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Entwicklung der Menschheit: Starb der Neandertaler einfach so aus?

Der Neandertaler hat zwar Spuren in unseren Genen hinterlassen, ist sonst aber ausgestorben. Und das, nachdem er Jahrhunderttausende vor uns existiert hat. Warum? Sind wir schuld?
Neandertalernase

Der Neandertaler war ein intelligentes, robustes und sehr gut an seine Umwelt angepasstes Wesen – und ist dann doch überraschend plötzlich ausgestorben. Der Grund für den fatalen Niedergang ist unter Forschern umstritten, eine prominente These nennt uns aber den Homo sapiens als Ursache: Vordringende, irgendwie technologisch oder kulturell überlegene moderne Menschen hätten die vergleichsweise kleine Neandertalerpopulation in Europa und anderswo überflügelt, verdrängt und – gelegentliche Techtelmechtel nicht ausgeschlossen – schließlich ausgerottet. Womöglich hätte es unter etwas glücklicheren Umständen auch ganz anders ausgehen können, meinen Vertreter einer anderen Sichtweise wie Krist Vaesen von der Eindhoven University of Technology im Fachblatt »PLOS«. Sie gehen davon aus: Der Neandertaler hatte schlicht demografisches Pech; weil es im entscheidenden Augenblick einfach nicht genug von ihnen gab.

In ihrer Studie haben Vaesen und Co mit Computerhilfe verschiedene Szenarien der Populationsentwicklung simuliert: Sie starteten dabei mit unterschiedlich großen Gründergruppen von 50, 100, 500, 1000 oder 5000 Individuen und modellierten, wie sich solche Gruppen in den folgenden Generationen entwickeln. Dabei rechneten sie typische Einflussfaktoren ein, die auf das Schicksal gerade von zunächst sehr kleinen Populationen nachweislich einwirken: Den schädlichen Effekt von Inzucht, den Allee-Effekt, der zu kleine, isolierte Populationen unterhalb einer Mindestgröße zum Scheitern verurteilt, und weitere Störgrößen, die die Demografie einer Gruppe stochastisch beeinflussen – zufallsbedingte Faktoren, die die Entwicklung einer Population durch Geburten, Todesfälle und das Geschlechterverhältnis prägen.

Das Ergebnis der Simulationen war aufschlussreich, wenn man die Zahl der real existierenden Neandertaler – Schätzungen gehen von mindestens 5000, höchstens 70 000 Individuen aus – in den Blick nimmt: Es gab damit in jedem Fall zu wenige von ihnen, so dass ihre Art allein auf Grund der einberechneten widrigen demografischen Umstände innerhalb von rund 10 000 Jahren ausgestorben wäre. Und dies völlig unabhängig davon, ob der Homo sapiens sich in den Neandertalergebieten durchgeschlagen hätte oder nicht. Mit realistischen Zahlen gefüttert sagt die Simulation voraus, was nach Lage der Dinge tatsächlich geschehen ist. Ein Szenario, in dem eine kleine Gruppe zwar für mehrere tausend Jahre überlebt, dabei aber jederzeit zusammenbrechen kann – und es schließlich plötzlich auch tut.

Der Einfluss von einwandernden modernen Menschen ist dabei, wie gesagt, nicht einberechnet – und die Studie kann somit auch nicht ausschließen, dass er zusätzlich gewirkt hat. Auffällig ist ja, dass Homo sapiens offensichtlich nicht nur den Neandertaler, sondern alle anderen Arten des menschlichen Stammbusches ausgestochen hat, worauf etwa Jean-Jacques Hublin, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, auf Twitter hinweist:

Tatsächlich blieb der Kontakt zwischen modernem Mensch und Neandertaler für uns nicht folgenlos, wie die Neandertalergene in unserem Erbgut belegen. Für Neandertaler sah das allerdings womöglich anders aus – und es ist denkbar, dass Sex mit uns für sie deutlich mehr Nachteile mit sich brachte; unter anderem schon deshalb, weil sich mit einwandernden modernen Menschen das Angebot an Paarungspartnern erhöhte, damit jedoch die Chance auf Neandertalernachwuchs schrumpfte – was eine ohnehin kleine Population weiter gefährdete. Besiegelt war ihr Schicksal, so die Studie von Vaesen und Co, wohl offenbar schon vorher. Am Ende bleibt von ihnen – immerhin – ein interessant im menschlichen Erbgut eingestreutes genetisches Zeugnis intimer Kontakte.

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