Menschliche Fortpflanzung: Spermien schlängeln nicht, sie schrauben sich vorwärts
Ein menschliches Spermium besteht grob betrachtet aus drei Teilen: dem Kopf, dem Hals und dem Schwanz, dem so genannten Flagellum oder der Geißel. Damit bewegt sich das Spermium fort, indem es die Geißel gleichmäßig hin- und herbewegt, ähnlich einem Aal. So ungefähr lautet jedenfalls die bisherige Erklärung zur Fortbewegung menschlicher Spermien. Eine Forschergruppe um Hermes Gadêlha von der University of Bristol will diese nun widerlegt haben. Sie zeichnete die Bewegungen von Spermien mit Hilfe moderner 3-D-Mikroskopie auf und stellte fest: Die Keimzellen rotieren ähnlich einem Kreisel, sie schrauben sich demnach vorwärts.
Wie die Forscher im Fachmagazin »Science Advances« schreiben, habe sich die Auffassung über die Fortbewegung der Spermien seit dem 17. Jahrhundert kaum geändert. Damals habe der Niederländer Antoni van Leeuwenhoek (1632-1723) Spermien in seinem selbst entwickelten Mikroskop beobachtet und die Bewegungen ihrer Geißel mit einem Aal im Wasser verglichen. Gadêlha und seinen Kollegen sind überzeugt, dass dieser optische Eindruck durch die zweidimensionale Betrachtung entstanden sei. Sie filmten Spermien mit einer Hochgeschwindigkeitskamera in 3-D. Dabei zeigte sich, dass die Geißel nur nach einer Seite ausschlägt und sich eine rollende Bewegung ergibt. »Ähnlich einem verspielten Otter, der korkenziehermäßig durchs Wasser schwimmt«, sagt Hermes Gadêlha.
Allerdings agiere nicht nur der Schwanz des Spermiums, sondern auch der Kopf gehe in eine Rotationsbewegung. »In der Physik kennt man dies als Präzession, ganz ähnlich wie die Umlaufbahnen von Erde und Mars um die Sonne in einer Präzessionsbewegung verlaufen«, erklärt Gadêlha. Als Präzession bezeichnen Physiker die Richtungsänderung der Achse eines sich drehenden Objekts, wenn eine Kraft von außen auf dieses einwirkt. Wie bei einem rotierenden Kreisel, der nur ins Trudeln kommt, aber nicht umfällt, wenn man ihn antippt.
Zu wissen, wie sich menschliche Spermien tatsächlich fortbewegen, sei laut der Forscher auch für medizinische Diagnosen wichtig. Etwa wenn bei Männern die Zeugungsfähigkeit eingeschränkt ist.
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