Zoophysiologie: Springspinnen jagen nur bei Grünlicht gut
Menschen können Entfernungen mit einem Blick abschätzen: Wegen des unterschiedlichen Blickwinkels ihrer beiden Augen kann das Gehirn die Umwelt plastisch dreidimensional rekonstruieren. Schwerer tun sich da Tiere ohne den binokularen Blick, etwa viele Insekten – sie müssen mit dem Kopf möglichst raumgreifend hin- und herpendeln, um so auf Umwegen optische Tiefenschärfe zu erreichen. Springspinnen, deren Jagdstrategie nach einer besonders guten Raumwahrnehmung verlangt, setzen aber eine andere Technik ein, wie japanische Forscher um Mitsumasa Koyanagi von der Osaka City University jetzt herausgefunden haben.
Entscheidend für die Fähigkeit zur exakten räumlichen Wahrnehmung sind die nach vorne gerichteten Hauptaugen der Spinnen, wie man bereits wusste: Ein Verdunkeln der seitlichen Hilfsaugen behindert die Spinnen nicht beim präzisen Sprung. Koyanagis Team erkannte nun eine entscheidende Qualität in der mehrschichtigen Netzhaut der beiden Hauptaugen. Die Rezeptoren der Schichten sprechen auf unterschiedliche Wellenlängen an, auffällig aber ist, dass die Linse grünes Licht auf eine für diesen Wellenlängenbereich durchaus sensitive Netzhautschicht gar nicht scharf fokussiert.
Somit verfügt die Spinne über mehrere scharfe, mehrfarbige Bilder der Umgebung sowie ein verschwommenes Bild im grünen Wellenlängenbereich. Dies erlaubt nun einen neuronalen Trick, vermuten die Forscher: Der Vergleich dieser Bilder erlaubt es, das Ausmaß der Unschärfe im grünen Bild zu errechnen und daraus den hierzu proportionalen Abstand des Tiers zu den abgebildeten Objekten abzuleiten.
Diese Hypothese bestätigt ein Experiment, bei dem Hasarius-adansoni-Springspinnen unter monochromatischer Beleuchtung jagen sollten. Den Spinnen gelang unter monochromatisch grüner Beleuchtung stets ein ebenso präziser Sprung wie unter normalen Lichtverhältnissen; unter Rotlicht dagegen sprangen sie immer zu kurz.
Offenbar, so die Forscher, kompensierten die Tiere das fehlende unscharfe Bild aus dem grünen Wellenbereich mit einem im selben Netzhautbereich empfangenen, ebenfalls nicht fokussierten Rotbild. Dieses ist allerdings wegen der chromatischen Aberration, also der Abweichung, der Augenlinse noch etwas unschärfer, weshalb die Tiere den Abstand zum angesprungenen Objekt falsch berechnen und unterschätzen. Die neuronalen Verschaltungsmechanismen, die an der Umrechnung von Unschärfe in Distanz beteiligt sind, müssten nun noch genauer untersucht werden, meinen Koyanagi und seine Kollegen.
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