Direkt zum Inhalt

News: Sport ist Mord

Als die englische Nationalmannschaft während der Fußballweltmeisterschaft von 1998 nach der Verlängerung gegen Argentinien ins Elfmeterschießen musste, war das Schicksal vieler Fans besiegelt. Sie erlitten einen Herzinfarkt.
Sport ist Mord
Angesichts von Bänderrissen, Zerrungen und gebrochenen Schienbeinen weiß der kluge Fußballfan seit langem, wo ihm der Sport am besten tut: auf der Couch, vor der Glotze. Doch Sport ist Mord und macht auch vor dem Bildschirm nicht Halt - jedenfalls ergaben das die akribischen statistischen Auswertungen britischer Forscher. Douglas Carroll von der University of Birmingham und seine Mitarbeiter hatten gehört, dass infolge des Sieges über Italien während der Fußballweltmeisterschaft 2002 zwei südkoreanische Fans in ihren besten Jahren einem Herzinfarkt erlagen.

Nun ist bekannt, dass Schicksalsschläge, Unfälle oder Naturkatastrophen zum Tod durch Herzinfarkt führen können, aber ein Fußballspiel? Carroll und seine Mitarbeiter gingen dem auf den Grund, indem sie die Akten aller Aufnahmen in englische Krankenhäuser um die Zeit der Fußballweltmeisterschaft von 1998 auswerteten.

In jenem Sommer zweifelte kaum ein Engländer an dem Einzug seines Landes ins Viertelfinale, und so nahm sich auch niemand zu Herzen, dass die englischen Kicker nur zwei von drei Spielen gewannen. In den Krankenhäusern blieb es entsprechend ruhig - zunächst jedenfalls.

Doch dann, am 30. Juni, kam es zur entscheidenden Begegnung - und zwar ausgerechnet mit dem Intimfeind Argentinien. Jetzt ging es um den Aufstieg in die nächste Runde - oder die Rückreise nach England. 24 Millionen Engländer verfolgten zitternd das furiose und emotional geladene Spiel, bei dem mal die Engländer und mal die Argentinier vorne lagen - bis die Partie am Ende der ersten 90 Minuten 2:2 unentschieden blieb. Als sich auch in der Verlängerung nichts tat, galt es, die Entscheidung per Elfmetervergleich zu erzwingen. Jetzt mussten beide Mannschaften und 45 Millionen Fernsehzuschauer tatenlos zusehen, wie zwei Spieler gegeneinander antraten. Die Nerven lagen blank.

War es möglich, dass den Engländern zum dritten Mal hintereinander nach der WM 1990 und der EM 1996 das Elfmeterschießen zum Verhängnis würde? Ja, es war möglich. David Batty scheiterte mit dem achten Strafstoß an Argentiniens Keeper Carlos Roa. England war ausgeschieden.

Doch während die Spieler - um eine Erfahrung reicher und ein paar Prämien ärmer - müde und geknickt den Platz verließen, rang daheim mancher Fan mit einem Mal nach Luft und griff sich vor Schmerz an die Brust. Die Anspannungen waren zu groß gewesen und forderten nun ihren Tribut. In den beiden Tagen direkt nach dem verlorenen Spiel verzeichneten die Notaufnahmen der Krankenhäuser in England einen sprunghaften Anstieg von Herzinfarkten um ganze 25 Prozent.

Nun könnte man meinen, dass unter solchen Umständen besonders viel getrunken wird und deshalb das Herz versagt. Gänzlich auszuschließen ist dieser Effekt sicher nicht, von großer Bedeutung dürfte er aber nicht sein. Denn wenn viel Alkohol getrunken wird, müsste auch die Zahl der Verkehrsunfälle ansteigen, und da dies nicht der Fall war, schließen die Forscher daraus, dass es in der Tat vor allem der Stress war, der die Herzen aus dem Takt brachte - und empfehlen deshalb die Abschaffung des Elfmeterschießens.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.