News: Soziale Unterschiede beim kindlichen Asthma
Asthma ist in den industrialisierten Staaten eine der häufigsten chronischen Krankheiten bei Kindern. Grob geschätzt, leiden rund fünf Prozent aller Kinder in diesen Ländern an Asthma. Neueren Berichten zufolge hat die Häufigkeit in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen. Eine Studie erhärtet Erkenntnisse, nach denen es für die Schwere der Krankheit eine Rolle spielt, welcher sozialen Schicht das Kind angehört.
Aus der sozial-epidemiologischen Forschung weiß man, daß der Gesundheitszustand in der unteren sozialen Schicht meistens erheblich schlechter ist als in der oberen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß auch kindliches Asthma besonders stark in der unteren sozialen Schicht auftritt. Doch frühere Untersuchungen, die zu dieser Frage – zumeist in den USA und Großbritannien – durchgeführt wurden, ließen zunächst keine eindeutige Beziehung zwischen kindlichem Asthma und sozialer Schicht erkennen. Als in einer weiteren britischen Studie jedoch zwischen verschiedenen Schweregraden der Krankheit unterschieden wurde, zeigte sich: Kinder aus der oberen sozialen Schicht leiden offenbar vermehrt unter leichtem, Kinder aus der unteren Schicht aber unter schwerem Asthma.
Um zu klären, ob dieser Zusammenhang auch für asthmakranke Kinder in Deutschland gilt, führten Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Informatik und Systemforschung (medis) des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) eine Studie durch, für die sie in den Jahren 1989 und 1990 Daten von 4 434 neun- bis elfjährigen Münchner Grundschulkindern erhoben. Die Kinder wurden einem Allergie-Test auf Birken-, Hasel- und Gräserpollen, Katzen- und Hundehaare sowie Hausstaubmilben unterzogen; ihre Eltern füllten einen Fragebogen aus. Kinder, bei denen ein Arzt schon einmal Asthma bronchiale, asthmoide oder spastische Bronchitis festgestellt hatte, wurden – nach dem Vorbild der britischen Studie – in drei Gruppen aufgeteilt: Waren die typischen Anfälle mit Atemnot und Hustenattacken in den vergangenen 12 Monaten ein- bis viermal aufgetreten, wurde leichtes Asthma angenommen; 5 bis 10 Anfälle definierte man als mittleres und mehr als 10 Anfälle als schweres Asthma. Kriterium für die Einstufung in eine soziale Schicht war die Schulbildung der Eltern: Hauptschulabschluß wurde der unteren, Mittlere Reife oder Realschulabschluß der mittleren, Abitur oder Hochschulreife der oberen Schicht zugeordnet.
Auch diese Studie ergab, daß Kinder der unteren sozialen Schicht seltener unter leichtem und häufiger unter schwerem Asthma leiden als sozial gut gestellte Kinder. Um den Grund dafür herauszufinden, wurden weitere Faktoren herangezogen, die als potentielle Risikofaktoren für kindliches Asthma gelten: Geschlecht, positiver Allergie-Test, asthmatische oder allergische Erkrankungen bei Eltern oder Geschwistern, Rauchen der Mutter im ersten Lebensjahr des Kindes und zum Zeitpunkt der Untersuchung, Geburtsgewicht des Kindes unter 2 500 Gramm, feuchte Wohnung, Kohle- oder Gas-Heizung, Verkehrsbelastung mit mehr als 75 000 Autos pro Tag im Einzugsgebiet der Schule. Bei Einbeziehung des Geschlechts zeigt sich beispielsweise, daß schweres Asthma in der unteren sozialen Schicht etwa 2,4 mal so häufig ist wie in der oberen und bei Jungen etwa 2,1 mal so häufig wie bei Mädchen. Ebenso wirken sich ein positiver Allergie-Test, das Rauchen der Mutter im ersten Lebensjahr des Kindes und allergische Erkrankungen bei Eltern oder Geschwistern auf die Beziehung zwischen sozialer Schicht und kindlichem Asthma aus. Berücksichtigt man alle – sich gegenseitig beeinflussenden – Variablen, haben Kinder der unteren sozialen Schicht immer noch 1,81 mal so häufig schweres Asthma wie ihre bessergestellten Altersgenossen. Die GSF-Wissenschaftler leiten aus ihrer Untersuchung die gesundheitspolitische Empfehlung ab, Früherkennung und Behandlung von schwerem kindlichem Asthma auf die untere soziale Schicht zu verbessern.
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