Sicher helfen: Wie hilft man bei einem ausgeschlagenen Zahn?
Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.
Sie fahren mit Ihrem achtjährigen Sohn im Park Inliner. Gerade rufen Sie ihm zu, dass er langsamer fahren soll, als er plötzlich nach vorne fällt. Als Sie ihn erreichen, blutet er leicht aus dem Mund. An einem seiner Schneidezähne fehlt ein Stück.
Was ist los?
Dem Jungen ist ein Stück seines Zahns abgebrochen, er hatte einen Zahnunfall. Von einem Zahnunfall spricht man, wenn ein oder mehrere Zähne und das umgebende Gewebe durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung verletzt werden. Häufige Ursachen sind Verkehrs-, Haushalts- oder Sportunfälle, insbesondere bei Sportarten wie Hockey, Inlineskaten, Ball- oder Kampfsportarten. Vor allem Kinder im Grundschulalter sind gefährdet. Insgesamt verletzen sich 25 bis 50 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahr an den Zähnen, Jungen häufiger als Mädchen. In rund 80 Prozent der Fälle nehmen die oberen Schneidezähne Schaden. Die Verletzungen reichen von Rissen im Zahnschmelz über verschobene oder gelockerte Zähne bis hin zu abgebrochenen Zahnteilen und komplett ausgeschlagenen Zähnen. Zum Teil wird auch der Zahnnerv beschädigt.
Ist das gefährlich?
Je nach Unfallhergang hat die verletzte Person Schmerzen an den Zähnen, im Kiefer oder beim Beißen. Der Zahn kann beweglicher, kürzer oder länger als seine Nachbarn sein. Fehlt ein kompletter Zahn, muss er zügig versorgt werden, damit er nicht nach wenigen Minuten austrocknet. Dann sterben die Zellen an der Oberfläche der Zahnwurzel ab, ohne die der Zahn nicht wieder im Gebiss festwachsen kann. Manchmal bluten Wunden im Mundraum; es kann aber auch sein, dass auf den ersten Blick keine Schäden am Zahn zu sehen sind. Begleitend können weitere Verletzungen wie eine Gehirnerschütterung oder ein gebrochener Kiefer dazukommen. Im Verlauf kann sich außerdem das Zahnfleisch entzünden. Sind die Nerven in der Zahnwurzel verletzt, reagiert der Zahn kaum oder gar nicht mehr auf Hitze oder Kälte und verfärbt sich gräulich. Zum Teil macht sich der Nervenschaden erst nach einiger Zeit bemerkbar. Dann stirbt er wahrscheinlich ab. Dasselbe droht, wenn die Zahnwurzel nach einer Verletzung langfristig abgebaut wird.
Wie kann man helfen?
Zunächst beruhigt man die verletzte Person oder das Kind, schaut sich ihre Mundhöhle an und entfernt lose Zähne oder Zahnteile. Gelockerte oder verschobene Zähne lässt man in Ruhe. Blutende Wunden stillt man, indem man mit einem Stofftuch oder einem sterilen Verband Druck auf sie ausübt oder die Person auf das Tuch beißen lässt. Außerdem kühlt man die Wunde von außen, etwa Kühlpackung, die in ein Tuch eingewickelt ist. Sind die Verletzungen versorgt, begibt man sich zügig auf die Suche nach ausgeschlagenen Zähnen oder abgebrochenen Stücken.
Bei einem komplett ausgeschlagenen Zahn stehen die Chancen gut, dass er wieder in den Kiefer eingesetzt werden kann, wenn er schnell gefunden und korrekt aufbewahrt wird. Hat man den Zahn gefunden, fasst man ihn nur an seiner normalerweise sichtbaren Krone an, nicht an der Wurzel. Auch wenn er dreckig ist, reinigt oder desinfiziert man ihn nicht. Der Zahn wird möglichst feucht gelagert, am besten in einer Zahnrettungsbox. Eine solche gibt es in der Apotheke zu kaufen; auch Schulen, Kitas oder Sportvereine haben sie häufig vorrätig. Die spezielle Box enthält ein Nährmedium, das den Zahn vor dem Austrocknen bewahrt. Sofern er innerhalb von 20 Minuten verstaut wird, überleben er und seine empfindlichen Zellen auf der Zahnwurzelhaut bis zu 48 Stunden darin. Wer keine Box zur Hand hat, legt den Zahn für 30 Minuten bis maximal zwei Stunden in haltbare Milch, Frischhaltefolie oder eine Kochsalzlösung aus der Apotheke. Wasser, feuchte oder gar trockene Taschentücher eignen sich nicht. Sind nur Teile eines Zahnes abgebrochen, verfährt man auf die gleiche Art und verstaut sie in einer Zahnrettungsbox oder alternativ etwa in H-Milch.
Hat man den oder die Zähne oder Zahnbruchstücke gefunden und korrekt aufbewahrt, bringt man sie und die Person direkt in eine zahnärztliche Praxis oder Zahnklinik. Auch wenn nach einem Unfall im Mundbereich keine offensichtlichen Zahnschäden bestehen, ist eine zahnärztliche Untersuchung sinnvoll, um Verletzungen auszuschließen.
Herausgeschlagene oder abgebrochene Milchzähne werden meist nicht mehr eingesetzt. In diesem Fall reicht es, wenn Eltern zeitnah mit ihren Kindern zur Zahnarztpraxis gehen, bei Blutungen noch am selben Tag. Anders verhält es sich, wenn der Milchzahn im Gebiss verschoben oder ins Zahnfleisch hineingedrückt wurde. Dann sollte man sofort zum Zahnarzt.
Wie geht es weiter?
Die Zahnärztin oder der Zahnarzt fragt nach dem Unfallhergang und nach Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Bewusstlosigkeit, die auf eine Kopfverletzung hinweisen. Dann tastet er oder sie die Schädelknochen im Gesicht und den Kiefer nach Brüchen ab, bevor der Mundraum und die Zähne näher untersucht und ihre Sensibilität getestet werden. Anschließend folgt eine Röntgenuntersuchung, um unter anderem Verletzungen der Zahnwurzel auszuschließen. Abgebrochene Zahnstücke können mit einem Spezialkleber angebracht werden. Lockere oder eingedrückte Zähne werden mit einer Schiene in ihre normale Position gebracht. Ein ausgeschlagener Zahn kann häufig erfolgreich wieder eingepflanzt werden, wenn er zuvor richtig gelagert wurde. Bei einer Verletzung der Zahnwurzel wird eventuell eine Wurzelkanalbehandlung nötig. Beschädigte Milchzähne werden womöglich entfernt, damit der darunterliegende bleibende Zahn nicht beeinträchtigt wird. Kann das Zahnbruchstück nicht wieder angeklebt werden, wird das fehlenden Teil mit einer kunststoffhaltigen Substanz ersetzt. Fehlen größere Stücke, wird der beschädigte Zahn mit einer Zahnkrone bedeckt. Ist es nicht möglich, einen komplett ausgeschlagenen Zahn zu retten, wird er durch ein Zahnimplantat ersetzt. Tiefe Wunden im Zahnfleisch und der Mundschleimhaut müssen eventuell genäht werden.
Je nach Art der Verletzung und Behandlung darf die Person in den folgenden Tagen nur weiche Speisen zu sich nehmen. Manchmal braucht sie ein Antibiotikum, um einer Zahnfleischentzündung vorzubeugen oder sie zu behandeln. Manchmal muss der Impfschutz gegen Tetanus überprüft und gegebenenfalls aufgefrischt werden. Langfristig stehen regelmäßige Zahnuntersuchungen an, um Nervenschäden oder Spätfolgen rechtzeitig zu erkennen.
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