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Hobby-Imkerei: Gefährdet die Bienenzucht die Wildbienen?

Der Trend geht zur Bienenhaltung - selbst in Großstädten. In bestimmten Situationen können Honigbienen dann anderen Insekten Konkurrenz machen. Ob das den ohnehin bedrohten Wildbienen schadet, ist umstritten.
Eine Biene in Nahaufnahme

Es summt und brummt an allen Ecken. Rings um die Blüten der Sommerblumen herrscht an diesen Tagen Hochbetrieb. Nicht nur Hummeln und zahlreiche andere Wildbienen sammeln dort Pollen und Nektar. Seit die Massenblüte von Obstbäumen und Rapsfeldern vorbei ist, verlegen auch die Honigbienen ihre Aktivitäten mehr auf Wiesen, Feldränder und Gärten. Doch reicht das Angebot an Blüten für all die Besucher überhaupt aus? Oder machen sich die Insekten gegenseitig Konkurrenz, und die Schwächeren kommen zu kurz? Über diese Fragen führen Wissenschaftler, Naturschützer und Imker derzeit lebhafte Diskussionen. Denn einige befürchten, dass die massive Präsenz von Honigbienen die ohnehin bedrohten Wildbienen noch mehr in Bedrängnis bringt.

Zu den Verfechtern dieser Theorie gehört zum Beispiel Ronald Burger vom Büro IFAUN im rheinland-pfälzischen Dirmstein. Der Geograf führt Kartierungen und andere ökologische Untersuchungen für Firmen, Gemeinden und andere interessierte Institutionen durch und ist Experte für Wildbienen. Zwar werde in letzter Zeit viel vom Insektensterben geredet und vor einer Bestäuberkrise gewarnt . Allerdings stünden dabei vor allem die Honigbienen im Rampenlicht. Auf deren Ansprüche seien viele Fördermaßnahmen zugeschnitten – in der Annahme, dass man damit auch ihren wild lebenden Verwandten etwas Gutes tue. Doch genau das hält Ronald Burger für einen Irrtum.

Ähnlich argumentieren auch die Naturschutzforscher Jonas Geldmann von der University of Cambridge und Juan P. González-Varo von der Universität im spanischen Oviedo: Bienenhaltung sei zwar zweifellos nützlich und für den Anbau etlicher Nutzpflanzen auch unerlässlich, betonen sie im Fachjournal »Science«. Nur sei die Imkerei eben Landwirtschaft und kein Naturschutz. Daher gelte es, den Interessen der Wildbienen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sich nicht nur auf Honigbienen zu konzentrieren.

Wer bestäubt besser?

Tatsächlich haben Wildbienen bisher nicht sehr viel öffentliches Interesse auf sich gezogen. Zwar gibt es unter ihnen durchaus populäre Vertreter wie etwa die Hummeln. Die meisten der rund 570 in Deutschland heimischen Wildbienenarten aber sind deutlich weniger bekannt. Schließlich bilden viele von ihnen keine großen, auffälligen Völker, sondern ziehen ihren Nachwuchs allein auf – irgendwo versteckt in einem selbst gegrabenen Gang im Boden, einem hohlen Pflanzenstängel oder einem morschen Baumstamm. So einen Einsiedler übersieht man leicht, wenn man nicht gezielt danach sucht.

Honigbienen dagegen haben einen ausgesprochenen Hang zur Geselligkeit. Etwa 900 000 Völker dieser traditionellen Nutztiere werden in Deutschland gehalten. Und ein einziges davon kann aus bis zu 60 000 Mitgliedern bestehen. Da kommt ein großes, geflügeltes Fahndungsteam zusammen, das die Landschaft auf der Suche nach nahrhaften Blüten durchstreift. Im Durchschnitt sammeln die Arbeiterinnen eines Volkes im Jahr 120 bis 180 Kilogramm Nektar und bis zu 30 Kilogramm Pollen. Bei guten Verhältnissen kann sogar die doppelte Pollenmenge zusammenkommen. Da dafür aber zahllose Blütenbesuche notwendig sind, gelten Honigbienen als besonders wichtige Bestäuber. Tatsächlich ist der Anbau vieler Nutzpflanzen ohne sie kaum denkbar.

Das heißt allerdings nicht, dass man auf Wildbienen verzichten könnte. Viele Studien zeigen inzwischen, dass auch diese Insekten bei der Bestäubung von Wild- und Nutzpflanzen eine große Rolle spielen. Denn etliche Gewächse wie etwa Tomaten werden von Honigbienen gar nicht angeflogen. Und auch rein zahlenmäßig schaffen es die gestreiften Nutztiere nicht, alle Blüten zu besuchen, bei denen es nötig wäre. Tom Breeze von der University of Reading und seine Kollegen haben das beispielsweise für Großbritannien nachgewiesen. Die Honigbienenvölker, die dort im Jahr 2007 lebten, konnten selbst unter günstigen Bedingungen nur etwa ein Drittel der auf tierische Bestäubung angewiesenen Nutzpflanzen besuchen. Den Rest mussten Wildbienen und andere Insekten übernehmen.

»Wir müssen sowohl Honig- als auch Wildbienen schützen«
Josef Settele, Ökologe

Für einige Experten wie Ronald Burger sind diese sogar die wichtigeren Bestäuber. Anders als Honigbienen seien sie auch bei schlechtem Wetter unterwegs und arbeiteten zudem deutlich effektiver. Für die Bestäubung eines Hektars Apfelbäume brauche man zum Beispiel mehrere zehntausend Honigbienen. Oder ein paar hundert Weibchen der Gehörnten Mauerbiene Osmia cornuta.

Andere Forscher wollen dagegen gar nicht entscheiden, ob nun die Honigbienen oder ihre wilden Verwandten in Sachen Bestäubung die Rüssel vorn haben. »Aus Sicht der Pflanzen ist es am besten, wenn sich beide gegenseitig ergänzen«, sagt der Ökologe Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. »Ob man die Sache nun aus Sicht der Ernährungssicherheit, der Wirtschaft oder des Naturschutzes betrachtet: Wir müssen sowohl Honig- als auch Wildbienen schützen.«

Ähnlich sieht es auch die Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung: Um die Leistungen von Honig- und Wildbienen realistisch beurteilen zu können, brauche man umfassende Daten, heißt es in einer Stellungnahme der Experten. Doch gerade bei Wildpflanzen wisse man bisher nur wenig darüber, welchen Beitrag die einzelnen Insektenarten zur Bestäubung leisten. Für die Landwirtschaft aber seien beide Gruppen wichtig. Deshalb sei es auch nicht sinnvoll, Wild- und Honigbienen als konkurrierende Fraktionen zu betrachten, von denen man entweder die eine oder die andere fördern müsse.

Der Unterlegene weicht aus

Es gibt inzwischen jedoch Hinweise darauf, dass Wildbienen durchaus auf eine massive Präsenz von Honigbienen in ihrer Nachbarschaft reagieren. Kerstin Walther-Hellwig von der Universität Gießen und ihre Kollegen haben das zum Beispiel im Amöneburger Becken bei Marburg beobachtet. Direkt neben einem Feld mit Büschelschön (Phacelia tanacetifolia), das gezielt als Bienenweide angebaut wird, haben sie bis zu zehn Honigbienenvölker aufgestellt. Dann haben sie vier oder fünf Tage lang gezählt, wie viele Blütenbesucher auf dem Acker und auf benachbarten Flächen mit natürlichen Pflanzenbeständen unterwegs waren.

Selbst wenn sie nur ein einziges Volk mitgebracht hatten, stieg die Honigbienendichte nicht nur auf dem Acker, sondern auch in der Vegetation daneben deutlich an: Bei fast allen Pflanzenarten außer Hornklee verdreifachte sie sich. Dieser Ansturm führte bei der wilden Verwandtschaft zu unterschiedlichen Reaktionen. Die Dunkle Erdhummel, die ähnlich wie Honigbienen einen kurzen Rüssel hat, wich auf Büschelschön-Bereiche mit weniger Blüten aus, die in größerer Entfernung zu den Honigbienenvölkern lagen. In der natürlichen Vegetation verhielt sie sich dagegen nicht anders als vorher. Dafür flogen dort die langrüsseligen Arten wie die Ackerhummel, die Waldhummel und die stark gefährdete Mooshummel der Konkurrenz aus dem Weg: Sie sammelten nun verstärkt auf dem honigbienenfreien Hornklee.

Honigbiene an Büschelschönblüte | Die Blüten von Büschelschön (Phacelia tanacetifolia) bilden veritable Bienenweiden für Honigbienenvölker. Nur: Was machen andere Blütenbesucher bei wachsender Konkurrenz?

Nach Einschätzung der Forscher könnten gerade solche Arten, die einen relativ kleinen Aktionsradius haben, durch die zahlreichen Honigbienen-Sammlerinnen tatsächlich in Bedrängnis geraten. Zumindest, wenn sie in der Nähe keine anderen Flächen mit einem üppigen Blütenangebot finden. Und genau das ist in modernen Agrarlandschaften offenbar das Problem. »In dieser Situation kann es durchaus zu einer Konkurrenz zwischen Wild- und Honigbienen kommen«, sagt Josef Settele.

»Dann kann es durchaus zu einer Konkurrenz zwischen Wild- und Honigbienen kommen«
Josef Settele

Welche Folgen aber hat das? Einige Fachleute befürchten, dass vor allem die Einzelgänger unter den Wildbienen darunter leiden könnten. Denn die bringen gleich mehrere biologische Handicaps mit, durch die sie in einer Konkurrenzsituation leicht den Kürzeren ziehen. So setzen viele von ihnen nur wenig Nachwuchs in die Welt, ein Weibchen kann in seinem Leben oft nur 10 bis 30 Brutzellen anlegen.

Ein Viertel der Wildbienen sind Spezialisten

Zudem muss jede Einsiedlerin ihre Nahrungsquellen auf eigene Faust finden – was natürlich nicht so effektiv ist, wie wenn ein großes Honigbienenvolk ein Heer von Kundschafterinnen losschicken kann. Und zu allem Überfluss sind etwa ein Viertel der heimischen Wildbienen absolute Spezialisten: Sie brauchen ganz bestimmte Pflanzen, an denen sie Pollen als Futter für ihre Larven sammeln können. Wenn diese lebenswichtigen Nahrungsquellen aber schon von Honigbienen geplündert sind, wird es für diese Arten kritisch.

Zwar gebe es bisher kaum Studien, die eine solche Konkurrenz direkt belegen, heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Wildtier Stiftung. Vor allem über den genauen Nahrungsbedarf von Wildbienen wisse man noch zu wenig. Man gehe aber dennoch davon aus, dass es diesen Interessenkonflikt zwischen Wild- und Honigbienen gibt und dass er in bestimmten Lebensräumen zum Problem werden kann. Besonders groß sei diese Gefahr zum Beispiel in kleinen Naturschutzgebieten und Agrarbiotopen oder auch in Stadtlebensräumen mit wenigen Blütenpflanzen. Direkt in wichtigen Wildbienenrefugien sollten nach Einschätzung der Naturschutzorganisation daher keine Honigbienenvölker aufgestellt werden. Es müsse ein Abstand von mindestens drei Kilometern eingehalten werden, so die Forderung.

Auch andere Experten wie Ronald Burger halten solche Beschränkungen für sinnvoll. Grundsätzlich könnten Wildbienen zwar mit einer angemessenen Zahl von Honigbienenvölkern in ihrer Nachbarschaft zurechtkommen, meint der Forscher. Allerdings gelte das nur in struktur- und blütenreichen Lebensräumen. Und solange es davon nicht genug gebe, gelte die Devise: »Wildbienen first«.

Forscher widersprechen: Honigbienen sind das kleinste Problem

Seiner Einschätzung nach ist es zum Beispiel bedenklich, Honigbienen im Spätsommer zu den heidekrautreichen Kiefernwäldern in der Rheinebene oder im Pfälzer Wald zu bringen. Denn am Heidekraut sammeln Spezialisten wie die Heidekraut-Seidenbiene Colletes succinctus und die Heidekraut-Sandbiene Andrena fuscipes. Und von denen hängen wieder andere Bienen ab, die in Kuckucksmanier ihren Nachwuchs in die Nester ihrer Verwandtschaft einschleusen. Wenn in einem Gebiet zu viele Honigbienen unterwegs sind, kann das nach Ansicht von Ronald Burger bei all diesen Spezialisten zu Bestandseinbrüchen und bei isolierten Vorkommen sogar zum lokalen Aussterben führen.

Bedrohtes Summen | Die Waldhummel (Bombus sylvarum) ist in vielen Regionen Europas verbreitet. In manchen davon ist sie allerdings bereits vom Aussterben bedroht.

Andere Wissenschaftler sind da vorsichtiger. Ob die beobachteten Reaktionen von Wildbienen tatsächlich langfristige Folgen für deren Bestände haben, sei bei den meisten Studien nicht untersucht worden, betont die Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung. Aus den derzeit verfügbaren Daten könne man daher nicht schließen, dass die Präsenz von Honigbienen pauschal ein Risiko für Wildbienen sei. In Einzelfällen könne es sinnvoll sein, die Zahl der Honigbienenvölker zu begrenzen. Doch ob das wirklich etwas nütze, lasse sich ohne entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen schwer einschätzen.

»Alle müssen an einem Strang ziehen, wenn wir etwas für den Insektenschutz erreichen wollen«
Josef Settele

Tatsächlich gibt es nachweislich noch jede Menge weiterer Faktoren, die Wildbienen zu schaffen machen. Die Palette reicht dabei vom Mangel an geeigneten Nistmöglichkeiten und Lebensräumen über den Einsatz von Pestiziden und die Überdüngung von mageren Standorten bis hin zum Klimawandel. Um Wildbienen zu fördern, sollte man sich nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft eher auf die Lösung solcher Probleme konzentrieren als auf Restriktionen für Bienenhalter.

Auch Josef Settele vom UFZ in Halle und etliche seiner Kollegen glauben nicht, dass es viel weiterhilft, den Honigbienen den Zugang zu Naturschutzgebieten zu verwehren – falls das überhaupt möglich ist. In einem Kommentar in »Science« argumentieren die Forscher unter anderem mit der hohen Mobilität dieser Insekten, die auf Nahrungssuche bis zu zehn Kilometer weit fliegen.

In den Niederlanden hätten die Behörden zwar versucht, die summenden Besucher von den Schutzgebieten fernzuhalten. Gebracht habe das aber wenig – außer, die Fronten zwischen Imkern und Naturschützern zu verhärten. »Und das können wir überhaupt nicht gebrauchen«, betont Josef Settele. Schließlich stünden beide Gruppen auf derselben Seite. »Sie müssen an einem Strang ziehen, wenn wir etwas für den Insektenschutz erreichen wollen.« Denn Konkurrenz hin oder her, in einem sind sich die Fachleute einig: Es gibt in vielen Landschaften heutzutage einfach zu wenig Blüten. Und das muss sich dringend ändern. Im Interesse von Wild- und Honigbienen gleichermaßen.

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