Sonne aktuell: So fühlt sich das Maximum an
Die Monate Mai und Juni erbrachten im laufenden Aktivitätszyklus die bisher höchsten Fleckenrelativzahlen; zudem traten im Mai Eruptionen (englisch: flares) extrem häufig auf. Somit konnte der Mai wohl als der bisherige Höhepunkt des derzeitigen Maximums angesehen werden. Im Juli übertraf die Aktivität diese Rekorde jedoch: Neben dem Auftritt besonders vieler Fleckengruppen kreuzte am 11. Juli 2024 eine in der Vorwoche stark gewachsene, wieder sehr große Fleckengruppe den Sonnenmeridian und konnte bis zu ihrem Verschwinden am Sonnenrand verfolgt werden (siehe »Hochaktive Region«). Nachdem sie auf der uns abgewandten Sonnenseite angekommen war, brachte sie am 23. Juli einen gewaltigen Flare hervor.
In den ersten Tagen des Monats und während seiner gesamten zweite Hälfte war die Sonne mit vielen kleineren und mittelgroßen Fleckengruppen übersät, manchmal mit bis zu zwölf an der Zahl, welche teilweise wieder längere Ketten bildeten (siehe »Fleckengedränge zum Monatsende«). Oft war es schwierig zu entscheiden, wo eine Gruppe endete und wo die nächste begann. Da die Anzahl der Gruppen mit einer zehnfachen Gewichtung in die Berechnung der Sonnenfleckenrelativzahl R eingeht, war dieser Faktor der große Treiber eines Rekordwerts im Juli: Das Beobachternetz der Fachgruppe Sonne der Vereinigung der Sternfreunde e. V. (VdS) ermittelte einen vorläufigen Wert von R = 192,4, den bisher höchsten in diesem Zyklus, nach 164,2 im Juni und 155,2 im Mai dieses Jahres.
Zudem war die uns zugewandte Seite der Sonne im Juli wieder recht eruptiv, vor allem im letzten Monatsdrittel. Insgesamt kam es zu 21 Flares der Klasse M und zu einem Flare der intensivsten Klasse X. Zwar blieb der Juli hinsichtlich der Häufigkeit von Flares deutlich hinter dem Mai zurück, doch das am 23. Juli um 02:00 Uhr MESZ von der europäischen Sonnensonde Solar Orbiter registrierte Ereignis war das bisher stärkste dieses Aktivitätszyklus, allerdings auf der Rückseite der Sonne. Diese Eruption übertraf den regulären Bereich der stärksten Kategorie X deutlich.
Normalerweise umfasst die reguläre Einstufung von Flares die Klassen A, B, C, M und X, wobei jede Klasse in die Stufen 1 bis 10 unterteilt wird. Einem Unterschied von einer Klasse zur nächsten entspricht eine zehnfache Intensität. Beispielsweise ist ein Flare der Klasse B 2 zehnmal so stark wie ein Flare der Klasse A 2. Da es oberhalb von X keine weitere Klasse gibt, geht es ab X 10 mit zweistelligen Zahlen weiter. Die Eruption vom 23. Juli konnte nicht direkt anhand ihres Röntgenflusses gemessen werden; sie wurde jedoch auf Grund ihrer Auswirkungen auf den Sonnenwind grob auf X 14 geschätzt. Somit ist sie zehnmal stärker als die mit X 4 bisher stärksten Flares auf der Sonnenvorderseite in diesem Zyklus. Zielt eine solche Eruption auf die Erde, dann stellt sie eine ernsthafte Bedrohung für Satelliten dar. Man darf deshalb von Glück sagen, dass dieser Flare auf der uns abgewandten Sonnenseite stattfand.
Auch der zweitstärkste Flare des aktuellen Zyklus brach auf der Rückseite der Sonne aus. Er trat am 20. Mai auf und erreichte die Klasse X 12. Der bislang unangefochtene Rekordhalter ist übrigens der Flare vom 11. April 2003; seine Intensität übertraf X 40. Die Plätze zwei und drei belegten die Ereignisse vom 2. April 2001 mit X 28 beziehungsweise X 24 am 28. Oktober 2003 – Letzteres war immerhin zehnmal stärker. Derzeit gibt es also noch Luft nach oben.
Wer es beschaulicher mag, sich jedoch nicht allein mit den Fleckengruppen begnügen möchte, bediene sich eines schmalbandigen Interferenzfilters für den Spektralbereich der roten Wasserstofflinie H-alpha. Hier zeigen sich Sonnenprotuberanzen, deren filigrane Strukturen die lokalen Magnetfeldlinien nachzeichnen (siehe »Detailreiche Protuberanzen«). Ihre Veränderungen vollziehen sich viel langsamer als eine Eruption, aber schneller als diejenigen einer Fleckengruppe. Über einen Mangel an interessanten Erscheinungen brauchen wir uns also derzeit nicht zu beklagen, und sicher geht es noch das ganze Jahr über so weiter. Nutzen Sie also Ihre Beobachtungsgelegenheiten, bevor der kommende Winter wieder tiefe Sonnenstände und wolkenreiches Wetter mit sich bringt.
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