Virtuelle Rubbellose: Sind Lootboxen Glücksspiel?
Die Praxis ist in der Gaming-Community seit Langem umstritten und hat sogar schon handfeste Shitstorms für Riesen wie EA ausgelöst: Das Integrieren so genannter Lootbox-Systeme in moderne Computer- und Konsolenspiele. Lootboxen sind virtuelle Rubbellose. Meistens erhält man sie als Belohnung für langes Spielen oder das Erreichen gewisser Ziele – sozusagen als Treuegeschenk. Oft kann man sie mit echtem Geld von anderen Spielern oder direkt vom Hersteller über so genannte Mikrotransaktionen kaufen.
Aus der geöffneten Box hüpfen dann ein oder mehrere zufällig ausgewählte Gegenstände für das Spiel. Das können zum Beispiel lustige Hüte für den Avatar sein, mit denen man sich von der Masse der anderen Spieler abheben kann – oder aber Dinge wie stärkere Waffen, die einem dann einen echten Spielvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Dass solche virtuellen Gegenstände auch außerhalb des Spiels nicht ganz wertlos sind, zeigt etwa der Fall eines Waffenskins aus dem Online-Shooter »Counter-Strike: Global Offensive«, der Anfang des Jahres für über 60 000 US-Dollar den Besitzer wechselte.
Für viele drängt sich damit inzwischen die Frage auf, ob Videospiele, die mit solchen Lootbox-Systemen arbeiten, nicht eigentlich als Glücksspiel zu betrachten sind. Die Antwort darauf ist bislang umstritten; die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), welche auch die Altersempfehlungen für Spiele herausgibt, sieht Lootboxen jedenfalls als »nicht unproblematisch« an. Die Psychologen Aaron Drummond und James D. Sauer von der Massey University (Neuseeland) fällen in einem Kommentar im Fachmagazin »Nature Human Behavior« ein noch schärferes Urteil: In knapp der Hälfte der Spiele, die die Wissenschaftler genauer unter die Lupe nahmen, sei das Lootbox-System kaum von konventionellem Glücksspiel zu unterscheiden.
Drummond und Sauer stellten eine Liste von 22 Videospielen zusammen, die 2016 und 2017 auf den Markt gekommen waren und in den USA auch für Minderjährige zugelassen sind. Die untersuchten Spiele sind in Deutschland teils ohne Altersbeschränkung zu erhalten, wie zum Beispiel »FIFA 18«, teils ab 16 (beispielsweise »Overwatch«) und teils erst ab 18 (wie etwa »For Honor«). Anhand von fünf Kriterien prüften die Forscher, ob sich das Lootbox-System der Spiele als klassisches Glücksspiel einordnen lässt: Kann man die Boxen für echtes Geld erwerben? Ist vorher nicht bekannt, was in der Box ist? Spielt der Zufall beim Öffnen eine Rolle? Kann man durch Nichtteilnahme seine Verluste minimieren? Erhält man im Spiel einen Vorteil durch das Öffnen der Boxen?
Knapp die Hälfte der untersuchten Spiele, nämlich 10 von 22, erfüllten alle Kriterien. Eine »Kür« gab es außerdem, wenn man seinen Gewinn anschließend wieder in echtes Geld konvertieren konnte: Das war bei fünf Spielen der Fall, bei jeweils zwei aus den »FIFA«- und »Madden NFL«-Reihen sowie bei »PlayerUnknown's Battlegrounds«.
Die Autoren schlagen deshalb vor, die Altersfreigabe für mindestens jene zehn Titel auf das gesetzlich vorgeschriebene Glücksspiel-Mindestalter anzuheben. Insgesamt sehen sie jedoch bei allen 22 getesteten Spielen gefährliche Tendenzen. Selbst wenn nicht alle psychologischen und gesetzlichen Definitionen für Glücksspiel erfüllt werden, beinhalten die Spiele Mechanismen, um ihre Nutzer mit Prinzipien, die stark an Glücksspielverhalten erinnern, an sich zu binden. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre eine umfassendere Aufklärung durch die für die Altersfreigabe zuständigen Institutionen sowie klare Hinweise auf eine Lootbox-Mechanik im Spiel.
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