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Sicher helfen: Wie hilft man bei einer Überdosierung mit Opioiden?

Langsame Atmung, Bewusstlosigkeit und stecknadelkopfgroße Pupillen sind klassische Anzeichen einer Überdosis mit Heroin oder Fentanyl. Warum man dann sofort die 112 alarmieren muss, kurz erklärt.
Eine Frau hält in ihrer linken Hand einen Löffel mit einem weißen Pulver darauf und in der rechten ein Feuerzeug, mit der sie den Löffel erwärmt. Auf dem Boden liegt eine Spritze.
2022 starben 1990 Menschen an den Folgen des Missbrauchs illegaler Drogen, davon allein 1194 durch die Einnahme von Opioiden wie Heroin, Morphin, Methadon oder das Schmerzmittel Fentanyl (Symbolfoto).

Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.

Sie sind auf der Hausparty einer guten Freundin eingeladen. Als Sie die Toilette betreten, finden Sie eine Frau auf dem Boden liegend vor. Auf Ihre Ansprache und Berührungen reagiert sie nicht. Ihnen fällt auf, dass sie nur sehr selten und flach atmet. Neben dem Waschbecken entdecken Sie Spuren eines bräunlichen Pulvers.

Was ist los?

Die Frau ist bewusstlos und hat Atemprobleme. Sie leidet wahrscheinlich an einer Überdosierung mit dem Opioid Heroin. Die Substanz wird über die Vene injiziert, geraucht oder in Pulverform geschnupft. Der Begriff Opioide umfasst sowohl körpereigene Substanzen wie Endorphine als auch künstlich hergestellte Moleküle, wie die Schmerzmittel Morphin, Oxycodon und Fentanyl oder die illegale Substanz Heroin. Sie alle binden an den Opioidrezeptor und wirken ähnlich wie das Opiat Morphin: schmerzlindernd, beruhigend und euphorisierend. Im Gegensatz zu Opiaten werden sie aber nicht aus Opium gewonnen, das im Schlafmohn vorkommt.

Wer Opioide öfter einnimmt, kann schnell abhängig werden. Der Körper gewöhnt sich an die Substanzen und entwickelt eine Toleranz. Dies hat zur Folge, dass nach und nach immer höhere Dosen nötig sind, damit die Präparate wirken.

Opioide gelten als Hauptursache für drogenbedingte Todesfälle. Im Jahr 2022 starben fast 1200 Menschen in Deutschland an einer Überdosierung mit Opioiden, 749 allein durch Heroin und Morphin. Ein erhöhtes Risiko für eine Überdosis haben Menschen mit einer Opioidabhängigkeit, die nach einer Abstinenzphase wieder anfangen zu konsumieren, zum Beispiel nach einer Entzugsbehandlung. Da der Körper die Substanzen nicht mehr gewohnt ist, kann eine zuvor normale Dosis schnell zu hoch werden. Bei illegal erworbenen Substanzen schwankt außerdem der Wirkstoffgehalt. Ist er für die Konsumierenden überraschend hoch, kommt es zur Überdosis.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Warum ist das gefährlich?

Eine Opioidüberdosis ist ein medizinischer Notfall. Dabei treten klassischerweise Bewusstseinsstörungen auf, die Atmung wird langsamer und ist abgeflacht und die Pupillen verengen sich auf die Größe eines Stecknadelkopfes. Im schlimmsten Fall setzt die Atmung ganz aus und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Atemlähmung. Das Risiko dafür steigt, wenn außerdem dämpfende Substanzen wie Alkohol oder Medikamente wie Benzodiazepine eingenommen werden. Zusätzlich kann sich Wasser im Lungengewebe ansammeln und zu weiteren Atemproblemen führen. Solch ein Lungenödem kannt bei Menschen mit Opioidüberdosis blutig gefärbtem Schaum vor dem Mund verursachen. Des Weiteren treten Herzrhythmusstörungen auf wie ein langsamer Herzschlag, ein niedriger Blutdruck, eine niedrige Körpertemperatur, Harnverhaltung und fehlende oder abgeschwächte Reflexe. Ebenso wird die Muskulatur geschädigt, so dass vermehrt Proteine aus den zerfallenden Zellen freigesetzt werden. Gelangen die überschüssigen Moleküle über den Blutkreislauf in die Nieren, können die Organe versagen.

Wie kann man helfen?

Zunächst prüft man, ob die Person bei Bewusstsein ist und normal atmet. Reagiert sie weder auf Berührungen noch auf Geräusche und atmet langsam, schnarcht, japst oder würgt, besteht der Verdacht einer Opioidüberdosis. Dann muss sofort der Notruf 112 gerufen werden. Das gilt auch, wenn die Person zwischenzeitlich wieder wach wird – womöglich verliert sie kurz darauf wieder das Bewusstsein und es kommt zur Atemlähmung. Ist die Atmung im bewusstlosen Zustand nicht normal oder fehlt, fängt man sofort mit der Herz-Lungen-Massage an. Atmet sie hingegen normal, bringt man sie in die stabile Seitenlage, bleibt bis zum Eintreffen der Rettungskräfte bei ihr und überprüft regelmäßig Atmung und Bewusstsein. Kommt die Person zu sich, beruhigt man sie und erklärt, was passiert ist.

Wie geht es weiter?

Die eintreffenden Einsatzkräfte leiten sofort Notfallmaßnahmen ein. Bei Atemproblemen versorgen sie die Person mit Sauerstoff über einen Beatmungsbeutel oder führen über die Luftröhre einen Beatmungsschlauch ein. Außerdem geben sie den Opioid-Antagonisten Naloxon, der gegen die meisten Opioide wirkt. Naloxon verdrängt die Opioide von den Opioidrezeptoren und hebt dadurch die Atemlähmung auf. Es wird in die Vene oder den Muskel injiziert oder als Nasenspray verabreicht und wirkt innerhalb von Minuten. Danach muss die Person mehrere Stunden lang im Krankenhaus überwacht werden. Dort führen die Mediziner eventuell zusätzlich einen Drogentest durch. Da Naloxon schneller abgebaut wird als viele Opioide, besteht die Gefahr, dass die länger wirksamen Opioide wieder an ihre Rezeptoren andocken und zu lebensbedrohlichen Beschwerden führen. Schlägt das Medikament nicht an oder kehren die Symptome zurück, muss es erneut oder in einer höheren Dosis gegeben werden. Hat die Person auch ein Lungenödem, gibt der Arzt oder die Ärztin Sauerstoff und unterstützt die Atmung maschinell.

Ist die Person abhängig von Opioiden, sollte sie anschließend eine stationäre Weiterbehandlung antreten, in der sie langsam unter ärztlicher Aufsicht und psychotherapeutischer Mitbehandlung einen Entzug macht. Falls das nicht möglich oder erfolglos ist, empfiehlt sich eine Substitutionsbehandlung mit Ersatzstoffen wie Methadon, die keinen Rausch erzeugen und langsamer abgebaut werden. Dadurch soll der Gesundheitszustand der Nutzerinnen und Nutzer stabil gehalten werden.

Wie verwendet man ein Naloxonspray?

Menschen, die regelmäßig Opioide konsumieren, können sich Naloxon als Notfall-Nasenspray verschreiben lassen. In Deutschland ist das Präparat unter dem Handelsnamen Nyxoid seit 2018 zugelassen und soll bei einer Überdosierung die gefährliche Atemlähmung aufhalten.

Im Ernstfall oder bei Verdacht auf eine Überdosis können geschulte Freunde und Angehörige es einsetzen: Dazu wird das Spray aus der Verpackung genommen und griffbereit zurechtgelegt. Dann stützt man mit einer Hand den Nacken der auf dem Rücken liegenden Person, während man ihren Kopf an der Stirn leicht nach hinten drückt, um den Kopf zu überstrecken. Bevor man das Medikament anwendet, prüft man, ob die Nasenwege frei sind. Anschließend legt man die Sprühdüse zwischen Zeige- und Mittelfinger, wobei der Daumen auf dem Kolben liegt. Da eine Spraydose nur eine Dosis Naloxon enthält, darf man keinen Sprühstoß zur Probe durchführen. Nun führt man den Sprühkopf vorsichtig in ein Nasenloch ein und drückt mit dem Daumen einmal kräftig, bis ein Knacken ertönt. Das ist das Zeichen, dass die Dosis abgegeben wurde. Nun kann man das Spray wieder entfernen und die Person in die stabile Seitenlage legen und überwachen.

Nach zwei bis drei Minuten sollte das Spray wirken, so dass die Person wieder normal atmet und zu Bewusstsein kommt. Falls es der Person jedoch nicht besser geht oder die Symptome von Neuem einsetzen, gibt man eine zweite Dosis im anderen Nasenloch, sofern man ein weiteres Spray zur Verfügung hat. Das geht auch, wenn die Person in der stabilen Seitenlage liegt.

Wacht die Person nach Einsatz des Sprays auf, erklärt man ihr ruhig die Situation. Dabei achtet man auf die eigene Sicherheit und vermeidet Hektik und plötzliche Bewegungen, da die Person verwirrt und aggressiv reagieren könnte. Das liegt daran, dass das Medikament leichte Entzugssymptome auslösen kann, wie Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Reizbarkeit, Frieren und Schweißausbrüche. Wird das Spray einer Person verabreicht, die keine Opioide eingenommen hat, entwickelt sie aber keine Nebenwirkungen.

Auch wenn das Spray wirkt, ersetzt es keine lebensrettenden Maßnahmen oder den Rettungsdienst! Dem eintreffenden Einsatzkräften muss man unbedingt mitteilen, dass man Naloxon gegeben hat.

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