Zellalterung: Stammzellen sind nicht gebrechlich genug
Die kontinuierlich steigende Lebenserwartung in den Industrieländern wird in den nächsten Jahrzehnten zu einer Welle von neurodegenerativen Erkrankungen führen, befürchten Experten. Alzheimer- und Parkinsonerkrankungen könnten epidemische Ausmaße annehmen. Deswegen mühen sich Neurowissenschaftler fieberhaft, die Mechanismen dieser Nervenleiden aufzuklären und Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Dabei greifen sie meist auf von Stammzellen abgeleitete Neuronenkulturen zurück.
Schon seit Längerem ist es relativ problemlos möglich, indirekt durch Reprogrammierung ausdifferenzierter Körperzellen Neurone zu gewinnen. So lassen sich zum Beispiel Zellen aus Hautproben (Fibroblasten) von Alzheimerpatienten in Stammzellen zurückverwandeln. Unter Zugabe bestimmter Wachstumsfaktoren erhält man daraus dann Nervenzellen mit der DNA des Spenders, ohne ihm Hirnzellen entnehmen zu müssen.
Stammzellen führen in die Irre
Doch dieses weltweit etablierte Verfahren könnte zu falschen Ergebnissen führen, argumentieren Wissenschaftler um Fred Gage vom Salk Institute in La Jolla. Sie haben nachgewiesen, dass Fibroblasten bei ihrer Reprogrammierung zu Stammzellen spezielle Altersspuren verlieren. Selbst Zellen von 100-Jährigen lieferten nach ihrer Umwandlung in Stammzellen Neurone, die von denen Neugeborener nicht zu unterscheiden seien. Derart verjüngt seien sie eigentlich zur Erforschung von Erkrankungen ungeeignet, bei denen Alterungsprozesse eine entscheidende Rolle spielen, monieren die Forscher.
Als Lösung dieses Problems schlagen sie vor, bei der Erforschung neurodegenerativer Zellen künftig auf ein kürzlich entwickeltes Verfahren zu setzen, mit dessen Hilfe sich Hautzellen direkt – ohne den Umweg über Stammzellen – zu Neuronen differenzieren lassen. Dazu muss das Verfahren nur leicht abgewandelt werden. In beiden Fällen wird die Genexpression der in der Petrischale kultivierten Zellkulturen durch Zugabe spezifischer Wachstumsfaktoren beeinflusst.
Im Rahmen ihrer Studie verglichen sie die Altersspuren in embryonalen Stammzellen, in kortikalen Gewebeproben und daraus abgeleiteten Neuronen. Dazu analysierten sie das Transkriptom, das heißt, die Gesamtheit aller in der Zelle vorhandenen RNA-Moleküle. Besonderes Augenmerk richteten sie dabei darauf, was das Transkriptom über altersabhängige Methylierungen der DNA und oxidative Schäden verriet.
Während bei den Neuronen, die über Stammzellstadien erzeugt wurden, keinerlei Unterschiede in der Genexpression verglichen mit jugendlichen Zellen zu erkennen war, blieb bei den auf direktem Weg aus Hautzellen in Neurone umgewandelten Zellen das altersbedingt veränderte Expressionsmuster erhalten.
Die Erklärung der Forscher: Bei der direkten Umwandlung würden unnötige Zellteilungen verhindert, durch die altersbedingte Schäden repariert oder auf andere Weise verschleiert werden könnten. Zudem bleibe bei der Direktumwandlung ein bestimmtes Gen aktiv, das ein alterungstypisches Muster bei der Genexpression hervorzurufen scheint.
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