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Biodiversität: Spürhunde schnüffeln für den Artenschutz

Hunde können Schädlinge erschnüffeln, bevor Menschen sie entdecken – oder Igel in der Großstadt, um Wissenschaftlern zu helfen, deren Leben zu erforschen.
Hundenase

Es gibt fast nichts, was Hunde nicht riechen können: Drogen, Sprengstoff, Trüffel – sogar Diabetes. Neu ist in Deutschland dagegen ein ebenso naheliegendes wie viel versprechendes Einsatzgebiet: der Artenschutz. Drei Beispiele von Pionieren zeigen die verschiedenen Arbeitsweisen und Einsatzmöglichkeiten der Hunde – und was noch passieren muss, damit sich die Artenschutzhunde weiter etablieren.

Zertifizierte Käferspürhunde retten Deutschlands Wald

Die Methode ist nicht gerade elegant, aber die einzige, die wirklich funktioniert: Kahlschlag. Werden an einem Baum Spuren des Asiatischen Laubholzbockkäfers entdeckt, müssen alle Laubbäume im Umkreis von 100 Meter gefällt und vernichtet werden. Aus dem rabiaten Vorgehen spricht die Angst. Wenn hunderte gesunde Bäume gefällt werden, nur um auf Nummer sicher zu gehen, muss die Alternative noch schlimmer sein: "Der Asiatische Laubholzbockkäfer wird in vielen Ländern als Quarantäneschädling eingestuft. Wenn er sich in Deutschland ausbreitet, wäre der wirtschaftliche Schaden gewaltig", sagt Hermann Meier, der am Regierungspräsidium Stuttgart für den Bereich Pflanzengesundheit zuständig ist. Und der Käfer, der im Fachjargon Anoplophora glabripennis heißt, ist hartnäckig. Frost und schlechtes Wetter können ihm nichts anhaben. Zwei Jahre lang fressen sich die Larven durchs Holz. Befallene Bäume werden dabei fast immer so stark geschwächt, dass sie sterben. Das Problem: Mit bloßem Auge lässt sich ein Befall oft erst dann feststellen, wenn es zu spät ist, wenn also der Baum erkrankt und der Käfer schon lange weitergezogen ist.

Nachdem an verschiedenen Stellen in Süddeutschland und den Nachbarländern Asiatische Laubholzbockkäfer gefunden worden waren, ließ Meier sich und seine Deutsch-Drahthaar-Hündin Rika 2011 zu einem der ersten Käferspürhundeteams in Deutschland ausbilden. Nach zweiwöchigem Lehrgang mit theoretischer Prüfung für Meier und praktischer Prüfung für Rika und Meier als Team gab es am Ende ein Zertifikat des Instituts für Waldschutz in Österreich, das mittlerweile in vielen europäischen Ländern anerkannt ist. In dem Lehrgang hat Rika gelernt, mit ihrer feinen Nase Käfer, Larven, Eier und Fraßspuren des Schädlings treffsicher zu erschnüffeln. Dass das auch unter Praxisbedingungen funktioniert, konnte sie bereits kurze Zeit nach der Ausbildung unter Beweis stellen: Bei einem Kontrollgang im Hafengebiet von Weil am Rhein spürte sie im Mai 2012 Anoplophora-Larven in einer Platane auf. Zwei Monate später fand sie erneut Larven in einem Ahorn in der Quarantänezone. Den Baum hatten vorher bereits mehrfach menschliche Kontrolleure inspiziert, ohne dass diesen etwas Verdächtiges aufgefallen wäre.

Dass der Schädling ausgerechnet in der Nähe des Hafens auftauchte, ist kein Zufall. "Das Gebiet wird seit 2010 regelmäßig kontrolliert", sagt Meier. Der Laubholzbockkäfer kommt mit unzureichend behandeltem hölzernem Verpackungsmaterial nach Europa. Zum Beispiel mit Steinlieferungen aus China. Und von denen werden viele im Hafen von Weil am Rhein entladen. Rika arbeitet mittlerweile "freiberuflich" mit Hermann Meiers Frau Petra zusammen. Die beiden bilden ein Spürhundeteam, das für Einsätze in Befallsgebieten gebucht werden kann. Die jüngsten Einsatzgebiete liegen bei München, Augsburg und Kehlheim und Hildrizhausen. Seit gut einem Jahr ist auch Meiers Hündin Quitura zertifizierter Käferspürhund. Deutschlandweit gibt es mittlerweile rund 30 Teams, die auf das Aufspüren des Asiatischen Laubholzbockkäfers und seines nahen Verwandten, des Zitrusbockkäfers, spezialisiert sind. Die Bekämpfung der Schädlinge ist bislang das einzige Einsatzgebiet für Hunde im Naturschutz, in dem es professionelle Strukturen gibt.

Igelspürhunde helfen, den Bestand in der Großstadt zu erfassen

In Berlin versuchen Forscher seit drei Jahren in einem Projekt, den genauen Bestand von Igeln in der Stadt zu ermitteln sowie ihr Gesundheitszustand und ihre Anpassungsstrategien an urbanes Leben herauszufinden. Um die Igel (und ihre Hinterlassenschaften) untersuchen zu können, muss man diese aber erst einmal finden. Und das ist gar nicht so einfach. "Am Anfang bin ich mit Studenten abends mit Taschenlampen durch Parkanlagen gezogen", sagt Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Weil sie mit dieser Methode gerade einmal ein bis zwei Igel pro Abend fanden, suchte Berger nach Alternativen und kam – als überzeugte Katzenliebhaberin – 2013 schließlich auf den Hund: "Ich hatte einen Vortrag des amerikanischen Biologen Samuel K. Wasser über den Einsatz von Naturschutzhunden gehört und gedacht, das könnte auch was für uns sein", sagt Berger. Wasser nutzt für seine Arbeit schon seit vielen Jahren die besonderen Fähigkeiten der Tiere. Seine Hunde können Walkot im Meer über eine Entfernung von fast zwei Kilometern riechen und spüren auch die Hinterlassenschaften von Grizzlybären und Pumas sicher auf.

Spur im Wasser | Hunde können sogar im Wasser Spuren verfolgen – beispielsweise riechen sie Walkot im Meer über eine Entfernung von fast zwei Kilometern.

Eigentlich gilt am IZW ein strenges Tierverbot. Aber Berger konnte ihren Chef schließlich davon überzeugen, dass ein Hund die Arbeit im Igelprojekt deutlich erleichtern würde. So wurde 2013 Fine, Bergers Australian Sheperd, als erster Diensthund am Institut anerkannt. Als offizielle Mitarbeiterin darf sie natürlich auch mit in Bergers Büro. Die Ausbildung des Welpen übernahm die gelernte Verhaltensbiologin – mangels Alternativen – weitgehend selbst. "Mir geht es vor allem um Teamarbeit und positive Verstärkung", betont Berger. Wenn der Hund eine versteckte Duftprobe gefunden hat, wird er zur Belohnung gelobt, bekommt eine extra Streicheleinheit oder einen Leckerbissen. Nach und nach wird der Schwierigkeitsgrad der Übung erhöht, bis in diesem Fall der Igel, Igelkot oder ein Schlafquartier auch auf freier Fläche sicher aufgespürt werden.

Fines feine Nase ist vor allem beim Auffinden des Kots eine große Hilfe. Eine Analyse der Hinterlassenschaften liefert fast genauso wichtige Erkenntnisse über das Leben der Igel, wie eine Untersuchung der Tiere selbst: Die Bestandteile der Nahrung können bestimmt werden und die Parasiten, die die Igel befallen. Anhand der enthaltenen DNA lassen sich die Kotproben sogar einzelnen Individuen zuordnen. "Ohne Hundeinsatz findet man den Igelkot aber höchstens per Zufall", sagt Berger. Das Beispiel von Fine hat am IZW mittlerweile Schule gemacht. Inzwischen gibt es vier weitere spezialisierte Diensthunde, einen zum Aufspüren von Waschbären, einen für Wildschweine, einen für Füchse und – für ein Projekt in der Türkei – einen zum Aufspüren von Luchsen.

Hunde finden auch Luchse, Fledermäuse, Vögel, Wölfe und Fischottern

Auch bei einem gerade in Deutschland angelaufenen Luchsprojekt kommen Hunde zum Einsatz: Im Pfälzer Wald sollen bis 2020 insgesamt 20 Luchse angesiedelt werden. Die ersten drei Tiere wurden Ende Juli ausgewildert. "In der Planungsphase des Projekts kam irgendwann die Frage auf, wie wir die Luchse wieder finden können, wenn ein Tier verletzt ist und Hilfe braucht", sagt Michael Back, der in dem Projekt für jagdliche und forstliche Belange zuständig ist. Back ist seit vielen Jahren anerkannter Schweißhundeführer in Rheinland-Pfalz. Da lag es nahe, seinen ausgebildeten Hannoverschen Schweißhund Bodo in die Arbeit mit einzubeziehen. Das Training mit Duftproben hat Bodo ebenso erfolgreich absolviert wie die nötige Umerziehung: Bei einer Annäherung über mehrere Monate an Luchse in einem Tierparkgehege hat er gelernt, die großen Katzen als Spielgefährten und nicht als Beute oder Gefahr anzusehen und entsprechend pfleglich mit ihnen umzugehen.

"Ohne Hundeinsatz findet man den Igelkot höchstens per Zufall"Anne Berger

Auch Emil, ein Rauhaar-Foxterrier kommt in dem Luchsprojekt zum Einsatz. "Emil kann in unwegsamem Gelände nach Rissen, Kot, Markierungsstellen und den Wurfhöhlen der Luchse suchen", erklärt Back. Dadurch lassen sich wichtige Erkenntnisse über die Gewohnheiten der Luchse gewinnen. Die hundelosen Alternativen wie GPS-Peilsender sind zwar ebenfalls effektiv, aber die Hundearbeit erspart manch langwierige Suche nach direkten Hinweisen in der Fläche.

Es gibt noch weitere Projekte in Deutschland, in denen Spürhunde im Versuchsstadium eingesetzt werden: An der Universität Freiburg lernt ein Hund, Fledermausquartiere aufzuspüren und anzuzeigen. Auch hier könnte der tierische Einsatz eine gute Alternative zur bisherigen aufwändigen Praxis – Fledermaus fangen, besendern und bis zum Quartier verfolgen – sein. Einzelne Hunde werden in Windparks eingesetzt, um Fledermäuse oder Vögel, die gegen die Anlagen geflogen sind, leichter zu finden.

Spürhund kontrolliert Holz | Käferspürhund Rika kontrolliert mit Hermann Meier Verpackungsholz auf Käfer.

Am LUPUS – Institut für Wolfsmonitoring in der Lausitz spüren Hunde Wolfskot und am Helmholtzzentrum für Umweltforschung in Leipzig Fischotterkot auf. Ein 2016 gegründeter Verein (Wildlife detection dogs e. V.) ist dabei, ein Netzwerk für die Arbeit mit Naturschutzhunden aufzubauen.

Kein Beleg der Effektivität des Hundeeinsatzes

Weil der Einsatz von Artenschutzhunden in Deutschland noch am Anfang steht, wissen viele Institutionen nicht genau, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Größtes Hindernis für eine Ausweitung der Hundeeinsätze im Naturschutz sind die fehlenden Zertifizierungen. Außer bei der wirtschaftlich bedeutsamen Bekämpfung des Asiatischen Laubbockkäfers gibt es bislang keine verbindlichen Qualifizierungsnachweise für Hund und Hundeführer. Und gerade weil das Einsatzgebiet in Deutschland noch so jung ist, gibt es bislang kaum Studien, die die Effektivität des Hundeeinsatzes belegen.

Das immerhin wird sich in den kommenden Jahren ändern: Die Leistung der Käferspürhunde wurde bereits in dem EU-Projekt Anoplorisk II untersucht. Das Ergebnis: Die eingesetzten Hunde haben unter realistischen Bedingungen im Durchschnitt 75 bis 88 Prozent der ALB-Geruchsproben aufgespürt (pdf). In dem Bericht werden auch klare Empfehlungen abgegeben, unter welchen Bedingungen der Einsatz von Hunden sinnvoll ist, und unter welchen eher nicht. Die Fledermausquartiersuche mit Hund soll ebenso wissenschaftlich evaluiert werden wie die Igelsuche in Berlin. Auch unabhängig davon gerät in den Institutionen etwas in Bewegung. Am IZW in Berlin hat der Igelhund Fine in kurzer Zeit so viele Nachahmer gefunden, dass mittlerweile sogar eine Art Hausordnung für Diensthunde erstellt wurde. An die Stelle eines strikten Tierverbots sind verbindliche Umgangsregeln getreten. Allein dass die Existenz von Artenschutzhunden dadurch faktisch anerkannt wird, macht es wahrscheinlicher, dass in den kommenden Jahren noch weitere Diensthunde eingestellt werden.

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