News: SOHO erspäht die Rückseite der Sonne
Solare Stürme können, wenn sie überraschend auftreten, das Leben von Astronauten, die Reparaturen außerhalb des Raumschiffs durchführen, gefährden. Aber auch Satelliten sollten, um keinen Schaden zu nehmen, während eines derartigen Teilchenbombardements besser in einem sicheren Modus operieren. Entsprechend wichtig für Mensch und Technik ist eine zuverlässige Vorhersage, ein solarer "Wetterbericht". Bislang konnten solche Vorhersagen jedoch frühestens gemacht werden, wenn wieder ein aktives Gebiet am Sonnenhorizont erschien. Nun hat ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Jean-Loup Bertaux vom Service d'Aéronomie des französischen Instituts CNRS eine Möglichkeit entwickelt, schon im Vorfeld aktive Gebiete auf der Sonnenrückseite zu orten, noch bevor diese den solaren Horizont erreichen.
Das Gas, das im interplanetaren Raum die Sonne umgibt, ist nicht für jede Strahlung gleich durchlässig. Während neutraler Wasserstoff, der einen Großteil des Raumes ausfüllt, sichtbares Licht so gut wie gar nicht beeinflußt, ist er für Strahlung im UV-Bereich optisch dicht, also undurchlässig. Der Strahlungsdruck der Sonne drückt jedoch die Materie weg, so daß in der Wolke aus neutralem Gas die Sonne von einer Blase umgeben ist, die nur noch wenige, zumeist ionisierte Teilchen enthält. Die in den aktiven Gebieten verstärkt emittierte UV-Strahlung durchdringt die Blase aus dünnem ionisiertem Gas mühelos, bevor sie auf die äußere Wolke aus neutralem Wasserstoff stößt und diese an der Grenzschicht zum Leuchten anregt. Bei einer Dichte von immerhin hunderttausend Teilchen pro Kubikmeter sind die durch das kurzwellige UV-Licht angeregten Wasserstoffmoleküle deutlich zu erkennen. Von SOHO aus betrachtet scheint es, als würde ein Schirm an der Grenzschicht die UV-Strahlung reflektieren.
Da die Blase deutlich über die Erdbahn hinausragt, konnten die Wissenschaftler mit dem Solar Wind AnormaliesSWAN-Teleskop des SOHO-Satelliten diese hellen Flächen auf der Grenzschicht aufspüren. Wie mit einem Spiegel können sie auf diese Weise die Rückseite der Sonne betrachten und aktive Gebiete vorzeitig erkennen und entsprechende Maßnahmen treffen – ein neuer Schritt in der solaren Wettervorhersage.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 15.10.1998
"Mit dem Schrecken davongekommen" - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 14.7.1998
"Sonnenfleckzyklus 23" - Spektrum der Wissenschaft 5/97, Seite 44
"Das Sonnenobservatorium SOHO"
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