News: Spatzen pfeifen lange nicht alles von den Dächern
Die Forscher studierten eine im Gebirge der kalifornischen Sierra Nevada lebende Unterart der Dachsammer (Zonotrichia leucophrys oriantha). Dieser spatzenartige Vogel kommt neben vier anderen Unterarten in Nordamerika vor. Nelson sammelte 28 Jungvögel im Alter von vier bis sieben Tagen – noch bevor sie zu singen gelernt hatten. Diese Tiere beobachtete er im Labor bei verschiedenen Tests .
Als erstes bekamen die Dachsammern, elf bis dreizehn Tage nach ihrer Geburt, Tonaufnahmen ihrer eigenen Unterart zu hören. Zusätzlich spielten ihnen die Forscher Aufzeichnungen einer anderen Unterart vor, die in der Natur etwa in 200 Kilometern Entfernung lebt. Dabei antworteten die Jungvögel mit größerem Gezwitscher, wenn sie ihren direkten Verwandten lauschten. "Diese Tatsache lässt vermuten, dass sie schon von Geburt an darauf ausgerichtet sind, die Gesänge ihrer eigenen Unterart zu lernen," schließt Nelson (Hörprobe).
Dann beschallten die Wissenschaftler die Vögeln über zehn Tage hinweg mit den Liedern ihrer eigenen Unterart, beziehungsweise denen der nahe verwandten. Nach dieser "Gesangsunterweisung" antworteten die Dachsammern bei nochmaligem Vorspielen der Lieder mit großem Gezwitscher, egal von wem die Gesänge stammten. "Auch die Vögel, denen wir vorher die Gesänge der fremden Unterart vorgespielt hatten, antworteten auf die Gesänge ihrer direkten Verwandten. Diejenigen jedoch, denen wir nur die Lieder ihrer eigenen Unterart vorgespielt hatten, antworteten auf die fremden Lieder kaum", berichtet Nelson. "Das zeigt, die Dachsammern sind zwar in der Lage, fremde Lieder zu lernen, sie bevorzugen aber scheinbar dennoch diejenigen ihrer eigenen Unterart. Diese behalten die Vögel besser im Gedächtnis, auch wenn ihnen fremde Lieder beigebracht werden."
Bei einem weiteren Test spielten die Wissenschaftler den Vögeln 40 Tage lang die Lieder beider Unterarten vor. Neun Monate nach diesem Gesangsunterricht, als die Dachsammern in dem Alter waren, in dem sie normalerweise zu singen beginnen, schmetterten 67 Prozent die Lieder ihrer eigenen Unterart. Nelson und seine Kollegen schließen daraus, "dass sie eine genetische Prädisposition besitzen, die sie genau diese Lieder lernen und singen lässt." Allzu pingelig sind die Jungvögel dann aber doch nicht. Denn zwischen einzelnen Dialekten unterscheiden sie nicht mehr.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 9.3.1998
"Komplizierte Fremdsprachen "
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 20.3.1998
"Ein weiterer Hinweis auf die Herkunft der Vögel"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 8/94, Seite 68
"Die Tanzsprache der Bienen: eine akustische Kommunikation"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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