
  3. Sex in der Pubertät:Wie Jugendliche ihr erstes Mal erleben

    Das muss allerdings nicht so sein. Nora, auch ihr Name ist geändert, war knapp 16 Jahre alt, als ihr damaliger Freund sie überredete. »Es war so unromantisch, wie man es sich nur vorstellen kann«, erinnert sie sich. »Im Nachhinein bereue ich es, ich hätte länger warten sollen. Hinterher habe ich geweint.« Die vielen kleinen Andeutungen ihres erfahreneren Freundes hatten sie glauben lassen, sie wäre bereit – drei Jahre später blickt sie zurück und weiß es besser.

    »Manche denken dann: Ich bin schon 16, jetzt muss ich das erste Mal hinter mich bringen«Sabine Radestock, Psychologin und Familienberaterin

    Druck von außen und auch von sich selbst spielt oft eine Rolle, wenn Jugendliche sich zu früh auf Geschlechtsverkehr einlassen. Besonders die Freundinnen und Freunde beeinflussen die Entscheidung: Haben viele von ihnen schon früh Sex, kann das innerhalb der Gruppe zur Norm werden. So entsteht eine Erwartungshaltung, sagt die promovierte Psychologin und Psychotherapeutin Sabine Radestock, die in ihrer Mannheimer Praxis unter anderem Jugendliche und deren Familien berät. »Manche denken dann: Ich bin schon 16, jetzt muss ich das erste Mal hinter mich bringen.«

    Wie stark sich die Gruppennorm auswirkt, ist individuell verschieden. 2016 untersuchte eine Forschungsgruppe, wie sich Jugendliche in ihren Einstellungen zu Sexualität von Gleichaltrigen beeinflussen lassen. Die 300 Jungen und Mädchen, im Mittel knapp 13 Jahre alt, wurden unter anderem mit fiktiven Szenarien konfrontiert: Wären sie zu riskantem Verhalten bereit, etwa zu Sex mit einem unbekannten Schüler oder einer unbekannten Schülerin? Im Anschluss daran simulierten die Forschenden einen Chat-Raum. Sie ließen die Teilnehmenden glauben, sie würden dort mit Gleichaltrigen sprechen – und diese äußerten sich etwas risikofreudiger als die Befragten selbst.

    Fast 80 Prozent der Jugendlichen machten daraufhin im Chat ebenfalls Aussagen, die auf erhöhte Risikobereitschaft schließen ließen. Im Umkehrschluss war also etwa ein Fünftel immun gegen den Einfluss der Gruppe. Im Übrigen scheint das Geschlecht eine Rolle zu spielen: Jungen ließen sich beim Thema Sex leichter von Gleichaltrigen lenken.

    Natürlich ist diese Situation recht theoretisch. Ob die Jugendlichen tatsächlich so handeln würden, wie sie es im Chat schrieben, ist unklar. Andererseits haben Bekannte im wahren Leben wahrscheinlich mehr Einfluss als Unbekannte in einem Versuchslabor. Die Studie legt jedenfalls nahe, dass sich viele, aber nicht alle Jugendlichen von Gleichaltrigen beeinflussen lassen.

    Das bedeutet umgekehrt, dass ein verständnisvoller und offener Freundeskreis auch positiv auf das Verhalten einwirken kann. Diese Erfahrung machte Finn; sein Name ist ebenfalls geändert. Der 16-Jährige begann mit etwa zwölf Jahren, sich mit seinen Freunden auszutauschen – anfangs mit viel Gekicher, später in ernsthafteren Gesprächen. Sein erstes Mal hatte Finn mit 14 Jahren. Druck verspürte er nicht, doch so richtig genießen konnte er den Moment trotzdem nicht. »Es hat sich eher komisch angefühlt«, sagt Finn. »Mit meiner späteren Freundin war es dann anders, weil wir darüber sprechen konnten, was wir mögen.«

    Verhütung: Für die meisten eine Selbstverständlichkeit

    Über Verhütung machen sich die meisten Jugendlichen bereits Gedanken, bevor sie sich auf den ersten Geschlechtsverkehr einlassen. Finn, Nora, Laura und Max waren alle vorbereitet. Weniger als zehn Prozent gaben in der jüngsten Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an, beim ersten Mal nicht verhütet zu haben – etwa, weil es spontan dazu kam oder weil sie davon ausgingen, dass schon nichts passieren würde. Unter den Jungen hatte nach eigenen Angaben mehr als jeder Zehnte (elf Prozent) nicht verhütet; unter den Mädchen nur halb so viele (fünf Prozent).

    Das Mittel der Wahl ist beim ersten Mal das Kondom. Im Lauf einer Partnerschaft bevorzugen viele dann eher die Pille. »Die Mädchen, die zu mir in die Praxis kommen, sind in der Regel sehr gut über Verhütungsmöglichkeiten informiert«, sagt die Frauenärztin Erika Ober. »Natürlich gibt es auch Falschwissen, aber das kann ich ja korrigieren.« Mit Fragen kommen die Mädchen oder jungen Frauen vor allem dann zu ihr, wenn es Probleme gibt, wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Denn selbst mit dem richtigen Partner oder der richtigen Partnerin und entsprechender Vorbereitung läuft nicht immer alles so, wie es sich die Paare vorstellen. Gründe kann es viele geben, beispielsweise Vaginismus oder eine Vorhautverengung.

    Beratung online und am Telefon

    Ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte aller Art finden Kinder und Jugendliche kostenlos und anonym bei der Nummer gegen Kummer telefonisch unter 116 111 oder bei der Telefonseelsorge unter 0800 1110 333. Weitere Angebote im Internet:

    Immer mehr Jugendliche informieren sich über Sexualität im Internet. 2001 gaben nur etwa drei Prozent der Mädchen und zehn Prozent der Jungen an, online danach zu suchen. 13 Jahre später waren es bereits 39 Prozent der Mädchen und 50 Prozent der Jungen. Die Informationsquellen sind vielfältig: Websites von klassischen Medien, Gesundheits- und Aufklärungsportale, Ratgeber und Foren, Wikipedia, die sozialen Medien und Apps.

    Dazu kommen Pornografie-Portale. Hier können sich Jugendliche mögliche Praktiken detailliert angucken – was vollkommen harmlos sein kann. Doch das Surfen auf solchen Seiten birgt auch Risiken, allen voran den Anblick von Gewalt- und Kinderpornografie. Und nicht nur das: Die teils unrealistischen Darstellungen schüren überzogene Erwartungen, sagt die Verhaltenstherapeutin Sabine Radestock. »Das kann zu einer Art Erregungssucht werden. Die Filme müssen immer verrückter und aufregender sein, und die Realität kann da nicht mithalten.«

    Die Eltern: Gespräche anbieten, aber nicht aufzwingen

    Eltern haben die Aufgabe, vor möglichen Gefahren zu warnen. Solche Gespräche sind allerdings nicht immer leicht und manchmal schlicht nicht erwünscht. Während Finn mit seinen Eltern gelassen über alles sprechen kann und dafür sehr dankbar ist, wäre Nora eine solche Unterhaltung eher unrecht. Sie glaubt zwar, dass ihre Eltern sich Mühe geben würden, doch sie fühlt sich auch so gut informiert und möchte sich selbst und den Eltern ein unangenehmes Gespräch ersparen.

    In einer Frauenarzt-Praxis sei das ebenfalls nicht immer einfach, berichtet Erika Ober: »Mädchen kommen oft mit ihren Müttern. Wenn ich merke, dass sie vor ihnen nicht über das Thema Geschlechtsverkehr sprechen möchten, mache ich das lieber zu einem anderen Zeitpunkt mit den Mädchen allein.«

    Die Psychologin und Familienberaterin Sabine Radestock sieht es positiv, dass viele Eltern immer offener mit dem Thema umgehen. »Und wenn das nicht gut klappt, gibt es sehr gute Angebote, etwa von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.« Was Eltern vermeiden sollten: ihren Kindern Angst zu machen.

    Die BZgA schlägt behutsame Gesprächsangebote seitens der Eltern zu Verhütung und sexuell übertragbaren Krankheiten zwar als sinnvolle Maßnahme vor. Aufzwingen sollten sie die Gespräche allerdings nicht, sondern die Privatsphäre der Jugendlichen respektieren. Lauras Mutter etwa warnte immer wieder eindringlich vor einer ungewollten Schwangerschaft – dabei hatte sich Laura längst um die Verhütung gekümmert. Auf die ständigen Predigten hätte sie gerne verzichtet.

    Die Botschaft: Auch sicherer Sex kann toll sein

    Ein Aspekt, der von Eltern sowie in der schulischen Aufklärung oft vergessen wird, ist die Lust am Sex. Dabei ist sie für die Jugendlichen ein wichtiger Teil der Erfahrung. Eine Untersuchung von 2022 legt beispielsweise nahe, bei der Aufklärung über HIV und Geschlechtskrankheiten die schönen Seiten von Safer Sex hervorzuheben, zum Beispiel wie erotisch es sein kann, Kondome zu gebrauchen. Auch sicherer Sex kann toll sein, so lautet die Botschaft.

    Das Wichtigste, was Eltern für ihre Kinder tun können, sei eher allgemeiner Natur, sagt Psychologin Sabine Radestock: »Kinder müssen in dem Wissen aufwachsen, dass sie Fragen stellen können.« Selbst wenn die Eltern nicht mit allem einverstanden sind, was ihre Kinder tun, sollten sie ihnen Selbstbewusstsein vermitteln. Das funktioniert, indem sie ihnen das Gefühl geben, so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Denn damit geben sie ihnen auch die Stärke zu sagen: »Ich bin mir unsicher, also möchte ich noch warten.«

    Schlechtes Timing oder falscher Partner

    Für viele ist das erste Mal eine schöne Erfahrung. Für einige jedoch nicht. Im Nachhinein finden sie, es sei für sie noch zu früh gewesen. Befragungen von mehr als 6000 US-Studierenden über 30 Jahre hinweg zeigten: Mehr als die Hälfte fanden den Zeitpunkt richtig. Doch mehr als ein Drittel hätten im Nachhinein gerne noch etwas gewartet, darunter vor allem Frauen. Wer sich unter Druck gesetzt fühlte, bewertete die Erfahrung negativer. Günstig war ein Altersabstand von nicht mehr als zwei Jahren. Ob eine Beziehung bestand und wie lange, spielte keine Rolle.

    Eine repräsentative deutsche Studie fand jedoch einen Zusammenhang mit der Art der Beziehung. War das Mädchen mit dem Partner oder der Partnerin kaum oder gar nicht bekannt, so empfanden lediglich 26 Prozent den ersten Sex als »etwas Schönes«. Handelte es sich um eine feste Freundschaft oder gute Bekanntschaft, waren es 63 Prozent. Bei den männlichen Befragten gab es einen solchen Zusammenhang nicht. Überhaupt fanden nur wenige Jungs das erste Mal unangenehm – bei den weiblichen Befragten hingegen war es mehr als jede fünfte.

    Zum ersten Mal gedrängt oder gezwungen

    In einer Studie der Harvard Medical School von 2019 berichten 6,5 Prozent der Frauen unter 45, dass sie bei ihrem ersten Geschlechtsverkehr von einem Mann genötigt oder verbal unter Druck gesetzt wurden. Mehr als jede zweite von ihnen wurde mit Gewalt festgehalten, rund jede vierte körperlich verletzt, und ebenso vielen wurde Gewalt angedroht. Die Zahlen stammen aus einer repräsentativen nationalen Umfrage unter rund 13 000 US-Amerikanerinnen.

    Frauen, die sich zum Sex gedrängt oder genötigt fühlten, waren dabei im Mittel 15 Jahre alt und die beteiligten Männer mit durchschnittlich 27 Jahren deutlich älter. Frauen, die sich frei entschieden hatten, waren im Mittel 17 und ihre männlichen Partner 21 Jahre. Die Konstellation von jungen Mädchen und deutlich älterem Mann ist demnach ein Alarmzeichen.

    Sexuelle Gewalt beim ersten Verkehr ist ein Risikofaktor für die Gesundheit, schreibt die Gruppe um Medizinerin Laura Hawks. Die betroffenen Frauen litten später zum Beispiel häufiger unter Entzündungen im Unterleib und unter Endometriose, einer chronischen Erkrankung der Gebärmutter. Der Mechanismus dahinter sei unklar.

    (eli)

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