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Wahrnehmung: Wie »untote« Bakterien ihre Umwelt beobachten

Bakteriensporen wachen auf, wenn die Bedingungen wieder günstig sind. Aber wie merken sie das, wenn sie jahrzehntelang starr und ohne Stoffwechsel daliegen?
Die Sporen des Milzbrandbakteriums sind kapselförmig. Im Körper werden sie zu langen Stäbchen (hier gezeigt), vermehren sich und scheiden toxische Proteinkomplexe aus.
Viele Bakterien bilden Dauersporen, die ohne Stoffwechsel Jahrzehnte überstehen können - zum Beispiel der hier gezeigte Milzbranderreger Bacillus anthracis. Rätselhaft ist aber, wie sie in diesem Zustand die ganze Zeit ihre Umwelt im Blick behalten können.

Manche Lebewesen können bei widrigen Umständen ihre Lebensfunktionen abschalten und Jahrzehnte ohne jeden Stoffwechsel überdauern. Nun hat ein Team um Gürol M. Süel von der University of California San Diego herausgefunden, wie solche Lebewesen trotz kompletter Inaktivität merken, wann es Zeit ist, wieder aufzuwachen. Wie die Arbeitsgruppe in »Science« berichtet, messen Sporen des Bakteriums Bacillus subtilis den Nährstoffgehalt der Umgebung, weil in dessen Gegenwart Kalium aus der Zelle strömt. Erst wenn die Kaliumkonzentration eine gewisse Schwelle unterschreitet, wachen sie auf. So verhindern sie, dass sie von zufälligen, nicht ausreichenden Signalen geweckt werden.

Die Arbeitsgruppe behandelte die Bakteriensporen mit kurzen Pulsen von L-Alanin, einem Nährstoff, der bei B. subtilis als Aufwachsignal dient. Dabei stellte sie fest, dass ein kurzer Puls nur einen kleinen Bruchteil der Sporen aufweckt. Ein zweiter Puls, eine ganze Weile später, weckte jedoch über die Hälfte der Sporen auf. Das interpretiert die Gruppe dahingehend, dass jedes Umweltsignal einen inneren Zustand der Zelle graduell verändert, bis dieser Zustand einen Schwellenwert erreicht.

Auf der Basis von theoretischen Überlegungen und Computermodellen vermutete das Team, dass der gesuchte innere Zustand das elektrochemische Potenzial der Zelle sein könnte, erzeugt durch hohe Konzentrationen von Kaliumionen. Nach diesem Modell öffnet L-Alanin Poren in der Membran der Sporen, so dass Kalium ausfließt und das Potenzial sinkt. Wenn das Potenzial niedrig genug ist, wacht die Zelle auf. Allerdings schließen sich diese Kanäle ohne den Nährstoff wieder, so dass der Schwellenwert erst bei einer hohen Nährstoffkonzentration erreicht wird, bei der die Kanäle sich immer wieder öffnen.

Das erklärt das Aufwachverhalten der Bakterien im ersten Versuch. Der erste Nährstoffpuls reichte nicht, um einen nennenswerten Teil der Sporen aufzuwecken. Aber er senkte ihren Kaliumvorrat, und den können die Sporen nicht auffüllen. Dadurch waren sie beim zweiten Nährstoffpuls bereits viel näher an der Schwelle, und mehr Sporen erwachten. Die Sporen können durch diesen Mechanismus quasi mitzählen, wie viel Nährstoff sie begegnen – und damit, ob sich das Aufwachen lohnt. Der ganze Vorgang ist rein passiv, der Messvorgang verbraucht also keine Energie außer jener, mit der das Bakterium bei der Sporenbildung Kalium in sich hineinpumpte. Dadurch können solche Sporen über Jahrzehnte überdauern und trotzdem wieder aufwachen, wenn die Bedingungen günstig sind.

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