Mikrobiom: Fitter Darm, fitte Sportler
Eine Woche vor dem Boston-Marathon im Jahr 2015 raste Jonathan Scheiman in einem Mietwagen durch die Stadt und sammelte Fäkalien. Der Wissenschaftler, damals Mitarbeiter im Labor des Genetikers George Church an der Harvard Medical School in Boston, nahm Stuhlproben von Menschen, die an dem Rennen teilnehmen wollten, und ebenso von Nichtläufern, zum Beispiel Arbeitskollegen. Nach dem Lauf bat er seine Versuchspersonen um weiteres Material und verglich dessen Bakterienvielfalt mit den Proben von vor dem Lauf. Der Lohn der Mühe: eine der ersten Studien, die den kausalen Zusammenhang zwischen der Gemeinschaft von Mikroorganismen im Darm und der sportlichen Leistung untersuchte.
Eine Bakteriengattung stach Scheimans Arbeitsgruppe bei der 16S rRNA-Sequenzierung, mit der man Mikroorganismen anhand eines spezifischen Erbgutabschnitts identifiziert, ins Auge. »Was wirklich auffiel, war ein Anstieg von Veillonella unmittelbar nach dem Marathon«, sagt Aleksandar Kostic, Mikrobiologe an der Harvard Medical School und Mitautor von Scheimans Studie. »Generell stellten wir fest, dass der Anteil an Veillonella bei Läufern im Vergleich zu Nichtläufern höher war.« Mit 15 Läufern und 10 Kontrollpersonen war die Stichprobe zwar sehr klein, eine unabhängige Analyse von Eliteruderern und -läufern bestätigte allerdings das Ergebnis. Aber etwas Entscheidendes fehlte: eine Erklärung für den Befund.
Über die Wechselwirkungen des Mikrobioms mit Sport ist noch wenig bekannt, im Vergleich zu anderen Aspekten der Gesundheit. Doch das Interesse daran wächst. Untersuchungen legen nahe, dass die enorme Vielfalt von Organismen, die das Mikrobiom eines Menschen ausmachen, nur eine begrenzte Zahl an Funktionen erfüllt. Das könnte bedeuten, dass einige Mechanismen und Mikroben einen besonders großen Einfluss auf die Fitness haben. Von einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge könnten nicht nur Spitzensportler und Trainer profitieren, sondern auch die breite Bevölkerung.
Das Darmmikrobiom ist verblüffend komplex
Auf und in uns leben Billionen von Mikroorganismen, die meisten befinden sich im Magen-Darm-Trakt. Manche davon können Krankheiten verursachen, viele sind nützlich – und als Gemeinschaft sind sie für die menschliche Gesundheit unerlässlich. Eine Störung des Mikrobioms kann mit Krankheiten einhergehen, etwa chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Studien deuten aber auch auf Zusammenhänge mit Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Fettleibigkeit und sogar psychischen Störungen hin.
Den deutlichsten Beweis für die Bedeutsamkeit von Mikroben liefern Labormäuse, die keine mehr haben. »Die haben Stoffwechselstörungen, Immunschwäche, neurologische Probleme – alles Mögliche«, sagt Aleksandar Kostic. »Pflanzt man ihnen ein normales Mäusemikrobiom ein, sind viele dieser Tiere geheilt«, fügt er hinzu.
Die technischen Fortschritte der vergangenen 20 Jahre haben den Versuch, die verblüffende Komplexität des Darmmikrobioms zu entschlüsseln, erheblich erleichtert. Gensequenzierungen sind immer günstiger geworden. Ein entscheidender Faktor, denn um eine mikrobielle Gemeinschaft zu untersuchen, müssen Forscher den genetischen Code von hunderten Organismen gleichzeitig sequenzieren. Diese stellen wiederum nur eine Stichprobe aus der Gesamtheit von Millionen dar.
Um alle in einer Probe vorhandenen Mikroben zu identifizieren – im Fall des Darmmikrobioms sind das meist Fäkalien –, können Forschende diese mehrfach unterteilen und alles sequenzieren. Das hatte bisher allerdings zwei große Nachteile: Erstens war es sehr teuer und zweitens für die Wissenschaftler schwierig herauszufinden, welche Gene zu welchen Mikroben gehörten.
Das Problem lösen Forscherteams, indem sie auf Markergene setzen. Bei dieser Methode wird ein einzelnes Gen sequenziert, das allen Mikroben gemeinsam ist – etwa das Gen, das für die 16S rRNA des Ribosoms codiert. Das sind jene zellulären Maschinen, die RNA-Moleküle in Proteine übersetzen. Einige Teile des Gens sind identisch, gleich, von welchem Organismus es stammt. Die Forscher können es darum in einer Probe leicht ausfindig machen. Andere Regionen variieren von Mikrobe zu Mikrobe. Dank solcher Unterschiede kann man erkennen, welche Organismen im Mikrobiom vorhanden sind. Weil nur ein spezieller Teil jedes Organismus untersucht wird, sind die Informationen, die dieser liefert, jedoch begrenzt. So erlauben die Variationen im 16S-Gen es üblicherweise, die Gattung zu bestimmen, zu der eine bestimmte Mikrobe gehört, nicht aber die Art.
Trotzdem stellen sich heutzutage viele Forscher der Herausforderung, alles zu sequenzieren. Mittlerweile stehen Datenbanken mit mikrobiellen Genomen zur Verfügung, die den Fachleuten helfen, Gene bestimmten Mikroben zuzuordnen. Eine als Shotgun-Sequenzierung bekannte Technik liefert außerdem deutlich mehr Details als das 16S-rRNA-Gen allein. Damit lassen sich nicht nur verschiedene Arten, sondern sogar einzelne Bakterienstämme unterscheiden. Zudem ist es für die Forscher leichter, mögliche Funktionen der Mikroben zu charakterisieren, wenn sie sich auf bekannte Gene beziehen können. Und deren Zahl wächst, weil immer mehr Arbeitsgruppen sich die aufwändigere Technik leisten können. »In ein paar Jahren wird der Preis mit 16S vergleichbar sein«, sagt der Ernährungswissenschaftler Alex Mohr von der Arizona State University in Tempe.
Das Interesse am Sportlermikrobiom wächst
Sport ist nur einer von vielen Faktoren, die die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen. Der früheste Einfluss ist, wie man zur Welt kommt – vaginal oder per Kaiserschnitt. Außerdem hängt es davon ab, welche Medikamente man einnimmt, wie viel Alkohol oder Tabak man konsumiert, wie alt man ist und – vielleicht am offensichtlichsten – wie man sich ernährt. Darüber, wie sich Bewegung auf das Mikrobiom auswirkt und umgekehrt, ist bislang überraschend wenig bekannt. Doch allmählich erkennen Fachleute Zusammenhänge und mögliche Mechanismen.
Mehrere Studien zeigen, dass körperliche Fitness mit einer größeren mikrobiellen Vielfalt verbunden ist. Eine Studie an 16S-rRNA-Genen in Stuhlproben von 39 gesunden Erwachsenen ergab 2016, dass deren Ausdauerleistung mit der Diversität ihres Mikrobioms korrelierte. Das war selbst dann der Fall, wenn Störfaktoren wie die Ernährung berücksichtigt wurden. Anhand der maximalen Sauerstoffaufnahme, des Standardmaßes für die Leistungsfähigkeit eines Menschen, ließ sich die Artenvielfalt im Darm sogar besser vorhersagen als anhand von Geschlecht, Alter, Body-Mass-Index (BMI) und Ernährung.
Das Team konnte jedoch, anders als das Team von Scheiman, keine spezifischen Familien oder Gattungen von Mikroben ausmachen, die für ihre Wirte mit einer signifikant größeren Leistungsfähigkeit einhergingen. Allerdings ermittelten die Fachleute mit einer mikrobiellen Datenbank jene Eigenschaften der Mikroben, die am wahrscheinlichsten mit einer erhöhten kardiorespiratorischen Fitness zusammenhängen. Dazu gehörte beispielsweise die Beweglichkeit der Mikroben sowie ihre Fähigkeit, Fettsäuren herzustellen.
Eine Aufgabe der Darmbakterien besteht darin, komplexe Kohlenhydrate durch Fermentation abzubauen, wobei kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Butyrat, Acetat und Propionat als Nebenprodukte anfallen. SCFAs könnten eine wichtige Komponente im Zusammenspiel zwischen Mikrobiom und Fitness darstellen. »Propionat und Butyrat können nur von Darmbakterien produziert werden«, sagt Kostic. Fachleute wie er vermuten, dass sie als Energiequellen im Muskel fungieren. Kostics Team fand heraus, dass fittere Teilnehmer mehr Butyrat in ihren Fäkalien hatten. »Butyrat ist interessant, weil es einer der wichtigsten Brennstoffe für die Zellen ist, die den Darm auskleiden«, sagt Mohr. »Deren Zustand zu verbessern, ist offensichtlich wichtig für die Gesundheit des gesamten Magen-Darm-Trakts.«
Eine Studie von 2017 betrachtete mit der Shotgun-Technik die Unterschiede zwischen den Mikrobiomen von Amateur- und Profiradsportlern. Die Forscher entdeckten zwar keine systematischen Unterschiede zwischen Amateuren und Profis, doch sie fanden heraus, dass die selbst angegebene Trainingsdauer einen Zusammenhang mit der Konzentration der Bakteriengattung Prevotella aufwies. Diese korrelierte auch mit bestimmten Prozessen im Darm, zum Beispiel dem Abbau von Kohlenhydraten und verzweigten Aminosäureketten.
Zahlreiche Medien griffen die Studie auf und schrieben zum Teil reißerische Berichte. Die Idee, dass ein Radsportler die Leistung steigern könnte, indem er bestimmte Mikroben in seinem Darm anreichert, wurde als Beginn einer neuen Ära, jener des »Stuhl-Dopings«, interpretiert. Allerdings war die Stichprobe, die in der Studie untersucht wurde, nicht nur zu klein, um solch tief greifenden Schlussfolgerungen zu ziehen, sie war auch nicht zufällig. Die Autoren hatten ihre Freunde um Stuhlproben gebeten.
Diese Menschen hatten wahrscheinlich vieles gemeinsam, etwa den Wohnort, das soziale Netz und die Ernährung, was eine Ähnlichkeit der Mikrobiome erklären könnte. »Das ist ein riesiger Störfaktor«, sagt Jonathan Eisen, Direktor des Microbiome Special Research Program an der University of California. Er war einer von mehreren Forschern, die die Medienberichterstattung kritisierten.
Wie schwierig es ist, den Einfluss der Ernährung herauszuhalten, zeigte eine Studie von 2014 an professionellen Rugbyspielern. Indem sie deren 16S rRNA-Gene sequenzierten, fanden die Autoren im Darmmikrobiom der Spieler eine größere Vielfalt als bei Nichtsportlern mit vergleichbarem Alter, Geschlecht und BMI. Allerdings, so stellte das Team fest, gab es zwischen den beiden Gruppen extreme Unterschiede in der Ernährung. Dies galt insbesondere für die Eiweißzufuhr, die anscheinend ebenfalls mit der mikrobiellen Diversität zusammenhängt. »Wir konnten den Effekt des Trainings nicht vollständig von Veränderungen in der Ernährung trennen, die häufig damit einhergehen. Letztendlich wissen wir also nicht, was den größeren Effekt hatte«, sagt der Gastroenterologe Fergus Shanahan vom University College Cork in Irland, der an der Studie beteiligt war.
Im Jahr 2018 sequenzierten Shanahan und seine Kollegen dieselben Proben erneut, dieses Mal verwendeten sie die Shotgun-Methode. Die Forscher fanden nun eine deutlichere Trennung zwischen Sportlern und Nichtsportlern in Bezug auf die Funktion der Gene vor. Es gab beispielsweise Unterschiede im Kohlenhydratstoffwechsel, in der Aminosäuresynthese und der Produktion von SCFAs. Die Studie verdeutlicht, wie hilfreich die Shotgun-Sequenzierung beim Zusammensetzen des Mikrobiom-Puzzles ist. »Was wir heute wissen, haben wir vor allem der technologischen Entwicklung zu verdanken«, sagt Kostic. »Obwohl Bakterien taxonomisch sehr verschieden sein können, sind ihre Grundfunktionen oft sehr ähnlich.«
Veillonella – die Geheimwaffe der Marathonläufer?
Wenngleich Studien wie diese zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Fitness und dem Mikrobiom gibt, handelt es sich dennoch weiterhin um Korrelationen. »Es ist extrem schwer, aus Beobachtungs- und Querschnittstudien eine Kausalität abzuleiten«, sagt Mohr. »Wir brauchen dringend Längsschnitt- und auch experimentelle Arbeiten.«
»Wer regelmäßig trainiert, schafft eine metabolische Nische für Laktat verwertende Bakterien wie Veillonella«
Aleksandar Kostic, Mikrobiologe
Zumindest bei der von Scheiman und seinem Team im Stuhl der Marathonläufer von Boston aufgespürten Bakteriengattung Veillonella zeichnet sich auch eine mögliche Ursache ab. Diese Mikroorganismen sind dafür bekannt, Milchsäure oder Laktat zu verstoffwechseln. Dabei handelt es sich um ein Nebenprodukt der anaeroben Atmung, das bei intensivem Sport in den Muskeln entsteht. Bei der Analyse beobachtete das Team, dass die Bakterien nach dem Training einige Gene viel häufiger nutzten – und nicht irgendwelche. Es handelte sich dabei um die Bauanleitung für Proteine, die Veillonella braucht, um Laktat in Propionat umzuwandeln.
»Das war eines dieser Ergebnisse, bei dem einem plötzlich ein Licht aufgeht und alles einfach einen Sinn ergibt«, sagt Kostic. Das Stoffwechselprodukt Laktat wird während eines Marathons im Überfluss gebildet, Veillonella kann es zur Energiegewinnung nutzen. Das von den Bakterien produzierte Propionat fördert wiederum die Muskelfunktion. Durch die Anwesenheit von Veillonella könnte also eine Feedback-Schleife entstehen, von der Sportler und Bakterien gleichermaßen profitieren. »Wer regelmäßig trainiert, schafft eine metabolische Nische für Laktat verwertende Bakterien wie Veillonella«, sagt Kostic.
Das Team um Kostic wollte es genauer wissen und führte einige Experimente durch. Zunächst isolierte es einen Veillonella-Stamm aus einem Läufer. Diesen verabreichte es anschließend Mäusen und beobachtete, wie lange die Nager auf einem Laufband laufen konnten. Und tatsächlich: Im Vergleich zu Mäusen, die einen Bakterienstamm bekommen hatten, der kein Laktat verstoffwechselt, (Lactobacillus bulgaricus), liefen die mit Veillonella ausgestatteten Mäuse 13 Prozent länger. Es ist zwar möglich, dass das Kontrollbakterium einen nachteiligen Effekt hatte und Veillonella keinen positiven. Ein weiteres Experiment zeigte allerdings, dass den Mäusen direkt verabreichtes Propionat einen ähnlichen Effekt auf die Leistung hatte. Hier diente Kochsalzlösung als Kontrolle. »Diese Studie sticht hervor«, sagt Mohr, der nicht daran beteiligt war. Sie gehe den entscheidenden Schritt von der Korrelation zur Kausalität.
Ein endgültiger Beweis steht jedoch noch aus. Die Experimente können nicht ausschließen, dass die Mäuse, die zuvor gefastet hatten, durch das Propionat schlichtweg Energie bekommen haben. Außerdem muss noch gründlich untersucht werden, ob der Effekt auf den Menschen übertragbar ist. »Ein Mäusedarm ist etwas ganz anderes als ein Menschendarm. Insbesondere der Darm einer Labormaus«, sagt Eisen. »Es ist toll, dass die Kollegen diese Experimente machen. Aber ihre Ergebnisse sind nicht einmal auf alle Mäuse anwendbar, geschweige denn auf den Menschen übertragbar.« Eisen findet die Hypothese, dass Darmmikroben die sportliche Leistung beeinflussen, »total plausibel«, doch er ist vorsichtig mit voreiligen oder allzu simplen Behauptungen. »Mehr Studien an verschiedenen Tieren, mit natürlicheren, komplizierteren Mikrobiomen wären hilfreich«, sagt er. »Und irgendwann muss man auch Studien am Menschen machen.«
Fitness-Mikroben zu verkaufen
Ermutigt durch ihre bisherigen Ergebnisse gründeten Scheiman und seine Kollegen in New York City vor fast drei Jahren das Start-up Fitbiomics. Statt der Leistung von Sportlern wollen sie aber lieber die Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung verbessern. Scheiman, nun Geschäftsführer der Firma, sagt, das Ziel des Unternehmens sei es, »die Biologie der fittesten Menschen der Welt zu entschlüsseln und diese Informationen in Ernährungsempfehlungen zu übersetzen, die der breiten Masse zugutekommen könnten«. Eisen unterstützt diese Bemühungen, warnt aber davor zu glauben, dass es eine Art Patentrezept gibt: »Ich bin davon überzeugt, dass das komplizierte Eingriffe ins Mikrobiom erfordert.«
Scheiman ist sich sicher, dass der in ihrer Studie vorgeschlagene Mechanismus nicht der einzige ist, der das Mikrobiom mit der sportlichen Leistungsfähigkeit verbindet. »Wir hoffen, nicht bloß einen oder zwei, sondern Dutzende bis Hunderte davon zu identifizieren, die verschiedene Funktionen erfüllen und für die Anwendung in Frage kommen«, sagt er. »Veillonella ist nur ein Beispiel; wir wollen jetzt [vorläufige Tests] am Menschen durchführen und dann zu klinischen Studien übergehen.«
»Wenn ich für die Olympischen Spiele trainieren würde, würde ich so etwas nicht kaufen«
Jonathan Eisen, Mikrobiologe
Möglicherweise könnte der Veillonella-Mechanismus sogar gegen Diabetes helfen. Menschen, die bereits erkrankt sind oder ein hohes Risiko für Diabetes haben, wird sportliche Aktivität empfohlen. Eine bisher unveröffentlichte Studie von 2020 hat jedoch ergeben, dass sich der Stoffwechsel bei etwa einem Drittel der Risikopatienten nicht verbessert – ein Phänomen, das auch als Trainingsresistenz bezeichnet wird. Bei den anderen zwei Dritteln beobachteten die Forscher einen starken Anstieg des Butyrat- und Propionatspiegels nach dem Training, was darauf hindeutet, dass das Mikrobiom beteiligt ist. »Wir haben diese Daten neu analysiert und festgestellt, dass Menschen, die eine Trainingsresistenz aufwiesen, viel weniger Veillonella hatten«, sagt Kostic. »Wenn wir wüssten, welche Menschen eine Trainingsresistenz haben, könnten wir ihnen vielleicht Mikroben geben, die ihnen helfen.«
Das Problem dabei: Da solche Probiotika als Nahrungsergänzungsmittel gelten, sind sie gesetzlich kaum reguliert. »Solange sie keine spezifischen Gesundheitsaussagen machen, werden Probiotika nicht wie Medikamente kontrolliert. Es gibt zwar Dutzende, die echt sind, aber auch Hunderte von Fälschungen«, sagt Eisen. Der Biochemiker Ralf Jäger aus Milwaukee, Wisconsin, der Fitbiomics offiziell berät, ist sich des Problems durchaus bewusst. »Sie werden viele Produkte finden, die Stämme enthalten, für die es keine wissenschaftliche Absicherung gibt«, sagt er. Mikroben, die gerade einmal 70 Prozent ihrer DNA gemeinsam haben, können zur selben Art gehören. Jäger betont daher, wie wichtig es ist, nach Stämmen zu spezifizieren. »Es gibt probiotische Stämme, die zur gleichen Gattung und Art gehören, aber völlig unterschiedliche Wirkungen haben«, sagt Jäger. »Die Eigenschaften sind stammspezifisch.«
Um Industrie und Verbrauchern mehr Orientierung zu geben, haben Jäger und seine Kollegen eine Übersichtsarbeit verfasst, in der sie die bisherige Evidenz über die Verwendung bei Sportlern zusammenfassen. Entzündungshemmende Stämme könnten die Erholung geschädigter Muskeln verbessern, heißt es zum Beispiel in der Veröffentlichung, an der auch Mohr und Scheiman als Koautoren beteiligt waren. Außerdem kommt das Team zu dem Schluss, dass bestimmte Stämme nachweislich die Integrität der Darmbarriere verbessern, die durch intensives, langes Training beeinträchtigt werden kann.
Auch für weitere potenzielle Vorteile führen die Autoren vorläufige Indizien an: So könnten bestimmte Probiotika den Hormonspiegel normalisieren, die Anhäufung von Laktat im Muskel reduzieren oder wichtige Neurotransmitter regulieren. Sie stellen jedoch klar, dass all das noch gründlich geprüft werden muss. Das deckt sich mit Eisens Einschätzung zu den Veillonella-Ergebnissen. »Es ist schön, ein experimentelles Ergebnis zu haben. Aber wenn ich für die Olympischen Spiele trainieren würde, würde ich so etwas nicht kaufen«, sagt er. »So weit sind wir noch nicht.«
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