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News: Spartanisches Genom

Was braucht man zum Leben? Eine Frage, die jeder Organismus anders beantworten würde. Das nun entzifferte Genom eines Parasiten zeigt, wie klein tatsächlich das notwendige Erbgut ausfallen kann. Und dabei bringt es noch zusätzlich so manche Vorstellung über den Stammbaum von Tieren und Pilzen durcheinander.
Encephalitozoon cuniculi – ein langer Name für ein winziges Lebewesen. Der Parasit, der viele Wirbeltiere einschließlich des Menschen befällt, nistet sich in Zellen verschiedener Organe und auch des Gehirns ein. Der Einzeller gehört zur Klasse der Microsporidia, die sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie keine Mitochondrien besitzen. Deshalb gingen viele Forscher davon aus, dass diese Organismen sich schon entwickelten hatten, bevor andere Eukaryoten sich Endosymbionten einverleibten, aus denen die Kraftwerke der Zelle letztendlich entstanden.

Michael Katinka von Genoscope und seine Kollegen haben sich des Erbguts des zellulären Untermieters angenommen – und waren schnell fertig. Denn der Organismus besitzt auf seinen elf Chromosomen gerade einmal 2,9 Millionen Basenpaare oder maximal etwa 2000 Gene. Das ist weniger als ein Promill des menschlichen Genoms und immer noch kleiner als die genetische Ausstattung vieler Bakterien. Aber dafür hat es einiges in sich, denn die Gene liegen dicht gepackt mit wenig so genannter junk-DNA dazwischen, die keine Informationen trägt. Zudem sind die Gene kürzer geraten als in vielen anderen Lebewesen – alles ist beschränkt auf das wahrhaft Notwendige.

Und das sorgt für Verwirrung. Einige der aufgespürten Gene codieren eindeutig für Proteine, wie sie aus Mitochondrien bekannt sind. Das würde die Annahme untermauern, dass die Microsporidia vielleicht doch einmal jene Zellorganellen besaßen, sie im Laufe der Evolution aber wieder verloren. Andererseits spürten die Forscher vier Gene auf, die für bestimmte Trägerproteine codieren, mit denen die Energiewährung ATP transportiert und somit vielleicht aus der Wirtszelle abgezweigt werden kann. Die Abschnitte sind homolog zu entsprechenden Sequenzen in Chloroplasten sowie in Rickettsien und Chlamydien – obligat intrazellulären Bakterien. Katinka und seine Kollegen halten es durchaus auch für möglich, dass die Einzeller tatsächlich Mitochondrien-artige Organellen enthalten, die nur noch nicht entdeckt wurden – ganz wie Entamoeba histolytica, ein anderer, ebenfalls Mitochondrien-loser Einzeller, bei dem erst kürzlich so genannte Mitosomen nachgewiesen wurden.

Dazu gesellen sich einige Gene, die eine enge Verwandtschaft mit dem Reich der Pilze (Fungi), wenn nicht sogar den Ursprung in dieser Gruppe, vermuten lassen. Ein Vergleich mit dem Erbgut der Hefe zeigte große Übereinstimmung, und eine statistische Analyse verschiedener Merkmale stellt die Microsporidia den Fungi als Schwestergruppe gegenüber – also teilen sich die beiden Gruppen gemeinsame Vorfahren. Das bestätigt gemäß Patrick Keeling von der University of British Columbia so manches Ergebnis der letzten Jahre, wonach die Microsporidia nicht ursprüngliche Eukaryoten, sondern hoch entwickelte Pilze sein könnten, deren als primitiv betrachtete Charakteristika vielmehr im Laufe der Evolution relativ junge Anpassungen sind.

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