Erdgeschichte: So sah die Erde vor 2,4 Milliarden Jahren aus
Vor etwa 2,4 Milliarden Jahren änderte sich das Antlitz der Erde dramatisch. In geologischen Maßstäben recht plötzlich entstand der Superkontinent Kenorland – womöglich der erste seiner Art. Er vereinigte einige der ersten Kratone, also sehr alte Kerngebiete der heutigen Kontinente, mit neu gebildeter kontinentaler Kruste. Und diese Landmasse setzte einige gravierende Umwälzungen in Gang, welche die weitere Erdgeschichte maßgeblich beeinflussten, so Ilya Bindeman von der University of Oregon in Eugene und sein Team in »Nature«. Die Geologen hatten die chemischen Signaturen von verschiedenen, bis zu 3,5 Milliarden Jahre alten Schiefergesteinen aus aller Welt verglichen. Anhand unterschiedlicher Verhältnisse von Sauerstoff-17 und -18 zu Sauerstoff-16 konnten sie nachvollziehen, wann neu gebildete Erdkruste über den Meeresspiegel aufstieg und dort der Verwitterung ausgesetzt wurde. Und daraus konnten sie wiederum ableiten, wann der heute noch typische große Wasserkreislauf in Gang kam, bei dem Wasser aus den Ozeanen verdunstet, zum Festland transportiert wird und dort abregnet.
Anhand dieser und früherer Daten sowie umfangreicher Modellierungen ist sich Bindeman ziemlich sicher, dass die Kontinentalbildung vor 2,4 Milliarden Jahren recht abrupt und großflächig stattfand. Am Ende umfasste das Festland ungefähr zwei Drittel der heutigen Fläche. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch massive Änderungen in der Manteldynamik der Erde. Sie sorgte dafür, dass mehr Magma an die Erdoberfläche gelangte und dort zu festem Gestein wurde. »Kontinentale Kruste muss dick genug sein, um aus dem Meer zu ragen. Und diese Mächtigkeit hängt wiederum mit Temperatur und Viskosität im Mantel zusammen«, so Bindeman. Als die Erde noch sehr heiß war, konnten sich keine ausgedehnten Gebirge und hohe Berge bilden: »Der Mantel war zu weich, um sie tragen zu können. Unsere Daten deuten darauf hin, dass sich dies vor 2,4 Milliarden Jahren extrem stark geändert hat. Der kühlere Mantel konnte endlich große Landmassen stützen.«
Der damalige Kontinent war allerdings noch sehr heiß; die Durchschnittstemperatur lag wohl um mehrere Dutzend Grad Celsius über heutigen Werten. Dann allerdings wurde der Atmosphäre durch chemische Verwitterung nach und nach Kohlendioxid entzogen. Auch Kenorland trug zur Abkühlung bei, denn im Gegensatz zum dunklen Meer erhöhte der noch nicht von Pflanzen bewachsene Kontinent die Albedo des Planeten: Mehr Sonnenstrahlung wurde ins All reflektiert und nicht in Wärme umgewandelt. Womöglich existierten später sogar Gletscher in den höchsten Lagen der Gebirge, die ebenfalls die Albedo erhöhten. Bindeman und Co gehen davon aus, dass die Temperaturen so stark zurückgingen, dass es in der Zeit vor 2,4 bis 2,2 Milliarden Jahren sogar großflächige Vereisungen gegeben haben dürfte. Gleichzeitig entwickelten sich im Meer erste Algen und Zyanobakterien, die vermehrt Sauerstoff ins Wasser und später die Atmosphäre entließen. Dadurch kam es zur so genannten Großen Sauerstoffkatastrophe, die ebenfalls gewaltige Umwälzungen nach sich zog. Der aggressive Sauerstoff reagierte mit dem Eisen der Gesteine, wodurch deren rostroter Farbton entstand.
Der höhere Sauerstoffgehalt der Atmosphäre führte letztlich auch noch zu einem evolutionären Schub, nachdem die Organismen sich dahin entwickelt hatten, dass ihnen der Sauerstoff nicht mehr schadete. Pflanzen und Pilze konnten letztlich das Meer verlassen und das Festland erobern. Der Weg zur kambrischen Explosion war bereitet, bei der innerhalb eines geologisch sehr kurzen Zeitraums vor rund 540 Millionen Jahren Vertreter fast aller heutigen Tierstämme entstanden.
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