News: Später wird's teurer
Um nicht offenen Auges in eine Katastrophe zu laufen, trafen sich im Dezember 1997 die Vertreter von 160 Staaten im japanischen Kyoto. Heraus kam das so genannte Kyoto-Protokoll, in dem sich die Länder verpflichteten, den Ausstoß sechs klimarelevanter Gase – Kohlendioxid, Methan (CH4), Lachgas (N2O), teilhalogenierte sowie perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid – um durchschnittlich 5,2 Prozent bis zum Jahr 2012 zu verringern. Dabei können die Länder die Reduktion der einzelnen Gase untereinander verrechnen: Wer mehr des einen Gases emittiert, muss dafür ein anderes einsparen.
Dabei ergeben sich jedoch zwei Probleme: Einerseits wirken die Gase äußerst unterschiedlich auf das Klima, andererseits variieren deren atmosphärische Verweilzeiten. Während CO2 etwa 50 bis 200 Jahre in der Atmosphäre zu finden ist, verschwindet das wesentlich Treibhaus-wirksamere CH4 bereits nach 12 Jahren. Das effektivste Treibhausgas N2O bleibt etwa 120 Jahre in der Lufthülle.
Wissenschaftler des Intergovernmental Panel of Climate Change schlugen daher die Gewichtung der Gase gemäß ihres "Treibhauspotentials" (global warming potential, GWP) vor. Dabei hängt der Gewichtungsfaktor aufgrund der unterschiedlichen Verweildauer der Treibhausgase vom berücksichtigten Zeitrahmen ab. Mit anderen Worten: Wollen wir das Klima unserer Kinder oder das unserer Ururenkel schützen? Bei einem Zeitraum von 100 Jahren hat CH4 im Vergleich zu CO2 die 21-fache Wirkung, während N2O ein GWP von 310 hat. Ökonomisch ausgedrückt heißt das: Die Emission der gleichen Menge CH4 verursacht 21-fach höhere Kosten als CO2, bei N2O steigen die Kosten um den Faktor 310 an.
Dieses rein statische Modell war jedoch Alan Manne und Richard Richels von der Stanford University zu simpel. Um den Faktor Zeit zu berücksichtigen, schlugen sie ein dynamisches Modell vor. In einer Computersimulation versuchten sie, die relativen Kosten der Treibhausgase CH4 und N2O im Vergleich zum CO2 zu berechnen. Dabei gingen sie von einer maximal tolerierbaren Erwärmung der Erde von 2 oder 3 Grad Celsius aus. Es kommt aber nicht nur auf die absolute Erwärmung an, auch die relative Temperaturänderung spielt eine entscheidende Rolle. So kann sich die Umwelt an Temperaturerhöhungen besser anpassen, wenn diese langsamer erfolgen. Manne und Richels rechneten mit einer Steigerung von 0,2 beziehungsweise 0,3 Grad Celsius innerhalb von zehn Jahren.
Die Berechnungen der Wissenschaftler zeigten eine starke Zeitabhängigkeit der relativen Emmissionskosten insbesondere für das kurzlebige CH4. Während sie zu Beginn nur unwesentlich über denen des CO2 liegen, steigen sie in den folgenden Jahren explosionsartig an. Das bedeutet: Eine Tonne CH4, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts emittiert wird, verursacht geringere Schäden – und damit geringere Kosten – als die Tonne, die zum Ende des Jahrhundert in die Atmosphäre gelangt. Mit anderen Worten: Später wird es teurer.
Für den Wirtschaftswissenschaftler David Bradford von der Princeton University macht dieses Modell durchaus Sinn: "Stellen Sie sich vor, wir haben die Wahl, eine große Menge Methan jetzt zu emittieren oder nach einem weiteren Jahrhundert der Kohlendioxidemission. Bedenken Sie dabei, dass eine solche Emission dann den Schwellenwert des Klimasystems überschreiten könnte. Natürlich wäre eine Emission jetzt vorzuziehen."
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