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Ausgrabungen in Spanien: Momentaufnahme vom Leben und Sterben in der Eisenzeit

Eine abgebrannte Ruine erlaubt den Blick auf die Lebensweise der Menschen vor 2200 Jahren. Das Ende kam just, als ein bekannter Feldherr mit seinen Elefanten hier durchzog. Zufall?
Hannibal führt sein Heer über die Alpen
Das Fresko aus dem frühen 16. Jahrhundert zeigt den karthagischen Feldherrn Hannibal. Ob es tatsächlich sein Heer war, dass die Siedlung auf dem Tossal de Baltarga zerstörte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Einiges spricht dafür.

Wie so oft in der Archäologie sind die Tragödien des einen die Glücksfälle des anderen: Eine Feuersbrunst, die wohl eine komplette eisenzeitliche Höhensiedlung in den Pyrenäen vernichtete, erlaubt Fachleuten heute einen einzigartigen Blick in die Vergangenheit. Anhand der Ruine eines Bauernhauses, die im Moment des Zusammenbruchs dessen Ausstattung unter sich begrub, konnten Fachleute unter anderem rekonstruieren, welche Tiere als Nutzvieh gehalten wurden und wie die Angehörigen des Volks der Cerretani ihre Räume aufteilten.

Nur wenig sonst ist bekannt über diesen Stamm, der sehr wahrscheinlich die Bewohner der Höhensiedlung Tossal de Baltarga stellte. Es gebe einige archäologische Befunde und vereinzelte Hinweise in den schriftlichen Quellen über die »Iberer«, schreiben Oriol Olesti Vila von der Autonomen Universität Barcelona und seine Kollegen nun in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts »Frontiers in Environmental Archaeology«.

Versteckter Ohrring | Ein goldener Ohrring lag noch in dem Gefäß, in dem er mutmaßlich vor dem Zugriff von Feinden geschützt werden sollte.

Mit der großen Weltgeschichte kamen die Cerretani wohl nur ein einziges Mal in Berührung, dann nämlich als der karthagische Feldherr Hannibal mit seinem Heer in Richtung Italien zog: »Die Zerstörung fand am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. statt, zu dem Zeitpunkt, als die Pyrenäen in den Zweiten Punischen Krieg und den Durchmarsch von Hannibals Truppen verwickelt waren», sagt Oriol Olesti Vila in einer Pressemitteilung der Fachzeitschrift. »Es ist wahrscheinlich, dass die gewaltsame Zerstörung des Ortes mit diesem Krieg in Verbindung steht.« Alles deute darauf hin, dass der Brand, dem das Haus zum Opfer fiel, absichtlich gelegt wurde.

Die Ausgrabungen nahe der spanischen Grenze zu Andorra und Frankreich ergeben das Bild einer agrarischen Gesellschaft, die die unbefestigte Höhensiedlung im engen Austausch mit den talwärts gelegenen Siedlungen bewohnte. Viehzucht und Wirtschaftsweise waren an die Bedingungen auf knapp 1200 Meter Höhe angepasst. So verlegte man sich insbesondere auf die Haltung von Rindern, machte viele Keramikprodukte selbst und importierte nur wenig von auswärts.

Ende mit Vorwarnung

Offenbar kam das Ende nicht unvorhergesehen, aber schnell: Ein goldener Ohrring, der noch immer in einem kleinen Gefäß lag, deutet daraufhin, dass die Bewohner ihre Wertgegenstände versteckt hatten. Auch ihren größten Besitz – ihre Haustiere, vier Schafe, eine Ziege und ein Reitpferd – brachten sie vermutlich vorsorglich ins Untergeschoss, das als Stall diente, aber eigentlich zu klein für diese Anzahl an Tieren war. Isotopen in den Zähnen der Schafe zeigten, dass die Tiere zuvor noch im Tiefland gegrast hatten.

Rekonstruktion des zerstörten Hauses | Das »Gebäude G« beherbergte im Untergeschoss die Ställe. Oben lebten und arbeiteten die Menschen. Holzfunde im Bereich des unteren Zugangs legen nahe, dass er mit Gattern unterteilt war, die für die Tiere zur Falle wurden.

Am Ende blieb keine Zeit mehr, all das zu bergen oder auch nur die Tür des Stalls zu öffnen: Die Tiere verbrannten und wurden unter dem einstürzenden Obergeschoss begraben. Der zweite Stock diente als Wohn- und Arbeitsraum, was an dem dort vorhandene Kochgeschirr und zahlreichen Werkzeugen für das Weben ablesbar ist. Der Brand entwickelte eine derart große Hitze, dass das Haus komplett in sich zusammenfiel.

Auch in einem kleinen Nachbargebäude fanden die Forscher tierische Überreste: das verbrannte Skelett eines Hundes, der hier vermutlich angebunden war. Auch ihn konnten die Einwohner der Siedlung nicht befreien.

Menschliche Überreste fanden sich hingegen nicht in den Ruinen des Tossal de Baltarga. Was aus den Bewohnerinnen und Bewohnern wurde, ist offen. Später sei der Ort wiederbesiedelt und von den Römern als Garnison genutzt worden, heißt es in der Pressemitteilung. Dabei erhielt die neue Siedlung auch Verteidigungsanlagen, darunter einen beeindruckenden Wachturm. Vielleicht eine Erinnerung an das Schicksal derer, die dort früher gelebt hatten.

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