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Singvögel: Zebrafinken übermitteln komplexe Signale in einfachen Gesängen

Viele männliche Singvögel kennen nur ein einziges Balzlied. Doch darin verstecken sich subtile Hinweise auf ihre Qualität als Partner. Das zeigt eine umfangreiche KI-Analyse.
Eine Gruppe Zebrafinken sitzt auf einem Ast
Wer paart sich hier mit wem? Die besten Chancen bei den Weibchen haben die männlichen Zebrafinken, die in ihrem Balzlied eine große Variabilität der Gesangssilben zeigen.

Sie singen wieder. Endlich! Das Pfeifen, Zwitschern und Tirilieren von Amsel, Drossel, Fink und Star dringt im Frühjahr während der Paarungszeit sogar durch geschlossene Fenster und erreicht so selbst den größten Morgenmuffel. Doch auch wenn der Gesang für menschliche Ohren vielfältig klingt, kennt etwa ein Drittel der 1300 Singvogelarten in Wahrheit nur ein einziges Lied. Wie also findet das Vogelweibchen unter all den mit Inbrunst singenden Vogelmännchen dasjenige, das den größten Fortpflanzungserfolg verspricht? Offenbar ist es die Verteilung der einzelnen Töne im Gesang, die die Weibchen bei der Partnerwahl beeinflusst, schreibt ein Team um Todd Roberts von der University of Texas im Fachmagazin »Nature«.

Für ihre Studie nahmen die Wissenschaftler mehrere tausend Gesangsfetzen von 49 männlichen Zebrafinken (Taeniopygia guttata) auf. Das Lied eines Zebrafinken ist durch die wiederkehrende Erzeugung von typischerweise vier bis sieben komplexen Gesangssilben gekennzeichnet. Die spektrale und zeitliche Organisation des Gesangs erlernen die jungen Männchen mühsam, indem sie ihren Vater imitieren. Bisher war unklar, wie das einstudierte Lied als zuverlässiger Indikator für die Attraktivität des Männchens fungieren kann. Die meisten Forschungsstudien konzentrierten sich darauf, die Vorliebe der Weibchen für einzelne Merkmale des Gesangs, wie die Anzahl der Gesangssilben oder die Dauer des Lieds, zu untersuchen, oder es wurden ausgewählte akustische Parameter analysiert. Inzwischen habe sich jedoch herausgestellt, so schreiben die Studienautoren, dass die Weibchen den Gesang einzelner Vögel auch unabhängig von der Anordnung der Gesangssilben erkennen. Das deute darauf hin, dass Zebrafinkenweibchen auf bisher nicht identifizierte Aspekte achten.

Um diesen Feinheiten auf die Spur zu kommen, nutzten die Forscher künstliche Intelligenz, mit deren Hilfe sie rund eine halbe Million Gesangssilben sortierten, klassifizierten und analysierten. Zunächst stellten sie jede Silbe als ein Bild der Tonfrequenzen im Zeitverlauf dar. Auf die so entstandenen 472 475 Silbenbilder wendeten die Autoren dann eine Datenvisualisierungstechnik an. Der Algorithmus destilliert die komplexen Informationen aus den Bildern und platziert jede Silbe auf einer zweidimensionalen Karte von Klängen. Wiederholungen derselben Silbe liegen eng beieinander; Silben, die sich stärker unterscheiden, sind weiter voneinander entfernt. Anschließend verbanden die Forscher die einzelnen Silbenpunkte zwischen den Clustern, um die spektrale Besonderheit des Gesangs eines Vogels als die kürzeste »Pfadlänge« zwischen den verschiedenen Silbenclustern zu messen. Eine große Pfadlänge bedeutet, dass der Gesang des Vogels einen größeren Teil des möglichen Silbenraums abdeckt – unter Umständen, weil seine Silben deutlicher unterscheidbar sind als die von Gesängen mit einer kurzen Pfadlänge.

Gesangsstil ist Indikator für individuelle Fitness

Um zu testen, ob die Unterschiede im Gesang, die durch die Pfadlänge erfasst werden, für Vogelweibchen von Bedeutung sind, stellten die Autoren Paare von fünfsilbigen Gesängen zusammen, die sich in der Pfadlänge unterschieden, aber in anderen akustischen Parametern ähnlich waren. Wenn diese Lieder über zwei getrennte Lautsprecher abgespielt wurden, verbrachten die Weibchen mehr Zeit in der Nähe des Lautsprechers, der das Lied mit der längeren Pfadlänge spielte. Offenbar reagieren die Weibchen empfindlich auf die Spreizung zwischen den Gesangssilben und bevorzugen Gesänge mit längeren Pfaden zwischen den Silben.

Allerdings zeigte sich in einem weiteren Teilexperiment, dass es eine Herausforderung für Jungvögel ist, einen eigenen, komplexen Gesangsstil mit großer Pfadlänge zu entwickeln – selbst wenn der Vater ein hervorragender Sänger und Tutor ist. Das zeige, dass die Beherrschung dieses Stils ein Indikator für die individuelle Fitness sein könnte, so die Autoren.

Es sei jedoch zu einfach anzunehmen, dass ein Lied mit einer großen Pfadlänge die virtuose Leistung eines Vogels in Bezug auf alle unterschiedlichen Gesangskomponenten zeigt. Das zumindest merken die beiden Biologinnen Kate Snyder und Nicole Creanza in einem Begleittext zu dem Artikel an. Es bleibe unklar, was es akustisch und verhaltensmäßig bedeute, wenn zwei Silben auf den Visualisierungskarten weit voneinander entfernt sind. Was erkennen die Weibchen intuitiv, wenn sie einen Gesang mit langen Pfaden hören? Und welche Aspekte dieser Gesänge lernen die Jungvögel nur schwer? Ungeachtet dieser Kritik aber, so schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen von der Vanderbilt University weiter, habe die Entwicklung von KI-basierten Computertechniken zur direkten Analyse und zum Vergleich von Gesängen das Potenzial, das Gebiet der Verhaltensbiologie erheblich voranzubringen und das Verständnis der Tierkommunikation insgesamt zu vertiefen.

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