Spielsucht: Verlusten nicht mehr hinterherjagen
Eine unter Glücksspielsüchtigen verbreitete Idee ist es, dass man erlittene Verluste ausgleichen kann, wenn man nur lange genug weiterspielt. Das Verhalten wird auch als »Chasing« bezeichnet: Die Betroffenen jagen gewissermaßen ihren Einbußen hinterher, um »wieder auf null« zu kommen. Dadurch können hohe finanzielle Schäden entstehen.
Forscherinnen und Forscher aus Italien wollten das Chasing-Verhalten genauer untersuchen. Um Probanden zu finden, ging das Team um Marina Cosenza von der Universität Kampanien »Luigi Vanvitelli« in Kasinos und Spielhallen und bat Anwesende, bei einer wissenschaftlichen Untersuchung mitzumachen. Teilnehmen durften nur Personen, die mindestens einmal pro Woche dem Glücksspiel frönten. So rekrutierte es schließlich 166 Erwachsene zwischen 19 und 70 Jahren; 80 Prozent waren männlich. Am beliebtesten in der Stichprobe waren Sportwetten, Rubbellose und Lotto, gefolgt von Kartenspielen und Automaten.
In einem Nebenraum füllten die Teilnehmer verschiedene Fragebogen aus und absolvierten Glücksspielsimulationen am Computer. Die Tests dienten etwa dazu, Spielsucht zu erkennen und zu erfragen, wie die Probanden üblicherweise Entscheidungen trafen. Um ihr Chasing-Verhalten zu erfassen, erhielten sie in einem virtuellen Glücksspiel zunächst einen Betrag gutgeschrieben, verloren dann aber überzufällig oft. Die Fachleute interessierte, ob die Spieler ihr Spiel daraufhin fortsetzten oder sich ihr Restbudget auszahlen ließen.
Überraschenderweise spielte es für das Chasing keine Rolle, ob die Versuchspersonen als spielsüchtig klassifiziert wurden oder nicht. Dies deutet den Autoren zufolge darauf hin, dass es beim Glücksspiel grundlegend »Chaser« und »Nicht-Chaser« gibt, diese Eigenschaft aber nur bei Spielsüchtigen besonders problematische Auswirkungen hat.
Dafür zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Chasing und einer bestimmten Art, Entscheidungen zu treffen: dem so genannten »abhängigen« Entscheidungsstil. Er bezeichnet die Tendenz, sich an der Meinung und den Ratschlägen anderer Menschen zu orientieren. Diese Personen neigten im Test weniger dazu, Verlusten hinterherzujagen. Beim Glücksspiel könnte das also einen gewissen Schutzfaktor darstellen – fehlt der Zuspruch von außen, werden gewichtige Entschlüsse wie das Weiterspielen nach finanziellen Verlusten eher vermieden.
Die Erkenntnisse sollten künftig berücksichtigt werden, um neue therapeutische Interventionen zu entwickeln, schreiben die Wissenschaftler. So profitieren Chaser möglicherweise von anderen Maßnahmen als Nicht-Chaser. Auch der individuelle Entscheidungsstil könne in einer Therapie hinterfragt und modifiziert werden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.