Klimatologie: Städte machen Europas Winter kühler
Städte sind Wärmeinseln. Doch nicht nur die Umwandlung der Sonnenstrahlung in Wärme auf dunklen Flächen erhöht ihre Temperaturen verglichen mit dem Umland: Auch die Abwärme von Autos, Maschinen und Kraftwerken heizt sie auf. Und diese Hitze hat weit reichende Folgen, wie Guang Zhang von der Scripps Institution of Oceanography in San Diego und seine Kollegen entdeckt haben. Sie beeinflusst die Ausbildung der kontinenteübergreifenden Strahlströme – der Jetstreams – in der Atmosphäre und sorgt so dafür, dass die Winter in Teilen Nordamerikas und Nordasiens wärmer, in Nordeuropa hingegen kühler ausfallen.
Im weltweiten Vergleich spielt diese Abwärme keine besondere Rolle im Klimawandel: Sie erhöht die Durchschnittstemperaturen nur um 0,01 Grad Celsius, denn sie macht überhaupt nur 0,03 Prozent der gesamten Wärme aus, die Wind und Ozeanströmungen global transportieren. Doch regional wirkt sie sich stark auf den Wärmehaushalt aus, wie die Berechnungen der Meteorologen zeigen – vor allem in Gebieten, die nördlich der Bevölkerungszentren der mittleren Breiten liegen. Um bis zu 0,8 Grad Celsius kann diese Abwärme die winterlichen Temperaturen in Südkanada, Russland und im nördlichen Ostasien steigern, während die Verlagerung der Strahlströme dafür sorgt, dass sich Nordskandinavien um ein Grad Celsius zusätzlich abkühlt.
Schuld an diesen Temperaturveränderungen ist jedoch nicht die Abwärme selbst, sondern ihr Einfluss auf die Zirkulationsmuster der Nordhalbkugel, deutet die Analyse von Zhang und Co an. Fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs entfällt auf 86 Metropolregionen, die vor allem entlang der Küsten Nordamerikas und Eurasiens liegen – genau hier beult der Jetstream immer wieder am stärksten nach Nord und Süd aus. Parallel bilden sich in den Städten regelmäßig relative Hitzetiefs aus, die durch die konzentriert aufsteigende Wärmeenergie erzeugt werden: Sie stören die Strömungen und damit die normale atmosphärische Zirkulation. Dadurch kommt es laut Modell zu winterlichen Verschiebungen und Aufweitungen des Jetstreams.
In der Folge schwächt sich die Westwindzirkulation bei etwa 40 Grad nördlicher Breite ab und verstärkt sich weiter nördlich: Der Wärmetransport unter anderem nach Sibirien oder in die kanadische Arktis wird so angekurbelt, während er in Europa schwächelt. Gleichzeitig trägt er zur Ausbildung bislang nicht eindeutig erklärbarer Luftdruckgegensätze in den nördlichen Breiten bei: So zeige die Simulation ungewöhnliche Tiefs über der russischen Arktis und Hochs über Zentralasien – tausende Kilometer von den Erzeugern entfernt. Allerdings spielen hierbei auch noch andere Prozesse eine große Rolle wie beispielsweise die Meereisschmelze rund um den Nordpol.
Mit ihren Berechnungen könnten die Forscher nun vielleicht ein Phänomen erklären, das bislang in der Klimatologie noch für etwas Verwirrung gesorgt hat. Teile der Nordhalbkugel erwärmten sich stärker, als sie es laut den Klimasimulationen eigentlich dürften. Der Abwärmeeffekt könnte einer der Erklärungsansätze für diese Lücke sein, hoffen Zhang und sein Team.
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