Hirnforschung: Soziale Vernachlässigung stört Entwicklung von Gliazellen
Zuwendung gehört zu den wichtigsten Erfahrungen im Kindesalter: Fehlt sie, entwickeln die Kinder schwere seelische und kognitive Störungen, die sich selbst auf lange Sicht kaum oder gar nicht mehr beheben lassen. Aus Studien an Heimkindern ist auch bekannt, dass sich mangelnde Zuwendung mit Veränderungen in der weißen Substanz korrelieren lässt. An Mäusen haben Forscher nun herausgefunden, dass soziale Isolation die Reifung von Oligodendrozyten stört.
Die Wissenschaftler um Gabriel Corfas vom Boston Children's Hospital hatten junge Mäuse im Alter von drei Wochen von der Gruppe isoliert. Im Alter von 50 Tagen zeigten die Tiere im Vergleich zu Mäusen mit Sozialkontakt deutliche Schwächen in verschiedenen Verhaltenstests. Um die Auswirkungen auf die weiße Substanz zu untersuchen, analysierten die Forscher weitere zwei Wochen später die zu den Gliazellen zählenden Oligodendrozyten im medialen präfrontalen Kortex – einer Region, die für soziales Verhalten und kognitive Funktionen eine wichtige Rolle spielt. Sie stellten fest, dass diese Zellen weniger ausgereift waren: Sie hatten kürzere Fortsätze und waren weniger verzweigt. Außerdem war die Aktivität zweier Gene für die Myelinproduktion reduziert und die von den Oligodendrozyten gebildete Myelinschicht um die Axone der Nervenzellen dünner. Diese Veränderungen bildeten sich selbst dann nicht zurück, wenn die Tiere nach zwei Wochen Isolation wieder zur Gruppe zurückkehrten.
Die Myelinscheide um die Nervenfortsätze beschleunigt die elektrische Signalübertragung – womöglich führt also die schlechtere Umhüllung zu einer gestörten Kommunikation zwischen den beteiligten Zellen. In anderen Studien hatte Corfas außerdem gezeigt, dass eine gestörte Myelinisierung in die auf Dopamin beruhende Signalübertragung im Gehirn eingreift; auch dies könnte Verhaltensänderungen erklären.
Entscheidend war allerdings, wann die Isolation begann: Mäuse, die erst im Alter fünf Wochen von den anderen getrennt wurden, zeigten weder die beobachteten Veränderungen im Gehirn noch die Verhaltensstörungen.
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