News: Sonnenkinder sind größer
Zunächst bemerkten die Forscher, daß der Durchschnittsösterreicher tendenziell allgemein größer wurde, doch unterlag dieser Trend einem deutlichen jährlichen Rhythmus, wobei Höchstwerte bei den Frühjahrs- und Sommergeburten und Tiefstwerte bei den Herbst- und Winterbabys auftraten.
Diese eindeutige jährliche Tendenz muß, so argumentierten die Wissenschaftler, von außen verursacht werden. Daher studierten sie Wetteraufzeichnungen, aus denen hervorgeht, wie oft in Österreich strahlender Himmel war. Wie erwartet, bekommt das Land im Juli am meisten und im Dezember am wenigsten Sonne ab. Geburtenraten und Sonnenscheindauer schwanken innerhalb eines Jahreszyklus, ihre Höchst- und Tiefstwerte haben sie jedoch zu unterschiedlichen Zeiten. Interessanterweise liegen die Maximalwerte der Geburten stets um 276 Tage hinter denen der maximalen Sonneneinstrahlung. Dieses korrespondiert genau mit der Dauer von Schwangerschaften. Im Sommer gezeugte und im Frühjahr Geborene werden tendenziell die größten Erwachsenen. Gibt es demnach eine Verbindung zwischen den Geschehnissen in der Entwicklung eines Kindes und der Menge an Sonnenschein, der auf die Mutter einstrahlte?
Übereinstimmung bedeutet nicht notwendigerweise eine Ursache-Wirkung-Beziehung. Berühmt ist zum Beispiel die ausgeprägte Übereinstimmung zwischen der Geburtenrate in der "alten" Bundesrepublik und der Anzahl der dort brütenden weißen Störche. Die Geburtenraten nahmen übereinstimmend mit dem Storchvorkommen ab – dieses bedeutet indes nicht, daß Babys als Geschenke der Störche zur Welt kommen.
Weber und seine Kollegen können daher über die Ursache der beobachteten Trends nur spekulieren. Sie konzentrieren sich nicht so sehr auf Ereignisse im Frühstadium der Schwangerschaft, sondern glauben eher, daß der Effekt auf Ereignissen in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten und den ersten Monaten nach der Geburt beruht, also zu der Zeit, in der das Kind am schnellsten heranwächst.
Der zugrunde liegende Mechanismus könnte mit dem abgegebenen Hormon Melatonin aus der Zirbeldrüse zu tun haben. Die Zirbeldrüse ist im Zentrum des Kopfes verborgen, verfügt aber über eine neurale Verbindung zu den Augen und reagiert auf veränderte Lichtstärken, indem sie entsprechend mehr oder weniger Melatonin ausstößt. Einige Forscher glauben, daß Melatonin vielleicht das Verhalten von Wachstumshormonen beeinflussen kann. Das mütterliche Melatonin gelangt zum Fötus durch die Plazenta, und das Kind beginnt schon neun Wochen nach der Geburt, eigenes Melatonin zu produzieren.
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