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Krieg gegen Gaddafi: Sind die antiken Stätten Libyens in Gefahr?

Karl-Uwe Mahler / Lepcis Magna
Die Nachrichten über Kämpfe in Libyen reißen nicht ab. Durch den Konflikt zwischen Gaddafis Truppen und libyschen Rebellen wird auch bedeutendes Weltkulturerbe wie die antiken Orte von Lepcis Magna, Kyrene oder Sabrata bedroht. Vor einigen Tagen appellierte die Unesco an die libysche Regierung und das westliche Militärbündnis, bei Ihren Kriegseinsätzen historische Stätten unbeschadet zu belassen.

epoc befragte den klassischen Archäologen Karl-Uwe Mahler von der Universität Mainz zur Bedrohung antiker Stätten durch Militärschläge und Plünderungen. Er forscht seit längerem in Libyen und führte zuletzt Grabungen in Lepcis Magna durch, das zirka 120 Kilometer östlich von Tripolis gelegen ist.

epoc: Ende Februar demonstrierten Anhänger Gaddafis im Amphitheater von Sabratha, einer antiken Stätte, die zum Weltkulturerbe zählt. Sehen Sie die Gefahr, dass diese und andere Stätten wie Lepcis Magna oder Kyrene zu Schaden kommen könnten?

Karl-Uwe Mahler: Wir können darüber letztlich nur spekulieren; so wie für jeden libyschen Bürger oder Besucher des Landes im Moment die Gefahr besteht, zu Schaden zu kommen, so sind natürlich auch diese Stätten bedroht.

Karl-Uwe Mahler | Karl-Uwe Mahler ist promovierter Archäologe. Er studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Ur- und Frühgeschichte an den Universitäten Berlin und Kiel. Seit 2009 ist er Mitarbeiter im DFG-Projekt "Griechisch-römische Marmorplastik aus Syrien".
Sie haben lange Jahre in Libyen gegraben und geforscht. Haben Sie Nachricht von libyschen Archäologen vor Ort über die Lage an den Grabungsplätzen? Wer kümmert sich derzeit um den Schutz der Stätten?

Ich habe derzeit keinen Kontakt zu libyschen Kollegen und damit keine aktuellen Informationen. Ich gehe aber davon aus, dass vor Ort – wobei ich natürlich nur für Lepcis Magna sprechen kann – immer noch Mitarbeiter der Antikenverwaltung präsent sind. Zudem gibt es einige Familien in Khoms, die seit Jahrzehnten mit den archäologischen Missionen aus Europa zusammengearbeitet haben und denen die Bedeutung der antiken Stätte in hohem Maße bewusst ist. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Personen ebenfalls ein aufmerksames Auge auf die Bestände haben. Dennoch kann natürlich bei einer weiteren Verschärfung des Konfliktes und einer Ausdehnung der Kampfhandlungen nicht ausgeschlossen werden, dass die antike Stätte und das Museum in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. In diesem Zusammenhang würde ich mir allerdings wünschen, dass vor allem meine libyschen Kollegen und Freunde unversehrt bleiben.

Grabungen in Lepcis Magna | Seit 2006 untersuchen Archäologen der Universität Mainz die frühchristliche Basilika von Lepcis Magna.
Wie schätzen Sie das Verhältnis der libyschen Bevölkerung zu ihrem kulturellen Erbe ein? Besteht Sorge, dass Stätten oder Museen, ähnlich wie in Ägypten, geplündert werden könnten?

Während unserer Aktivitäten in Lepcis Magna konnten wir beobachten, dass die Stätte als Ausflugsort für Schulklassen und ganz unterschiedliche Bevölkerungsschichten im Lauf der Jahre immer beliebter wurde. Dabei ergaben sich viele interessierte Gespräche über den Ort, aber auch über unsere Arbeit dort, in denen den Besuchern klar war oder wurde, dass der historische Wert immens ist. Auch wenn ein solches Bewusstsein besteht, sind Plünderungen unter den Bedingungen eines Krieges nicht auszuschließen. Grundsätzlich muss man sich natürlich fragen, ob dies unter ähnlichen Bedingungen nicht auch in anderen Teilen der Welt passieren würde. Da nach Konflikten in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Artefakte der betreffenden Region im internationalen Kunsthandel auftauchten, müssen wir das wohl leider auch für Libyen befürchten.

Im vergangenen Monat mussten viele Archäologen ihre Arbeit einstellen und Libyen verlassen. Welche Folgen hat der Konflikt für Ihre weiteren Arbeiten in Libyen und die Ihrer Mitarbeiter?

Im Vordergrund steht der Schutz der Mitarbeiter, so dass die Arbeit vor Ort natürlich erst fortgesetzt werden kann, wenn die Lage wieder stabil ist. Wie lange das dauern wird, lässt sich heute schwer sagen.

Das Gespräch führte Karin Schlott

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