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Skyrmionen: Wasserwellen bilden exotische Quasiteilchen

Quasiteilchen wie Skyrmionen treten gemeinhin auf, wenn es um Quanten und Elektronenspins geht. Aber man kann sie auch ganz einfach in einem Wasserbecken erzeugen.
Wasserwirbel.
In einem hydrostatischen Wirbel kreisen Wassermoleküle einfach um das Zentrum. In einem topologischen Wasserwirbel ist es etwas komplizierter.

Ganz normale Wasserwellen können exotische Quasiteilchen bilden, die man bisher nur aus Quantensystemen oder optischen Materialien kennt. Das geschieht, wenn so genannte topologische Zustände entstehen – spezifische Muster zum Beispiel mit Löchern, Schleifen oder Wirbeln, deren Eigenschaften widerstandsfähig gegenüber Störungen sind. Diese komplexen Strukturen lassen sich jedoch durch Überlagerung ganz gewöhnlicher linearer Wasserwellen erzeugen, berichtet nun eine Arbeitsgruppe um die Physikerin Daria A. Smirnova in der Fachzeitschrift »Physical Review Letters«. Ihr Ansatz entspricht der Technik, mit der man auch in anderen Materialien topologische Wellenphänomene simuliert. In der Veröffentlichung zeigt das Team durch theoretische Berechnungen, dass bei einer geeigneten Überlagerung von Wasserwellen so genannte Skyrmionen entstehen können, stabile Wirbel, die sich wie Quasiteilchen verhalten können.

Diese Wirbel sind ganz anders als normale Wasserwirbel, in denen Wassermoleküle um das Zentrum kreisen. Vielmehr entstehen Punkte auf der Wasseroberfläche, die eine topologische Ladung tragen: Wenn man einen Kreis um sie herum nachfährt, stehen dessen Punkte in einer spezifischen Beziehung zueinander, abhängig von der Richtung, in der man dem Kreis folgt. Diese Eigenschaft steht, wie das Team um Smirnova entdeckte, in einer direkten Beziehung zum Drehmoment, das die überlagerten Wellen transportieren, weil sich die Wassermoleküle in den Wellen auf kleinen elliptischen Bahnen bewegen. Demnach gehen die topologischen Zustände direkt aus den Eigenschaften der überlagerten Wellen hervor.

Mit ihren Berechnungen zeigte die Arbeitsgruppe unter anderem, dass auf der Wasseroberfläche Strukturen entstehen können, die man zum Beispiel von komplizierten Quantensystemen kennt. Topologische Zustände mit Wirbeln – in dem Fall in der Ausrichtung der Elektronenspins – sind die Basis für eine ganze Reihe sehr ungewöhnlicher Phänomene, etwa für eine Form der Supraleitung oder auch den Quanten-Hall-Effekt, für dessen Erforschung gleich zwei Nobelpreise vergeben wurden. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass man solche Strukturen sogar relativ einfach in einem Wassertank erzeugen und vor allem ohne spezielle Hilfsmittel direkt beobachten kann.

Einerseits eröffnet das die Möglichkeit, interessante topologische Systeme, beispielsweise für Quantencomputer, mit wenig Aufwand zu erforschen. Andererseits legt es nahe, dass exotische topologische Effekte womöglich auch anderswo eine größere Rolle spielen als bisher gedacht – zum Beispiel im Klimasystem. So gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte atmosphärische Wellen am Äquator tatsächlich von topologischen Effekten herrühren.

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