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Plattenchemie: Silber, Gold und Eisen

Kosmische Botschaft
"Love is like Oxygen" zwitscherten "The Sweet" einst mit Falsettstimme über die Konzertbühnen Europas – und die englische Glam-Rock-Band mit den hautengen Hosen lag damit voll im Trend: Sauerstoff (Oxygen) gehört zu den vier beliebtesten chemischen Elementen in der Welt des Showbusiness. Sauerstoff symbolisiere neben Herz oft die Liebe, führt Autor Santiago Álvarez aus. Für die zurecht wieder in der Versenkung verschwundenen Spice Girls etwa ist ebenfalls "Loving like Oxygen". Jean Michael Jarre dagegen gilt mit dem Synthesizer-Klassiker "Oxygène" als Wegbereiter der elektronischen Musik.

Besser als das Lebenselixier schnitten laut der Plattensammlung des Chemikers von der Universidad de Barcelona nur noch Silber und Gold sowie Zinn ab. Besonders beliebt seien die beiden Edelmetalle, weil sie die Menschheit nicht nur mit am längsten von allen Elementen kennten, sondern vor allem auch weil sie Symbole für Luxus, Wohlstand oder Macht seien, so der spanische Chemiker. Deshalb fänden sie sich schon lange in der Musikgeschichte wieder: Johann-Sebastian Bach baute sie in die Arie der Kantate im Bach-Werke-Verzeichnis 65 ("Gold aus Ophir ist zu schlecht") ebenso ein wie Ludwig van Beethoven (Fidelio: "Hat man nicht auch Gold beineben") oder Antonín Dvorák ("O Silbermond"). Richard Wagner benannte mit "Rheingold" eine ganze Oper danach.

Wie eine Erzader durchziehen sie die Rock- und Popgeschichte von Elvis Presley, über die Beatles und Rolling Stones bis hin zu Sting und Status Quo. Sehr geschätzt sind die wertvollen Metalle natürlich auch in der Volksmusik und Schlagerbranche, wo wohl mehr Gold und Silber zu finden ist als einst bei den Inka: Schlager-Barde Wolle Petry verewigte sie in seinem Knaller "Bronze, Silber und Gold", das Allgemeine Deutsche Kommersbuch der Volks- und Studentenlieder listet sie in abbauverdächtigen Mengen auf ("Drum gilt’s mi mehr, als alles Gold, is mi mein Schatzerl hold ..."), die Kastelruther Spatzn setzen es in "Das kleine Mädchen mit dem gold'nen Haar" eher metaphorisch ein, und Florian Silbereisen verknüpft in seinem Namen gleich das beliebteste mit dem sechstpopulärsten Element.

Der volkstümliche Moderator mit dem eher weichgespülten Image bildet allerdings in der Eisenfraktion eher eine Ausnahme, hier tummeln sich vornehmlich die Vertreter härterer Musik – passend zusammengefasst im Genre "Heavy Metal": Symbolisch stehen hierfür die Bands Iron Maiden und Iron Butterfly. Stählern vertont wurde es von Black Sabbath in "Iron Man" oder Judas Priest mit "Hard as Iron". Trotz der zahlreichen Anleihen läuft Zinn dem Eisen den Rang ab, wie Álvarez aus seiner Analyse vornehmlich angloamerikanischer und spanischer Musikstücke herausdestillierte. Das bekannteste Stück ist zwar der "Marsch der Zinnsoldaten" vom russischen Komponisten Pjotr Tschaikowski, doch weitaus häufiger schmelzen es amerikanische Jazz-und Bluesinterpreten in ihre Stücke ein – etwa den "Tin Roof Blues" von Louis Armstrong, Kid Ory oder Tommy Dorsey.

Vereinzelt erlangen auch noch andere Elemente musikalische Ehren: Lithium etwa war der Pate für ein Album von Nirvana, dessen Sänger Kurt Cobain Lithium-Salze gegen seine Depression einnahm, die ihn letztlich wohl Selbstmord begehen ließ. Eine Kohlenstoffmodifikation ist eines "Mädchens bester Freund" wie einst Marylin Monroe sang und damit den Diamanten erst recht unsterblich machte. Auf die Höhe trieb es schließlich der Chemiker Tom Lehrer, der an einem musikalischen Abend zu Harvard vom Piano begleitet, die ersten 92 Elemente des Periodensystems rezitierte – in "stratospherischer Geschwindigkeit mit theatralischen Pausen", wie es Álvarez ausdrückt. Trotz dieses Einsatzes: Weiteren Anklang in der Popwelt fand die Komposition jedoch nicht. (dl)
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