Sicher helfen: Wie hilft man bei einer Alkoholvergiftung?
Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.
Sie waren mit Freundinnen unterwegs und sind nun auf dem Heimweg. Auf einer nahe gelegenen Bank liegt ein junger Mann. Ihnen fällt auf, dass er keine Jacke trägt. Auf Ihre Ansprache und sanfte Berührung an der Schulter reagiert er nicht. Er riecht nach Alkohol.
Was ist los?
Der Jugendliche hat wahrscheinlich eine Alkoholvergiftung. Er reagiert nicht, weil Alkohol ein Zellgift ist und im Gehirn die Weiterleitung von Nervenreizen hemmt. Im Jahr 2021 wurden 11 700 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Insgesamt wurden über alle Altersgruppen hinweg 69 300 Menschen stationär versorgt, die meisten von ihnen Männer. Damit sind die Fallzahlen das zweite Jahr in Folge gesunken.
Trotzdem wird in Deutschland vergleichsweise viel Alkohol konsumiert. Pro Kopf trinken über 15-jährige Deutsche im Schnitt 10,6 Liter Reinalkohol. Beim Bierkonsum liegt Deutschland im europäischen Vergleich mit 5,6 Litern Reinalkohol pro Kopf an vierter Stelle. Daten aus dem Jahr 2021 zeigen, dass neun Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren einen problematischen Alkoholkonsum aufweisen: Sie trinken gesundheitsschädliche Mengen, nutzen den Alkohol als Bewältigungsstrategie für Stress oder Probleme oder spüren negative körperliche, psychische und soziale Auswirkungen des Konsums. Welche Auswirkungen der Alkoholrausch hat, hängt zum einen von der Alkoholkonzentration im Blut ab, die in Promille angegeben wird. Manch einer verträgt außerdem mehr Alkohol als andere, weil er durch regelmäßiges Trinken an die Substanz gewöhnt ist. Andere Menschen wiederum sind genetisch bedingt intolerant und entwickeln schon nach geringen Alkoholmengen Herzrasen, Muskelschwäche und ein rotes Gesicht.
Sicher helfen
Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?
Warum ist das gefährlich?
Bis zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille ist die Stimmung meist gehoben. Man ist enthemmt, risikobereiter und leichter reizbar. Zudem reagiert man verzögert und ist weniger aufmerksam, spricht undeutlicher und sieht schlechter. Bis 2,5 Promille nehmen Sprach- und Sehfähigkeit und Koordination immer weiter ab. Hinzu kommen teilweise Verwirrtheit und Orientierungsprobleme. Bis 3,5 Promille leiden das Gleichgewicht und die Konzentration stark, außerdem entstehen Gedächtnislücken. Die Muskeln werden schlaff und man muss sich erbrechen. Zudem wird man schläfrig oder bewusstlos. Über 3,5 Promille fällt man in ein Koma und reagiert nicht mehr auf Schmerzreize. Die Reflexe fallen aus: So reagieren die Pupillen beispielsweise nicht mehr auf einfallendes Licht. Der Körper unterkühlt außerdem schneller. Wenn der Kreislauf und die Atmung versagen, besteht ohne medizinische Hilfe Lebensgefahr. Blutalkoholkonzentrationen von fünf oder mehr Promille enden häufig tödlich.
Folge- oder Begleiterscheinungen wie eine Unterzuckerung, Dehydratation, Elektrolytstörungen, Krampfanfälle, Unterkühlung oder Verletzungen nach einem Sturz gefährden die Gesundheit zusätzlich. Wer dauerhaft zu viel Alkohol trinkt, kann an einer Alkoholabhängigkeit leiden, die mit körperlichen, psychischen und sozialen Folgen einhergeht.
Wie kann man helfen?
Zunächst spricht man die alkoholisierte Person ruhig an. Ist sie aggressiv oder leicht reizbar, muss man dabei auch auf die eigene Sicherheit achten. Wenn sich die Person im Sitzen übergibt, beugt man den Kopf nach vorne, während man ihre Stirn hält. Liegt sie dabei, dreht man ihren Kopf zur Seite, um ein Ersticken zu vermeiden. Keinesfalls sollte man Erbrechen aber extra auslösen, weil die Schutzreflexe wie der Hustenreflex nicht mehr richtig funktionieren. Wird der Betroffene schläfrig oder verliert das Bewusstsein, versucht man ihn wach zu halten und legt ihn in die stabile Seitenlage. Dann ruft man den Notruf 112. Bis der Rettungswagen ankommt, bleibt man bei ihm, schützt ihn vor einer Unterkühlung und beobachtet regelmäßig seine Atmung und seinen Bewusstseinszustand. Ist die Atmung nicht normal oder nicht mehr vorhanden, beginnt man mit der Wiederbelebung.
Wie geht es weiter?
Die Rettungskräfte kontrollieren Atmung, Kreislauf und Bewusstseinslage der betroffenen Person, geben bei Bedarf Flüssigkeit oder Sauerstoff und transportieren sie in ein Krankenhaus. Dort messen die Ärztinnen und Ärzte die Alkoholkonzentration im Blut, den Blutzuckerspiegel, die Elektrolyte und führen ein Screening auf weitere Drogen durch. Bei einer mittelgradigen oder schweren Alkoholvergiftung kontrollieren sie Kreislauffunktionen und Atmung engmaschig. Weil der Alkohol verzögert aufgenommen wird, müssen sie damit rechnen, dass sich der Zustand der alkoholisierten Person im Verlauf verschlechtern kann. Sie geben Flüssigkeit und behandeln etwaige Stoffwechselentgleisungen oder Begleitprobleme wie Verletzungen nach einem Sturz. Ist die Person bewusstlos, müssen andere häufige Ursachen wie eine Unterzuckerung, eine Mischintoxikation durch Einnahme mehrerer Drogen oder Hirnblutungen ausgeschlossen werden. Zudem wird der oder die Betroffene dann auf eine Überwachungs- oder Intensivstation verlegt. Vor der Entlassung überprüfen die Mediziner, ob er oder sie vielleicht an einer Alkoholabhängigkeit erkrankt ist und weitere Therapiemaßnahmen notwendig sind.
Drogennotfälle
Die Einnahme von Drogen kann mit unangenehmen oder sogar schwer wiegenden Nebenwirkungen einhergehen. Je nach Substanz stehen andere Beschwerden im Vordergrund: Amphetamine und Ecstasy erhöhen beispielsweise die Körpertemperatur und führen zu starkem Flüssigkeitsverlust. Dann bekommt die Person einen roten Kopf und sehr warme Haut, ihr Herzschlag beschleunigt sich und sie kollabiert. Psychoaktive Substanzen wie Cannabis oder LSD können Angst und Panik bis hin zu Halluzinationen auslösen. Opiate verlangsamen die Atmung bis zum Atemstillstand. Auffällig sind massiv verengten Pupillen. Bei einer Überdosis machen sich vielleicht zusätzlich allgemeine Vergiftungserscheinungen bemerkbar wie Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel und Verwirrtheit, bis hin zu Bewusstlosigkeit, Atemstörungen und einem reanimationspflichtigen Herz-Kreislauf-Stillstand.
Hat man den Verdacht, dass eine Person Drogen zu sich genommen hat, sollte man sie zunächst beruhigen und von der Umgebung abschirmen. Dabei achtet man stets auf die eigene Sicherheit, falls die Person aggressiv reagiert. Insbesondere bei starken, anhaltenden Beschwerden, nach einem Krampfanfall oder bei Bewusstlosigkeit oder starker Schläfrigkeit alarmiert man den Notruf 112. Bewusstlose bringt man in die stabile Seitenlage, kontrolliert die Atmung und hält die Atemwege frei. Weitere Hilfsmaßnahmen leistet man je nach vorhandenen Symptomen: Bei Angst und Panik sorgt man für eine ruhige Umgebung und frische Luft, denn Hektik kann die Angstgefühle verstärken. Außerdem öffnet man enge Kleidung. Bei einem Krampfanfall räumt man spitze und gefährliche Gegenstände aus dem Weg und polstert den Kopf der Person. Anschließend legt man sie in die stabile Seitenlage. Sind die Betroffenen überhitzt, bringt man sie an die frische Luft und gibt ihnen Wasser oder ein alkoholfreies Softgetränk ohne Koffein zu trinken. Bekommen sie Kreislaufprobleme oder werden bewusstlos, legt man sie hin und lagert ihre Beine hoch.
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