spektrumdirekt fragt nach: "Wir müssen lernen, mit dem Feuer zu leben"
Über 200 Tote bei Melbourne, zerstörte Villen in Kalifornien, das antike Olympia durch Flammen bedroht - alle Jahre wieder füllen Schlagzeilen über Feuerkatastrophen die Gazetten. Spektrum.de sprach mit dem renommierten Freiburger Feuerökologen Johann Georg Goldammer vom Global Fire Monitoring Center, was wir dieses Jahr erwarten müssen, welche Rolle Brände in Deutschlands Landschaft spielen und worauf wir uns zukünftig einstellen sollten.
spektrumdirekt: Nach dem langen, feuchten Winter – auch am Mittelmeer: Müssen wir dieses Jahr trotzdem viele Feuer befürchten?
Johann Georg Goldammer: Ja, durchaus. Es ist ein Fehlschluss, zu glauben, dass es nicht brennt, wenn es nass war. Gab es im Vorjahr oder im Winter sehr viel Feuchtigkeit, dann ist die Gefahr nicht mehr kontrollierbarer Feuer im Folgejahr deutlich höher. Denn wegen der guten Wasserversorgung wächst die Gras- und Krautschicht sehr gut. Dieses Brennmaterial, das häufig zyklisch abstirbt, steht dann im Frühling als Treibstoff für Wildfeuer zur Verfügung.
Ein Beispiel sind extreme Trockenzeiten in Afrika, auf die im nächsten Jahr sehr wenige Feuer folgen: Wenig frisches Gras wuchs nach, und Vieh oder Wildtiere haben das wenige frische Grün gefressen, weswegen letztlich kaum Brennmaterial vorhanden ist. Nach trockenen Jahren sind die Brandflächen und -intensitäten also deutlich kleiner als nach feuchten Perioden. Es könnte diese Saison folglich am Mittelmeer durchaus heftig brennen.
spektrumdirekt: Gilt das nach dem niederschlagsreichen Winter auch für Deutschland?
Goldammer: Diese Abhängigkeit von der Wasserversorgung des Vorjahres spielt bei uns eine kleinere Rolle, denn der Unterwuchs ist in den hiesigen Wäldern eigentlich stets vorhanden. Das Angebot von Brennmaterial ist in Mitteleuropa relativ konstant. Herrscht im März und April aber eine starke Trockenheit, wie sie in den letzten Wochen in Nordostdeutschland eintrat, dann ist das Feuerrisiko sehr hoch wegen der nach dem Winter abgestorbenen und ausgetrockneten Vegetation.
spektrumdirekt: Was beeinflusst hier zu Lande die Feuergefahr?
Goldammer: Absichtliche und fahrlässige Brandstiftung spielen in Deutschland eine entscheidende Rolle – ähnlich wie am Mittelmeer. Dort sind aber vor allem auch unbeabsichtigt außer Kontrolle geratene Landnutzungsfeuer an der Tagesordnung – die gab es immer, und sie wird es immer geben, trotz verschiedener gesetzlicher Maßnahmen. 95 bis 98 Prozent der Feuer in Europa werden durch Menschen und nicht die Natur verursacht.
spektrumdirekt: Nimmt die Zahl der Feuer tatsächlich zu, oder ist einfach die Aufmerksamkeit der Medien gestiegen?
Goldammer: In Deutschland hat ihre Anzahl nicht zugenommen – im Gegenteil. Zahl und Ausmaß der Brände liegen seit Jahren auf einem annähernd konstanten Niveau von einigen hundert bis eintausend Hektar. Die durchschnittliche Größe der Brandflächen in den letzten zehn Jahren beträgt 0,5 Hektar.
spektrumdirekt: Und wie sieht es am Mittelmeer aus?
Goldammer: In Südeuropa umfasst die Brandfläche seit Jahren ebenfalls regelmäßig 400 000 bis 600 000 Hektar pro Jahr – hier beobachten wir auch keinen Zuwachs. Was zugenommen hat, ist allerdings die Anzahl der Feuer seit den 1980er Jahren. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich mit der effizienteren Brandbekämpfung vor Ort erklären. Seit damals verbesserte sich zudem die statistische Auswertung und die Fernerkundung, die heute auch Feuer erfassen, die früher den Statistikern entgangen sind.
Goldammer: Wir haben im Mittelmeergebiet und in Kalifornien oder Australien unterschiedliche Trends, und diese Regionen lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. In Übersee verlassen die Großstädter die Ballungsgebiete und zersiedeln das Umland, wo sie "im Grünen" ihr Haus bauen – in Busch- und Waldland, das wir als Feuerökosystem bezeichnen. Sowohl im kalifornischen Chaparral, einem mediterranen Ökosystem, als auch in den australischen Eukalyptusbeständen spielt das Feuer eine wichtige ökologische Rolle und kehrt in regelmäßigen Abständen wieder.
Baut man hier Häuser hinein, die problematischerweise noch in leicht entflammbaren Materialien wie Holz errichtet werden, dann sind diese Siedlungen extrem anfällig gegen Buschfeuer. Außerdem haben die Behörden in Australien wie in Kalifornien das kontrollierte Abbrennen der Vegetation über Jahre hinweg immer wieder untersagt – wider besseres Wissen. Dabei entspräche dies dem natürlichen Rhythmus des Ökosystems und wurde über die Jahrtausende auch von der ursprünglichen indigenen Bevölkerung praktiziert. Sie legten regelmäßig Feuer, um ihre Jagdchancen zu verbessern und die Lebensräume offen zu halten. Diese Feuer wurden im 19. und 20. Jahrhundert systematisch unterdrückt und verdrängt, obwohl sie die Brandlast und -intensität verringern würden – ohne den Wald zu schädigen.
Seit den 1960er und 1970er Jahren hat sich die Einstellung zum Feuer zwar wieder gewandelt, und seine Wichtigkeit wurde neu erkannt. Doch nun kann in den Gebieten, in denen die Häuser gebaut werden, das kontrollierte Brennen nicht mehr in dem Ausmaß durchgeführt werden, wie es wünschenswert und sinnvoll wäre. Dazu kommen Auflagen der Umweltbehörden zur Luftreinhaltung, denn die Feuer setzen Partikel frei, die gesundheitsschädlich sind. Man darf daher heute nicht mehr so einfach brennen, wie man wollte und es nötig ist. In Australien wie in Kalifornien hat sich daher ein erheblicher Rückstand bei dieser Managementmethode angestaut und eine enorme Brandlast aufgebaut.
Goldammer: Am Mittelmeer beobachten wir eine gegenteilige Bewegung, denn es herrscht überwiegend Landflucht. Das spiegelt sich im Extrembeispiel Griechenland wider, wo es 2007 sehr heftig gebrannt hat. Mit der massiven Landflucht und der Vergreisung wie Entvölkerung der Dörfer starb die Landwirtschaft, und es wurde immer weniger Brennholz in den Wäldern gesammelt. Die pflanzliche Biomasse wird immer weniger genutzt und sammelte sich in einem in der gesamten Kulturgeschichte der Region nie gekannten Ausmaß in der Landschaft an. Bricht nun ein Wildfeuer aus, findet es reichlich Nahrung und gerät rasch außer Kontrolle.
In Portugal tragen die hochentzündlichen Plantagen von Kiefern und Eukalypten dazu bei, dass Wildfeuer ein größeres Ausmaß annehmen. Schlussendlich sind da noch die Besitzverhältnisse: In vielen Ländern Europas wird der Kleinprivatwaldbesitz von den Eigentümern, die in den Städten leben, vernachlässigt. Die Wälder werden nicht mehr bewirtschaftet und gepflegt – das trägt zu Veränderungen bei, die zu heftigeren Feuern führen.
spektrumdirekt: Es wird immer behauptet, viele Feuer gingen auf Brandstiftung zur Landgewinnung oder -spekulation zurück. Sind das noch Faktoren?
Goldammer: Beide Gründe sind nicht zu vernachlässigen. Aber das enorme Ausmaß, das ihnen als Brandursache nachgesagt wird, gehört in das Reich der Sage. Die meisten Staaten haben hierzu klare Vorschriften: Land, das als Wald in den Katastern eingetragen ist, bleibt Waldland, auch wenn es abgebrannt ist. Auf lokaler Ebene kann es da natürlich "Ausrutscher" geben, und die Gesetze werden zu locker ausgelegt, so dass auf versengtem Land gebaut wird. Dieser Faktor wird aber genauso überbewertet wie die Legende von der weggeworfenen Zigarette oder dem "Brennglaseffekt" von Glasflaschen als wichtige Ursache von Waldbränden.
Fahrlässige Brandstiftung geht vorwiegend von der Landwirtschaft aus: Immer noch verbrennen viele Bauern traditionell Erntereste oder Weideflächen, um abgestorbenes Pflanzenmaterial zu entfernen. Diese Feuer geraten heute jedoch zunehmend außer Kontrolle. Zum einen fehlen in den entsiedelten Dörfern die Bewohner, um bei diesen Aktionen zu helfen und die Brände in Zaum zu halten. Zum anderen verwildern zwischen Waldflächen gelegene und ehemals genutzte Flächen, die zu Zeiten ihrer Nutzung wie Feuerschneisen wirkten. Jetzt können sie aber das Feuer von Waldbestand zu Waldbestand weiter tragen.
Goldammer: Eine ganze Reihe von Vegetationstypen hängen mehr oder weniger stark davon ab – von den australischen Eukalyptuswäldern über die afrikanischen Savannen und die mediterranen Buschländer bis hin zu den Nadelwäldern der Taiga. Angepasste und feuertolerante Ökosysteme ähneln sich: Feuer, das in regelmäßigen, kurzen Zyklen auftritt, schädigt sie nicht, weil es viele Pflanzen gibt, die es überleben. Ohne Feuer nehmen andere Arten überhand und verdrängen großflächig die toleranten Vertreter. Dadurch sinkt letztlich die Artenvielfalt, weil die empfindlichen Spezies ihre Konkurrenz verdrängen.
Eine extremere Form der Anpassung ist die Abhängigkeit von Feuer: Diese Pflanzen können sich ohne Brände nicht regenerieren. Die Zapfen oder Samenkapseln bestimmter Kiefern oder Eukalypten beispielsweise sind so fest mechanisch oder von Harz verschlossen, dass Sonnenstrahlung sie nicht knackt. Sie brauchen die Hitze eines Brandes, um sich zu öffnen. Schließt man hier Feuer systematisch aus, bedroht das die Arten in ihrem Überleben.
spektrumdirekt: Eine große Umweltschutzorganisation hat 2008 behauptet, wegen der starken Brände am Mittelmeer würde die Region bald verwüsten, weil kein Wald mehr nachwachsen könne. Stimmt das, oder fällt dies unter den Begriff Panikmache?
Goldammer: Der Trend der Landflucht führt dazu, dass es in extrem trockenheißen Sommern sehr intensiv und unkontrollierbar brennen kann, weil sich viel Zündstoff ansammelt. Mitunter lassen sich diese Feuer nicht einmal mehr wirksam bekämpfen, weil sie so heiß und großflächig brennen. Sie glühen den Boden aus und vernichten die Humusschicht, was im folgenden Herbst mangels haltender Wurzeln zu starker Erosion führt, wenn die Niederschläge beginnen. Das erschwert die Wiederbewaldung auf diesen Standorten extrem.
spektrumdirekt: Der Klimawandel erwärmt viele Regionen und macht sie trockener. Womit müssen wir zukünftig rechnen?
Goldammer: Es ist klar, dass in feuergefährdeten Gebieten das Risiko weiter steigt, wenn sich die sommerlichen Trockenzeiten weiter verschärfen – so wie 2003 oder 2005. Das gilt dann unabhängig von der Vorjahressituation. Man muss aber eines deutlich sagen: Fast alle Feuer entstehen durch den Menschen, die Natur bringt den Zündfunken nicht mit sich. Es liegt also weiterhin an uns.
In manchen Regionen wie dem österreichischen Alpenraum lösen allerdings Blitze bis zu einem Viertel der Brände aus. Dieser Einfluss könnte zukünftig durch ausgedehntere sommerliche Dürrephasen wachsen und größere Schäden verursachen. Gerade diese Ökosysteme reagieren aber sehr empfindlich auf die Störung, denn Bergrutsche, Erosion oder Steinschlag erschweren ihre Regeneration. Die Konsequenzen für die im Tal liegende Infrastruktur sind dann natürlich erheblich.
Goldammer: Nicht unbedingt. Die Fichte als Brotbaum der Waldwirtschaft wächst zum Beispiel vielfach in Regionen, die vorerst nicht so stark von Austrocknung betroffen sein werden wie in den Mittelgebirgen. Andernorts werden sie von den Forstleuten ersetzt werden müssen – aber nicht unbedingt wegen der Feuergefährdung. Die Fichte verträgt zwar nicht einmal leichte Brände, doch entscheidend ist vielmehr, dass sie mit Trockenheit nicht zurechtkommt – im Gegensatz zur Kiefer.
Ihre großflächigen Aufforstungen in Brandenburg sind einerseits sehr feueranfällig. Ökologisch gesehen ist die Kiefer verglichen mit Fichten oder unseren Laubbäumen jedoch ebenso resistent gegenüber Feuern. Das mag paradox klingen, aber bei angemessener Behandlung und Bewirtschaftung dürfte dieser Waldtyp zukünftig am besten mit den neuen, extremeren Bedingungen zurechtkommen.
spektrumdirekt: Wie müsste sich unser Verhalten bezüglich des Feuers verändern?
Goldammer: In Deutschland haben wir eine Entwicklung, die jener in Südeuropa ähnelt, denn auch hier zu Lande ziehen die jungen Menschen in die Städte und entsiedeln sich abgelegene Gebiete. Zunehmend fallen Flächen brach, insbesondere in Problemzonen wie Hanglagen in den Mittelgebirgen oder Heideland. Sie verwildern oder werden aufgeforstet: Der Mix aus Kultur- und Waldland löst sich teilweise auf. Die Freiräume, die einen Waldbrand stoppen konnten, überwachsen, und die empfindlichen Areale vergrößern sich.
Wir sollten also lernen, mit dem Feuer zu leben. Und die Akzeptanz dafür wächst zunehmend. In den 1970er Jahren durften wir aus emotionalen Gründen und wegen des Brennverbots im Bundesnaturschutzgesetz beziehungsweise den Landesnaturschutzgesetzen Feuer nicht als Maßnahme der Landschaftspflege und zum Schutz der Artenvielfalt einsetzen. Heute nutzt man dagegen in vielen Bundesländern und Vegetationstypen zunehmend das kontrollierte Feuer, um Offenlandstrukturen – insbesondere Heidelandschaften – zu erhalten.
spektrumdirekt: Herr Goldammer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Johann Georg Goldammer: Ja, durchaus. Es ist ein Fehlschluss, zu glauben, dass es nicht brennt, wenn es nass war. Gab es im Vorjahr oder im Winter sehr viel Feuchtigkeit, dann ist die Gefahr nicht mehr kontrollierbarer Feuer im Folgejahr deutlich höher. Denn wegen der guten Wasserversorgung wächst die Gras- und Krautschicht sehr gut. Dieses Brennmaterial, das häufig zyklisch abstirbt, steht dann im Frühling als Treibstoff für Wildfeuer zur Verfügung.
Ein Beispiel sind extreme Trockenzeiten in Afrika, auf die im nächsten Jahr sehr wenige Feuer folgen: Wenig frisches Gras wuchs nach, und Vieh oder Wildtiere haben das wenige frische Grün gefressen, weswegen letztlich kaum Brennmaterial vorhanden ist. Nach trockenen Jahren sind die Brandflächen und -intensitäten also deutlich kleiner als nach feuchten Perioden. Es könnte diese Saison folglich am Mittelmeer durchaus heftig brennen.
spektrumdirekt: Gilt das nach dem niederschlagsreichen Winter auch für Deutschland?
Goldammer: Diese Abhängigkeit von der Wasserversorgung des Vorjahres spielt bei uns eine kleinere Rolle, denn der Unterwuchs ist in den hiesigen Wäldern eigentlich stets vorhanden. Das Angebot von Brennmaterial ist in Mitteleuropa relativ konstant. Herrscht im März und April aber eine starke Trockenheit, wie sie in den letzten Wochen in Nordostdeutschland eintrat, dann ist das Feuerrisiko sehr hoch wegen der nach dem Winter abgestorbenen und ausgetrockneten Vegetation.
spektrumdirekt: Was beeinflusst hier zu Lande die Feuergefahr?
Goldammer: Absichtliche und fahrlässige Brandstiftung spielen in Deutschland eine entscheidende Rolle – ähnlich wie am Mittelmeer. Dort sind aber vor allem auch unbeabsichtigt außer Kontrolle geratene Landnutzungsfeuer an der Tagesordnung – die gab es immer, und sie wird es immer geben, trotz verschiedener gesetzlicher Maßnahmen. 95 bis 98 Prozent der Feuer in Europa werden durch Menschen und nicht die Natur verursacht.
spektrumdirekt: Nimmt die Zahl der Feuer tatsächlich zu, oder ist einfach die Aufmerksamkeit der Medien gestiegen?
Goldammer: In Deutschland hat ihre Anzahl nicht zugenommen – im Gegenteil. Zahl und Ausmaß der Brände liegen seit Jahren auf einem annähernd konstanten Niveau von einigen hundert bis eintausend Hektar. Die durchschnittliche Größe der Brandflächen in den letzten zehn Jahren beträgt 0,5 Hektar.
spektrumdirekt: Und wie sieht es am Mittelmeer aus?
Goldammer: In Südeuropa umfasst die Brandfläche seit Jahren ebenfalls regelmäßig 400 000 bis 600 000 Hektar pro Jahr – hier beobachten wir auch keinen Zuwachs. Was zugenommen hat, ist allerdings die Anzahl der Feuer seit den 1980er Jahren. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich mit der effizienteren Brandbekämpfung vor Ort erklären. Seit damals verbesserte sich zudem die statistische Auswertung und die Fernerkundung, die heute auch Feuer erfassen, die früher den Statistikern entgangen sind.
spektrumdirekt: Wie beeinflusst das Siedlungsverhalten der Menschen die Feuergefahr?
Goldammer: Wir haben im Mittelmeergebiet und in Kalifornien oder Australien unterschiedliche Trends, und diese Regionen lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. In Übersee verlassen die Großstädter die Ballungsgebiete und zersiedeln das Umland, wo sie "im Grünen" ihr Haus bauen – in Busch- und Waldland, das wir als Feuerökosystem bezeichnen. Sowohl im kalifornischen Chaparral, einem mediterranen Ökosystem, als auch in den australischen Eukalyptusbeständen spielt das Feuer eine wichtige ökologische Rolle und kehrt in regelmäßigen Abständen wieder.
Baut man hier Häuser hinein, die problematischerweise noch in leicht entflammbaren Materialien wie Holz errichtet werden, dann sind diese Siedlungen extrem anfällig gegen Buschfeuer. Außerdem haben die Behörden in Australien wie in Kalifornien das kontrollierte Abbrennen der Vegetation über Jahre hinweg immer wieder untersagt – wider besseres Wissen. Dabei entspräche dies dem natürlichen Rhythmus des Ökosystems und wurde über die Jahrtausende auch von der ursprünglichen indigenen Bevölkerung praktiziert. Sie legten regelmäßig Feuer, um ihre Jagdchancen zu verbessern und die Lebensräume offen zu halten. Diese Feuer wurden im 19. und 20. Jahrhundert systematisch unterdrückt und verdrängt, obwohl sie die Brandlast und -intensität verringern würden – ohne den Wald zu schädigen.
Seit den 1960er und 1970er Jahren hat sich die Einstellung zum Feuer zwar wieder gewandelt, und seine Wichtigkeit wurde neu erkannt. Doch nun kann in den Gebieten, in denen die Häuser gebaut werden, das kontrollierte Brennen nicht mehr in dem Ausmaß durchgeführt werden, wie es wünschenswert und sinnvoll wäre. Dazu kommen Auflagen der Umweltbehörden zur Luftreinhaltung, denn die Feuer setzen Partikel frei, die gesundheitsschädlich sind. Man darf daher heute nicht mehr so einfach brennen, wie man wollte und es nötig ist. In Australien wie in Kalifornien hat sich daher ein erheblicher Rückstand bei dieser Managementmethode angestaut und eine enorme Brandlast aufgebaut.
spektrumdirekt: Wodurch unterscheidet sich Südeuropa?
Goldammer: Am Mittelmeer beobachten wir eine gegenteilige Bewegung, denn es herrscht überwiegend Landflucht. Das spiegelt sich im Extrembeispiel Griechenland wider, wo es 2007 sehr heftig gebrannt hat. Mit der massiven Landflucht und der Vergreisung wie Entvölkerung der Dörfer starb die Landwirtschaft, und es wurde immer weniger Brennholz in den Wäldern gesammelt. Die pflanzliche Biomasse wird immer weniger genutzt und sammelte sich in einem in der gesamten Kulturgeschichte der Region nie gekannten Ausmaß in der Landschaft an. Bricht nun ein Wildfeuer aus, findet es reichlich Nahrung und gerät rasch außer Kontrolle.
In Portugal tragen die hochentzündlichen Plantagen von Kiefern und Eukalypten dazu bei, dass Wildfeuer ein größeres Ausmaß annehmen. Schlussendlich sind da noch die Besitzverhältnisse: In vielen Ländern Europas wird der Kleinprivatwaldbesitz von den Eigentümern, die in den Städten leben, vernachlässigt. Die Wälder werden nicht mehr bewirtschaftet und gepflegt – das trägt zu Veränderungen bei, die zu heftigeren Feuern führen.
spektrumdirekt: Es wird immer behauptet, viele Feuer gingen auf Brandstiftung zur Landgewinnung oder -spekulation zurück. Sind das noch Faktoren?
Goldammer: Beide Gründe sind nicht zu vernachlässigen. Aber das enorme Ausmaß, das ihnen als Brandursache nachgesagt wird, gehört in das Reich der Sage. Die meisten Staaten haben hierzu klare Vorschriften: Land, das als Wald in den Katastern eingetragen ist, bleibt Waldland, auch wenn es abgebrannt ist. Auf lokaler Ebene kann es da natürlich "Ausrutscher" geben, und die Gesetze werden zu locker ausgelegt, so dass auf versengtem Land gebaut wird. Dieser Faktor wird aber genauso überbewertet wie die Legende von der weggeworfenen Zigarette oder dem "Brennglaseffekt" von Glasflaschen als wichtige Ursache von Waldbränden.
Fahrlässige Brandstiftung geht vorwiegend von der Landwirtschaft aus: Immer noch verbrennen viele Bauern traditionell Erntereste oder Weideflächen, um abgestorbenes Pflanzenmaterial zu entfernen. Diese Feuer geraten heute jedoch zunehmend außer Kontrolle. Zum einen fehlen in den entsiedelten Dörfern die Bewohner, um bei diesen Aktionen zu helfen und die Brände in Zaum zu halten. Zum anderen verwildern zwischen Waldflächen gelegene und ehemals genutzte Flächen, die zu Zeiten ihrer Nutzung wie Feuerschneisen wirkten. Jetzt können sie aber das Feuer von Waldbestand zu Waldbestand weiter tragen.
spektrumdirekt: Viele Ökosysteme sind auf Feuer angewiesen. Inwiefern?
Goldammer: Eine ganze Reihe von Vegetationstypen hängen mehr oder weniger stark davon ab – von den australischen Eukalyptuswäldern über die afrikanischen Savannen und die mediterranen Buschländer bis hin zu den Nadelwäldern der Taiga. Angepasste und feuertolerante Ökosysteme ähneln sich: Feuer, das in regelmäßigen, kurzen Zyklen auftritt, schädigt sie nicht, weil es viele Pflanzen gibt, die es überleben. Ohne Feuer nehmen andere Arten überhand und verdrängen großflächig die toleranten Vertreter. Dadurch sinkt letztlich die Artenvielfalt, weil die empfindlichen Spezies ihre Konkurrenz verdrängen.
Eine extremere Form der Anpassung ist die Abhängigkeit von Feuer: Diese Pflanzen können sich ohne Brände nicht regenerieren. Die Zapfen oder Samenkapseln bestimmter Kiefern oder Eukalypten beispielsweise sind so fest mechanisch oder von Harz verschlossen, dass Sonnenstrahlung sie nicht knackt. Sie brauchen die Hitze eines Brandes, um sich zu öffnen. Schließt man hier Feuer systematisch aus, bedroht das die Arten in ihrem Überleben.
spektrumdirekt: Eine große Umweltschutzorganisation hat 2008 behauptet, wegen der starken Brände am Mittelmeer würde die Region bald verwüsten, weil kein Wald mehr nachwachsen könne. Stimmt das, oder fällt dies unter den Begriff Panikmache?
Goldammer: Der Trend der Landflucht führt dazu, dass es in extrem trockenheißen Sommern sehr intensiv und unkontrollierbar brennen kann, weil sich viel Zündstoff ansammelt. Mitunter lassen sich diese Feuer nicht einmal mehr wirksam bekämpfen, weil sie so heiß und großflächig brennen. Sie glühen den Boden aus und vernichten die Humusschicht, was im folgenden Herbst mangels haltender Wurzeln zu starker Erosion führt, wenn die Niederschläge beginnen. Das erschwert die Wiederbewaldung auf diesen Standorten extrem.
spektrumdirekt: Der Klimawandel erwärmt viele Regionen und macht sie trockener. Womit müssen wir zukünftig rechnen?
Goldammer: Es ist klar, dass in feuergefährdeten Gebieten das Risiko weiter steigt, wenn sich die sommerlichen Trockenzeiten weiter verschärfen – so wie 2003 oder 2005. Das gilt dann unabhängig von der Vorjahressituation. Man muss aber eines deutlich sagen: Fast alle Feuer entstehen durch den Menschen, die Natur bringt den Zündfunken nicht mit sich. Es liegt also weiterhin an uns.
In manchen Regionen wie dem österreichischen Alpenraum lösen allerdings Blitze bis zu einem Viertel der Brände aus. Dieser Einfluss könnte zukünftig durch ausgedehntere sommerliche Dürrephasen wachsen und größere Schäden verursachen. Gerade diese Ökosysteme reagieren aber sehr empfindlich auf die Störung, denn Bergrutsche, Erosion oder Steinschlag erschweren ihre Regeneration. Die Konsequenzen für die im Tal liegende Infrastruktur sind dann natürlich erheblich.
spektrumdirekt: Was kommt auf Deutschland zu? Steigt die Waldbrandgefahr, etwa in Fichtenwäldern?
Goldammer: Nicht unbedingt. Die Fichte als Brotbaum der Waldwirtschaft wächst zum Beispiel vielfach in Regionen, die vorerst nicht so stark von Austrocknung betroffen sein werden wie in den Mittelgebirgen. Andernorts werden sie von den Forstleuten ersetzt werden müssen – aber nicht unbedingt wegen der Feuergefährdung. Die Fichte verträgt zwar nicht einmal leichte Brände, doch entscheidend ist vielmehr, dass sie mit Trockenheit nicht zurechtkommt – im Gegensatz zur Kiefer.
Ihre großflächigen Aufforstungen in Brandenburg sind einerseits sehr feueranfällig. Ökologisch gesehen ist die Kiefer verglichen mit Fichten oder unseren Laubbäumen jedoch ebenso resistent gegenüber Feuern. Das mag paradox klingen, aber bei angemessener Behandlung und Bewirtschaftung dürfte dieser Waldtyp zukünftig am besten mit den neuen, extremeren Bedingungen zurechtkommen.
spektrumdirekt: Wie müsste sich unser Verhalten bezüglich des Feuers verändern?
Goldammer: In Deutschland haben wir eine Entwicklung, die jener in Südeuropa ähnelt, denn auch hier zu Lande ziehen die jungen Menschen in die Städte und entsiedeln sich abgelegene Gebiete. Zunehmend fallen Flächen brach, insbesondere in Problemzonen wie Hanglagen in den Mittelgebirgen oder Heideland. Sie verwildern oder werden aufgeforstet: Der Mix aus Kultur- und Waldland löst sich teilweise auf. Die Freiräume, die einen Waldbrand stoppen konnten, überwachsen, und die empfindlichen Areale vergrößern sich.
Wir sollten also lernen, mit dem Feuer zu leben. Und die Akzeptanz dafür wächst zunehmend. In den 1970er Jahren durften wir aus emotionalen Gründen und wegen des Brennverbots im Bundesnaturschutzgesetz beziehungsweise den Landesnaturschutzgesetzen Feuer nicht als Maßnahme der Landschaftspflege und zum Schutz der Artenvielfalt einsetzen. Heute nutzt man dagegen in vielen Bundesländern und Vegetationstypen zunehmend das kontrollierte Feuer, um Offenlandstrukturen – insbesondere Heidelandschaften – zu erhalten.
spektrumdirekt: Herr Goldammer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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