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Corona-Spätfolgen: Mit Covid steigt das Risiko für neurologische Erkrankungen

Nach einer Corona-Infektion droht nicht nur Long Covid. Auch andere Erkrankungen treten in der Folge häufiger auf. Zum Beispiel leiden Erwachsene vermehrt unter kognitiven Störungen und Kinder unter Krampfanfällen und Psychosen.
Im Bett sitzende Frau hält sich den Kopf und verzieht das Gesicht.
Noch Monate nach einer Corona-Infektion kann der Kopf Probleme bereiten (Symbolbild).

Wer an Covid-19 erkrankt, hat bis zu zwei Jahre später ein leicht erhöhtes Risiko für mehrere neurologische und psychiatrische Krankheiten. So werden ältere Menschen daraufhin häufiger dement als nach einer anderen Atemwegsinfektion, und bei Kindern kommt es rund doppelt so oft zu Psychosen. Das haben Forschende aus England in der Zeitschrift »The Lancet Psychiatry« berichtet.

Das Team um den Psychiater Paul Harrison von der University of Oxford wertete elektronische Krankenakten von knapp 90 Millionen Menschen aus, die überwiegend aus den USA stammen, darunter mehr als eine Million, die sich zwischen 2020 und 2022 mit dem Coronavirus infiziert hatten. Deren Daten verglich das Forschungsteam mit Patientinnen und Patienten, die ihnen in vielerlei Hinsicht ähnelten, aber in demselben Zeitraum an anderen Atemwegsinfektionen erkrankt waren. Die zentrale Frage: Steigt nach einer Covid-Infektion das Risiko für neurologische und psychiatrische Erkrankungen, und wenn ja, wie lange? Frühere Studien hatten bereits erhöhte Risiken beobachtet; es fehlten jedoch Langzeitdaten. Die aktuelle Studie zeigt die unterschiedlichen Risiken für Folgeerkrankungen sowie ihren Verlauf.

Bei den Erwachsenen nahmen Angststörungen und Depressionen zunächst leicht zu, aber nach ein bis zwei Monaten wieder ab und waren vor Ablauf der zwei Jahre wieder auf demselben Niveau wie bei der Vergleichsgruppe. Dagegen blieb das Risiko für Demenz, Psychosen und Krampfanfälle nach zwei Jahren weiter erhöht, ebenso für »brain fog« (»Gehirnnebel«), also kognitive Störungen wie Konzentrationsprobleme und das Gefühl, nicht klar denken zu können. In konkreten Zahlen: Bei Erwachsenen unter 64 Jahren mit Covid-Diagnose betraf der »brain fog« 640 von 10 000 Personen, verglichen mit 550 von 10 000 Personen bei anderen Atemwegsinfektionen. Ab 65 Jahren waren jeweils mehr als doppelt so viele betroffen, und an einer Demenz erkrankten in diesem Alter nach Covid 450 gegenüber 330 von 10 000 Personen nach anderen Atemwegsdiagnosen.

Bei Kindern kamen Ängste und Depressionen nach einer Corona-Infektion nicht häufiger vor als nach sonstigen Atemwegsinfektionen. Einige andere Folgeprobleme jedoch schon, vor allem Hirnblutungen, ischämische Schlaganfälle und Psychosen, außerdem kognitive Störungen, Schlaflosigkeit, Enzephalitis, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexusstörungen sowie Epilepsie oder Krampfanfälle. Im Vergleich zu den Erwachsenen hielten zum Beispiel die kognitiven Probleme bei Kindern weniger lange an. Einzelne der 14 untersuchten Diagnosen traten nach einer Covid-Infektion weder bei Jung noch Alt signifikant häufiger auf, wie die Parkinsonkrankheit und das Guillain-Barré-Syndrom.

Unterschiedliche Verläufe lassen auf verschiedene Ursachen schließen

Die Verläufe deuten den Autoren zufolge darauf hin, dass es für die erhöhten Risiken unterschiedliche Ursachen gibt. Bei Erwachsenen müsste der vermittelnde Mechanismus – wie Gefäßschäden – nach der akuten Infektion weiter aktiv sein; bei Kindern weniger, hier sei eher das Immunsystem beteiligt, vermuten die Forschenden. Der Schweregrad der Infektion erkläre wahrscheinlich einen Teil, aber nicht den gesamten Zusammenhang zwischen Covid-19 und den neurologischen und psychiatrischen Folgen, schreiben sie, räumen jedoch ein, wegen der Datenbasis könnten Covid-Fälle mit leichten oder keinen Symptomen unterrepräsentiert sein.

Ein beträchtlicher Anteil der älteren Erwachsenen mit neurologischen oder psychiatrischen Diagnosen starb im Verlauf der Studie, vor allem diejenigen, welche Demenz, kognitive Defizite, Epilepsie oder Krampfanfälle hatten. Weil der Anteil der Verstorbenen mit oder ohne Covid ähnlich groß war, führen die Autoren die Sterblichkeit aber eher auf einen allgemein schlechten Gesundheitszustand zurück.

Neurologische Folgen von Delta und Omikron sind ähnlich

Bei der Delta-Variante (B.1.617.2) beobachteten die Forschenden nicht nur mehr Todesfälle als bei der Alpha-Variante (B.1.1.7), sondern auch mehr neurologische und psychiatrische Folgen wie Schlaganfälle, Epilepsie und kognitive Störungen. Obwohl das Sterberisiko während der Omikron-Welle (B.1.1.529) wieder sank, kam es weiterhin zu ähnlich vielen Folgeerkrankungen. Das Fazit von Harrison und seinem Team: »Die neurologischen und psychiatrischen Auswirkungen waren während der Delta- und Omikron-Welle ähnlich. Das lässt vermuten, dass die Belastung des Gesundheitssystems auch bei Varianten anhalten wird, die in anderer Hinsicht weniger gefährlich sind.«

Die Studie sei vor allem wegen der enormen Zahl an Patienten, der Kontrollgruppe und dem langen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren relevant, sagte Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Eingeschränkt werde die Aussagekraft allerdings dadurch, dass der Schweregrad der Atemwegserkrankungen in der Kontrollgruppe nicht berücksichtigt worden sei. Berlit bezweifelte außerdem, dass nach einer Covid-Diagnose das Risiko einer Demenz steigt. »Es ist bekannt, dass eine latente Demenz häufig durch ein schwer wiegendes Ereignis, etwa eine Covid-19-Erkrankung, manifest wird, ohne dass es einen ursächlichen Zusammenhang gibt.«

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