News: Sorgfältig zubereitet schmeckt´s einfach besser
Der Verhaltensforscher Samuel Fernández-Carriba von der Universidad Autónoma de Madrid und seine Mitarbeiter beobachteten, wie die Schimpansin Linda, nachdem sie ein Jahr in einem Käfig des Zoos gelebt hatte, damit begann, Äpfel auf eine spezielle Weise zuzubereiten. Immer abwechselnd rieb sie den Apfel an einer scharfen Kante, leckte den an der Wand herunterlaufenden Saft und Brei auf, bis sie den gesamten Apfel zermust und verspeist hatte. Linda kam 1992 in den Zoo der Universität Madrid, nachdem ihr vorheriger Besitzer dem Tier alle Zähne entfernt hatte, um zu vermeiden, von dem Affen gebissen zu werden. Offensichtlich entwickelte Linda die neue Methode, da sie die Nahrung nicht mehr selbst durch Kauen zerkleinern konnte. Die Technik gefiehl aber offensichtlich auch ihren Gefährten, so lernten auch schnell sechs weitere Schimpansen, die im gleichen Käfig untergebracht waren, die neue Technik zu imitieren. In der Zwischenzeit bereiten alle Affen der Gruppe ihre Nahrung – Äpfel, Mohrrüben, Limonen und Orangen – auf diese Weise zu. Nur das ranghöchste Männchen, ein Weibchen und ein Jungtier zerkleinern Obst und Gemüse noch auf konventionelle Weise.
Nach Ansicht von Fernández-Carriba unterscheidet sich die Nahrungszubereitung der Schimpansen deutlich von den anfangs erwähnten raffinierten Methoden der Nahrungsbeschaffung. "Diese sind keine Behandlung von Speisen auf menschliche Art", meint Fernández-Carriba. "Eine Umwandlung schließt Vorgänge wie das Zermahlen und Kochen mit ein". Da alle Schimpansen das Verhalten von Linda auf stereotype Art nachgeahmt hatten, schließen die Forscher, dass es sich hierbei um ein Ritual handelt, dass kulturell weitergegeben wird. Fernández-Carriba ist außerdem der Ansicht, dass das Reiben nicht nur die Beschaffenheit, sondern auch der Geschmack der Speisen verändert. Seit sich die Tiere die Zeit nähmen, jeden Gang ihres Menüs auf besondere Art zuzubereiten, könnten sie dadurch zu einem größeren Genuss oder Befriedigung gelangt sein, meint der Forscher.
Ob allerdings eine derartige Behandlung von Speisen auch in der Natur vorkommt, ist unbekannt. Wie Fernández-Carriba meint, wurde das Verhalten dort entweder nur noch nicht beobachtet, oder die Tiere können es sich einfach nicht leisten, Zeit für die Zubereitung von Nahrung zu verschwenden. "Vielleicht ist dies ein Beweis mehr dafür, dass wir Menschen nicht so einzigartig sind, wie wir zuvor dachten", fügte er hinzu.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 16.5.2000
"Einfach in Ruhe essen" - Spektrum Ticker vom 11.11.1999
"Wasseraufbereitung bei Affen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 18.6.1999
"Was ist Kultur?"
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.