Vaping: Sind E-Zigaretten so schädlich wie ihr Ruf?
E-Zigaretten und Verdampfer sollen weniger schädlich sein als herkömmliche Zigaretten. Es heißt sogar, sie könnten Rauchern dabei helfen, vom Tabak loszukommen. Doch die die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt eindringlich vor den Verdampfern. Sie seien keineswegs sicher, steht in einem Bericht. Was ist über ihre Wirkung bekannt? Sollte man nun aufhören, E-Zigarette zu rauchen? Und wie Besorgnis erregend ist der von Dampfern verursachte Ausbruch von Lungenkrankheiten in den USA? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist man in den USA wegen E-Zigaretten besorgt?
Mitte 2019 häuften sich in den USA erstmals Fälle plötzlich auftretender und teilweise tödlicher Lungenerkrankungen. Zunächst war die Ursache unbekannt. Patientinnen und Patienten litten an Atembeschwerden, Husten, Fieber, dazu Beschwerden am Herzen, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Bei manchen Betroffenen war die Lunge so sehr geschädigt, dass sie beatmet werden mussten oder ein Lungentransplantat brauchten. Häufig traf es junge Leute, im Mittel 24 Jahre alt und meistens männlich.
Weil bisher nur wenig über die Krankheit bekannt ist, trägt sie den Namen EVALI. Abgekürzt steht das für »e-cigarette, or vaping, product use-associated lung injury« und bedeutet übersetzt »Lungenerkrankung, die durch Konsum von E-Zigaretten oder Dampfern ausgelöst wurde«. Mitte Januar 2020 vermeldete die US-Gesundheitsbehörde CDC 60 bestätigte Tote. Insgesamt mussten 2668 Menschen aus allen Bundesstaaten der USA wegen EVALI ein Krankenhaus aufsuchen. Die Betroffenen hatten eines gemeinsam: Sie hatten alle chemische Flüssigkeiten, auch Liquids genannt, gedampft – auf unterschiedliche Arten, von vielen verschiedenen Marken und zum Teil von nicht offiziellen Verkaufsstellen.
Was könnte die Ursache der Erkrankungen sein?
Seit bekannt wurde, dass Verdampfer die Erkrankungen verursachen, suchen US-Behörden nach einen Zusammenhang. Mittlerweile gibt es eine starke Vermutung, Vitamin-E-Acetat könnte verantwortlich sein. Die Chemikalie dient häufig als Verdickungsmittel in THC-haltigen Liquids, die für einen ähnlichen High-Effekt sorgen wie Cannabis. Passend dazu hatte ein Großteil der Lungenpatienten angegeben, THC-haltige E-Zigaretten und Verdampfer genutzt zu haben.
Forschende der amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA untersuchten den Zusammenhang in einer Studie und veröffentlichte die Ergebnisse im »New England Journal of Medicine«. Darin verglichen sie Proben der Lungenflüssigkeit von 51 EVALI-Patienten mit denen von 99 gesunden Kontrollteilnehmern. Bei 48 der 51 Patienten war das Vitamin-E-Acetat nachweisbar. Für sämtliche Patienten aus der Kontrollgruppe war die Probe negativ. Es gebe eine Verbindung zu den Lungenerkrankungen, schreiben die Autoren in der Studie. Doch seien weitere Untersuchungen nötig, um zweifelsfrei festzustellen, ob neben Vitamin-E-Acetat nicht noch andere Substanzen verantwortlich sein könnten.
Auch das US-Zentrum für Seuchenkontrolle (CDC) ist nicht ganz von Vitamin-E-Acetat als Alleinverursacher überzeugt. Zumal einige wenige Patienten in Befragungen angegeben hatten, nie THC-haltige Vaping-Produkte konsumiert zu haben. Sie hatten ausschließlich nikotinhaltige Liquids verdampft, die normalerweise kein Vitamin-E-Acetat enthalten. Ihre Symptome wurden wahrscheinlich von anderen Substanzen verursacht.
Welche Folgen haben die Todesfälle in den USA?
Noch immer gibt es wenig Gewissheit darüber, wie EVALI ausgelöst wird und wie die Krankheit behandelt werden sollte. Entsprechend unklar bleibt, was die Politik tun kann, um zu verhindern, dass weitere Menschen erkranken. Experten der CDC rieten im Januar 2020 im »New England Journal of Medicine«, Jugendliche vor Verdampfern jeder Art zu schützen, mehr über die Ursachen von EVALI zu forschen, um passende Therapien zu entwickeln und die langfristigen Folgen bei Patienten im Auge zu behalten.
Damit weniger junge Leute E-Zigaretten nutzen, hob der US-Senat Ende des Jahres das Mindestalter zum Kauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten von 18 auf 21 Jahre an. Außerdem sind mittlerweile Aromen wie Minze oder Apfel in vielen E-Zigaretten-Liquids verboten, die Kritikern zufolge besonders Jugendliche ansprechen. Zudem gibt es in Bundesstaaten, in denen Cannabis legalisiert wurde, strengere Regeln für Zusatzstoffe in THC-haltigen Liquids. Obwohl die Zahl der Neuerkrankungen seit September zurückgeht und in kaum einem anderen Land Fälle bekannt sind, regen sich weltweit Diskussionen über die Sicherheit von E-Zigaretten. Teilweise werden die Geräte ganz verboten, und auch in Deutschland stehen sie im Fokus.
Wie werden E-Zigaretten reglementiert?
Welche Inhaltsstoffe in US-amerikanischen E-Zigaretten-Liquids verkauft werden dürfen, entscheidet und kontrolliert die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA. Zumindest was E-Zigaretten angeht, sind die Regeln der FDA weniger streng als in Deutschland und der Europäischen Union. Seit 2014 gilt hier die EU-Tabakproduktrichtlinie (2014/40/EU), deren Vorgaben in deutsche Gesetze übernommen wurden. Darin heißt es beispielsweise, dass außer Nikotin nur Inhaltsstoffe verwendet werden dürfen, die kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Zudem dürfen die Liquids maximal 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter enthalten – weniger, als in den USA üblich ist. In Deutschland müssen Hersteller selbst dafür sorgen, dass diese Vorgaben umgesetzt werden. Überwachungsbehörden der Bundesländer kontrollieren das stichprobenartig.
Sollte ich nun aufhören, E-Zigarette zu dampfen?
E-Zigaretten und Verdampfer enthalten keinen echten Tabak. Stattdessen inhalieren Nutzer die Dämpfe einer chemischen Flüssigkeit, was ihnen den Kontakt mit Krebs erregenden Inhaltsstoffen erspart, die beim Verbrennen von Tabak entstehen. Dennoch schaden E-Zigaretten der Gesundheit und sind gerade für Nichtraucher und Schwangere nicht zu empfehlen. Wie Tabakzigaretten enthalten sie oft Nikotin, das stark abhängig macht und giftig ist: Einer Übersichtsstudie von US-amerikanischen Forscherinnen zufolge beeinträchtigt es nachweislich die Hirnentwicklung von Jugendlichen, was langfristig ihre kognitiven Fähigkeiten beeinflussen kann. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Nikotin das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und eine der Ursachen für die schädliche Wirkung des Rauchens während der Schwangerschaft ist. Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft rauchten, haben unter anderem ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen, Asthma, Übergewicht oder Verhaltensauffälligkeiten. Ganz bewiesen ist ein entscheidender Einfluss von Nikotin allerdings nicht. Neben Nikotin enthalten Liquids viele weitere Chemikalien, deren Wirkung noch nicht bekannt ist – auch sie könnten unerwartet schädlich sein.
Welche Vorteile haben E-Zigaretten im Vergleich zu Zigaretten?
Den Geruch von E-Zigaretten empfinden manche als weniger aufdringlich als Zigarettenrauch, und ihr Dampf ist weniger schädlich. Ob sie langfristig ähnlich schwer wiegende Folgen haben wie Zigaretten, lässt sich derzeit kaum sagen. Dass Experten sie dennoch für weniger schädlich halten, liegt an dem, was drinsteckt: Schätzungen zufolge inhalieren Raucher mehr als 4800 Inhaltsstoffe, von denen viele als giftig oder Krebs erzeugend eingestuft sind. In Liquids seien es deutlich weniger, die dazu auch noch gut erforscht würden, sagt Thomas Hering, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde. »Daraus kann man nichts beweisen, aber zumindest einen zuversichtlichen Schluss ziehen, dass die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, dass ähnlich fatale Resultate über die Jahre entstehen werden.«
Können E-Zigaretten dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören?
Einige Studien deuten darauf hin, dass E-Zigaretten bei einem Rauchstopp nützlich sein können. So verglichen Forscher der Queen Mary University of London in einer groß angelegten Studie den Effekt von E-Zigaretten mit dem von Nikotinersatzprodukten wie etwa Nikotinpflaster oder -kaugummis. Dazu begleiteten sie 886 Raucherinnen und Raucher bei einem Stoppversuch. Eine Gruppe nutzte E-Zigaretten als Hilfsmittel, die andere Gruppe Ersatzprodukte. Nach einem Jahr war mit 18 Prozent beinahe jeder fünfte E-Zigaretten-Konsument rauchfrei. In Gruppe zwei hatte das nur jede zehnte Person geschafft. Allerdings halfen die E-Zigaretten nicht besser dabei, vollständig vom Nikotin loszukommen. Viele dampften noch lange, nachdem sie mit dem Rauchen aufgehört hatten. Wer mit Pflastern und Kaugummis aufgehört hatte, kam nach einem Jahr häufiger ganz ohne Nikotin aus.
Für die WHO sind diese und eine Hand voll weitere Studien nicht Beweis genug, um einen Rauchstopp mit E-Zigaretten zu empfehlen. Für Rauchende, die versuchen aufzuhören, gebe es aber sicherere und bewährte Methoden als E-Zigaretten, teilt sie mit. Ute Mons ist Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum und sieht die Studienergebnisse weniger kritisch: »Da wir davon ausgehen können, dass E-Zigaretten deutlich weniger schädlich sind als herkömmliche Tabakprodukte, ist das sicher kein schlechtes Ergebnis für Leute, die von der deutlich schädlicheren Tabakzigarette losgekommen sind.«
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