Super-Sonneneruption: Größter bekannter Sonnensturm traf die Erde am Ende der Eiszeit
Das unruhige Magnetfeld der Sonne wirft immer wieder Wolken von hochenergetischen Teilchen und Plasma zur Erde. Ein solcher Sonnensturm verursacht Polarlichter, die bis weit nach Süden sichtbar sind, er kann aber auch Sensoren und Solarzellen von Satelliten beschädigen und am Boden Stromausfälle verursachen. Lange ging man davon aus, dass solche Sonnenstürme höchstens etwa so stark werden wie das Carrington-Ereignis von 1859, bei dem Papierstreifen von Telegrafen durch die Ströme in Flammen aufgingen – und schon dessen Wiederholung heutzutage ließe Energie- und Kommunikationsnetze weltweit zusammenbrechen. Doch inzwischen weiß man: Es gibt sogar noch vielfach stärkere Sonnenstürme.
Einen wahrhaften Giganten unter solchen Ereignissen, den bisher stärksten identifizierten Sonnensturm, haben nun Fachleute in alten Baumringen aus den französischen Alpen aufgespürt. Wie ein Team um Edouard Bard vom Europäischen Zentrum für Forschung und Bildung in den Umweltgeowissenschaften (CEREGE) in Aix-en-Provence berichtet, enthält das vor genau 14 300 Jahren gebildete Holz abrupt enorm viel radioaktiven Kohlenstoff-14. Die Daten stammen von Kiefernstümpfen, die am Ende der letzten Vereisungsperiode im Tal des Flusses Drouzet von Ablagerungen bedeckt und nun durch die Erosion wieder frei gelegt wurden.
Das radioaktive Kohlenstoffisotop C-14 wird permanent durch kosmische Strahlung in der oberen Atmosphäre gebildet – je mehr Strahlung, desto mehr C-14. Demnach sei der Sonnensturm etwa doppelt so stark gewesen wie das heftigste bisher bekannte solche Ereignis – und damit bis zu 200-fach stärker als das historische Carrington-Ereignis. Dieser Anstieg passe perfekt zu einem Anstieg des ebenfalls durch Strahlung gebildeten Isotops Beryllium-10 aus grönländischen Eisproben, schreibt die Gruppe in der Fachzeitschrift »Philosophical Transactions of the Royal Society A«.
Dass die Sonne solche extremen Ereignisse produzieren kann, ist noch nicht lange bekannt. Im Jahr 2012 entdeckte ein Team um die Umweltwissenschaftlerin Fusa Miyake enorme Anstiege von C-14 in japanischen Zedern. Seither sind acht dieser so genannten Miyake-Ereignisse bekannt – jenes vor 14 300 jahren ist das neunte und bisher stärkste identifizierte Ereignis. Diese extremen Super-Sonnenstürme könnten Stromnetze so massiv beschädigen, dass monatelange Stromausfälle die Folge wären und einen großen Teil der auf Satelliten basierenden Telekommunikations- und Navigationssysteme zerstören. Jahrelanges weltweites Chaos wäre die Folge.
Allerdings war es nicht das Ziel der Arbeit von Bard und seinem Team, solche Sonnenstürme zu identifizieren. Die Arbeitsgruppe untersucht seit 25 Jahren Überreste von Bäumen, die vor bis zu über 15 000 Jahren entlang des Flusses Durance und seiner Zuflüsse wuchsen. Diese Baumringdaten sollen Radiokarbondatierungen präziser machen. Das Isotop C-14 zerfällt mit konstanter Rate, so dass man an seiner Konzentration ermessen kann, wann ein Organismus gestorben ist. Allerdings muss man dazu sehr genau wissen, wie viel des Kohlenstoffs er ursprünglich enthielt – und dessen Konzentration in der Atmosphäre schwankt mit der Zeit.
Die Baumringe erlauben nun zu bestimmen, wie viel C-14 in der Vergangenheit entstand. Auf dieser Basis entstehen so genannte Kalibrierungskurven, mit denen man aus dem Radiokohlenstoffgehalt einer Probe ihr wahres Alter errechnen kann. Daneben erlauben solche Messungen aber auch Einblicke in die Aktivität der Sonne im Lauf der Zeit – und könnten sogar ein lange bestehendes Klimarätsel lösen. Denn neben dem Super-Sonnensturm entdeckten die Fachleute um Bard eine weitere ungewöhnliche Anomalie in den Daten. Vor 14 000 Jahren nämlich entstand über etwa ein Jahrhundert lang mehr C-14 – zeitgleich mit einer kurzen Abkühlung um bis zu sieben Grad Celsius, die man heute als Ältere Dryas bezeichnet. Deren Ursache war bisher völlig rätselhaft. Die Daten aus den Baumringen legen nahe, dass die Sonne dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte.
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