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Vakzine gegen Sars-Cov-2: Sind beschleunigte Tests für Coronavirus-Impfstoffe angemessen?

Ein Coronavirus-Impfstoff soll her. Schnell. Doch beschleunigte Tests bedeuten riskante Kompromisse. Was, wenn Mittel Menschen kränker machen? Fünf wesentliche Fragen und Antworten.
Eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt eine mit Sars-Cov-2-Partikeln (lila) infizierte Zelle (grün).

Ein Coronavirus-Impfstoff soll schnellstmöglich zur Verfügung stehen. Entsprechend groß ist der Druck, unter dem Versuche stattfinden. Diese Woche erhielt der erste von einigen Dutzend gesunden Freiwilligen in Seattle, Washington, einen Impfstoff in einer von der US-Regierung geförderten Phase-1-Sicherheitsstudie. Ähnliche Sicherheitstests mit anderen Coronavirus-Impfstoffen werden bald starten.

Auch wenn diese ersten Versuche am Menschen begonnen haben, sind wichtige Fragen bislang unbeantwortet. Wie unser Immunsystem das Virus abwehrt etwa und wie man mit einem Impfstoff eine ähnliche Immunantwort sicher auslösen kann. Die Antworten könnten bald Studien an infizierten Menschen und Tiermodellen liefern. Einige Forscher sagen, der Mangel an Informationen sollte Experten nicht davon abhalten, Versuche am Menschen zu beginnen. Andere befürchten: Wenn sich Impfstoffkandidaten, die nach einem beschleunigten Zeitplan eingesetzt werden, als unwirksam oder – schlimmer noch – als unsicher erweisen sollten, müssen Forscher wieder von vorn beginnen. Das würde die Entwicklung und breite Einführung eines wirksamen Impfstoffs erheblich verzögern.

Hier sind einige der wesentlichen Fragen, die Wissenschaftler bald zu beantworten hoffen:

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Entwickeln Menschen eine Immunität?

Impfstoffe helfen einer Person, eine Immunantwort gegen eine Infektion zu erzeugen, ohne dem Erreger zuerst ausgesetzt zu sein. Studien über andere Coronaviren, wie zum Beispiel die vier, die einige häufige Erkältungen verursachen, lassen die meisten Forscher annehmen, dass Menschen, die sich von einer Sars-Cov-2-Infektion erholt haben, für eine gewisse Zeit vor einer Neuinfektion geschützt sind. Die Annahme muss jedoch durch Beweise untermauert werden, sagt Michael Diamond, ein Virusimmunologe an der Washington University in St. Louis, Missouri. »Wir wissen nicht so viel über die Immunität gegen dieses Virus.«

Wie tödlich ist das Coronavirus? Was ist über die Fälle in Deutschland bekannt? Wie kann ich mich vor Sars-CoV-2 schützen? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unseren FAQ. Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Schwerpunktseite »Ein neues Coronavirus verbreitet sich weltweit«.

Am 14. März hat ein in China ansässiges Team eine Studie vorab online gestellt. Die Wissenschaftler hatten mit zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) gearbeitet, die sich von einer Sars-CoV-2-Infektion mit leichten Folgen erholt hatten. Die Affen schienen sich nicht erneut anzustecken, als die Forscher sie vier Wochen nach der ersten Exposition ein zweites Mal dem Virus aussetzten. Nun will das Team nach Beweisen dafür suchen, dass Menschen auf die gleiche Weise reagieren, indem sie beispielsweise Menschen untersuchen, die möglicherweise mehrfach exponiert wurden, sagt Diamond.

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Wenn Menschen eine Immunität entwickeln, wie lange hält sie dann an?

Das ist eine weitere große Unbekannte. Die Immunität gegen die Coronaviren, die Erkältungen verursachen, ist nur von kurzer Dauer; selbst Menschen, die hohe Werte an Antikörpern gegen diese Viren haben, können sich noch immer anstecken, sagt Stanley Perlman, ein Coronavirologe an der University of Iowa in Iowa City.

Bei den beiden anderen Coronaviren, die Epidemien ausgelöst haben, ist die Datenlage eher unklar. Gemeint sind der Erreger, der das schwere akute respiratorische Syndrom (Sars) auslöst, sowie das Virus, das zum respiratorischen Syndrom des Nahen Ostens (Mers) führt. Perlman zufolge hat sein Team herausgefunden, dass die Antikörper gegen das Virus nach der Genesung von Mers stark abfallen. Außerdem habe sein Team – noch nicht veröffentlichte – Daten gesammelt, die zeigen, dass Sars-Antikörper selbst 15 Jahre nach der Infektion noch im Körper sind. Aber es ist nicht klar, ob diese Immunantwort ausreicht, um eine Reinfektion zu verhindern. »Wir haben keine guten Beweise für eine lang anhaltende Immunität, doch wir haben ebenso keine wirklich guten Daten, weder von Sars noch von Mers«, fügt Perlman hinzu.

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Nach welcher Art von Immunantwort sollten Impfstoffentwickler suchen?

Die Phase-1-Studie, die diese Woche begann, konzentriert sich auf die Sicherheit eines Impfstoffs, der von der Firma Moderna aus Cambridge in Massachusetts entwickelt wurde. Die Forscher werden auch die Art der Immunantwort auf den Impfstoff analysieren.

Der Moderna-Impfstoff besteht aus einem RNA-Molekül. Wie viele der anderen Sars-CoV-2-Impfstoffe, die sich in der Entwicklung befinden, soll er das Immunsystem darauf trainieren, Antikörper herzustellen, die das Spike-Protein erkennen und blockieren. Mit diesem Protein dringt das Virus in menschliche Zellen ein.

»Als erster Durchgang ist das vernünftig, aber wir werden lernen, dass die Antikörperreaktionen auf den Spike vielleicht nicht die ganze Geschichte sind«, sagt Diamond. Ein erfolgreicher Sars-CoV-2-Impfstoff muss den Körper möglicherweise dazu veranlassen, Antikörper zu bilden, die zum Beispiel andere virale Proteine blockieren oder T-Zellen herstellen, die infizierte Zellen erkennen und abtöten können.

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Wie ist zu erkennen, ob ein Impfstoff wahrscheinlich funktioniert?

Normalerweise werden Impfstoffe erst nach Sicherheits- und Wirksamkeitstests im Tierversuch an Menschen getestet. Doch den Impfstoff von Moderna testen Forscher gleichzeitig an Mensch und Tier. Gleiches gilt für eine Vakzine, die von Inovio Pharmaceuticals in Plymouth Meeting, Pennsylvania, entwickelt wird. Inovio plant, im April mit dem ersten Versuch am Menschen zu beginnen.

»In einer Nichtnotfallsituation könnte man das eher seriell machen, aber in diesem Fall finden viele Dinge parallel statt«, sagt Barney Graham, stellvertretender Direktor des US National Institutes of Health (NIH) Vaccine Research Center in Bethesda, Maryland, das die Moderna-Impfstoffstudie sponsert.

In einem Vorabdruck vom 2. März berichteten Forscher über die Injektion von Inovios Impfstoff: einem DNA-Molekül, das Anweisungen zur Herstellung des Spike-Proteins trägt – in Mäuse und Meerschweinchen (das PDF finden Sie hier). Sie stellten fest, dass die Tiere sowohl Antikörper als auch T-Zellen gegen das Virus produzierten. Studienleiterin Kate Broderick, Inovios Senior-Vizepräsidentin für präklinische Forschung und Entwicklung, sagt, ihr Team habe den Impfstoff jetzt Affen verabreicht. Man wolle bald mit Studien beginnen, in denen geimpfte Tiere mit dem Virus infiziert werden, um zu sehen, ob sie geschützt sind. Solche »Challenge«-Studien seien auch für den Moderna-Impfstoff in Arbeit, sagt Graham von den NIH.

»Es ist vielleicht nicht der effizienteste Weg […] Aber möglicherweise ist es der zweckmäßigste, einen Impfstoff zu entwickeln«
Michael Diamond, Virusimmunologe

Er fügt hinzu, dass große, kostspielige Versuche, ob ein Impfstoff Infektionen bei Menschen verhindern kann, ohne solche Daten von Tieren nicht durchgeführt werden können. Der Virusimmunologe Michael Diamond erwartet, dass Forscher ein besseres Gefühl dafür bekommen, welche Impfstoffe wahrscheinlich am besten funktionieren, wenn sie mehr über die Infektion aus Menschen- und Tierversuchen erfahren. »Es ist vielleicht nicht der effizienteste Weg, dies zu tun. Aber möglicherweise ist es der zweckmäßigste Weg, einen Impfstoff zu entwickeln«, sagt Diamond.

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Wird es sicher sein?

Eine große Anzahl gesunder Menschen bekommt Impfstoffe verabreicht. Deshalb sind die Sicherheitsstandards für diese Mittel in der Regel höher als für Medikamente, die bereits Erkrankte bekommen. Bei den Sars-CoV-2-Impfstoffen wollen Forscher vor allem ein Phänomen vermeiden, das als Krankheitsverstärkung bezeichnet wird. Dabei entwickeln geimpfte Menschen, die sich anstecken, eine schwerere Form der Krankheit als jene, welche nie geimpft wurden. In Studien zu einem experimentellen Sars-Impfstoff, über den 2004 berichtet wurde, entwickelten geimpfte Frettchen nach der Infektion mit dem Virus eine schädliche Entzündung in der Leber.

Peter Hotez, ein Impfstoffwissenschaftler am Baylor College of Medicine in Houston, Texas, ist der Meinung, potenzielle Impfstoffe sollten zunächst an Tieren getestet werden, um eine Krankheitsverstärkung auszuschließen, bevor die Versuche am Menschen stattfinden. Er versteht die Gründe für die rasche Einführung von Sars-CoV-2-Impfstoffen, allerdings, fügt er hinzu: Auf Grund der Möglichkeit, über das Mittel die Krankheit zu verstärken, »ist es nicht sicher, dass dies der geeignete Impfstoff dafür ist«.

Bei der Prüfung des Moderna-Impfstoffs, sagt Graham, werden die NIH erst dann zu größeren Studien am Menschen übergehen, wenn die Vakzine laut Human- und Tierstudien als sicher gilt. Das Risiko der raschen Weiterentwicklung sei gering. Aber »das Risiko, dass die Impfstoffe nicht schnell genug weiterentwickelt werden – so dass wir für die nächste Wintersaison etwas zur Verfügung haben, das wir zumindest im Feld testen können –, dieses Risiko ist ziemlich hoch«.

Dieser Artikel ist im Original in »Nature« unter dem Titel »Coronavirus vaccines: Five key questions as trials begin« erschienen und wurde für die deutsche Fassung angepasst.

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