Gravitationswellen: Brummen von kollidierenden Schwarzen Löchern aufgefangen
Mehrere Forschungsteams analysierten die Messdaten von Pulsaren, die teilweise über Jahrzehnte mit Radioteleskopen aufgezeichnet wurden. In Artikeln, die heute im Fachjournal »Astronomy and Astrophysics« erscheinen, kommen sie zu dem Schluss, dass sich die Hinweise auf Gravitationswellen verdichten, die von einer Vielzahl von Paaren sehr schwerer Schwarzer Löcher ausgesandt wurden.
Das neue Signal muss es geben
Es war ein Durchbruch im Jahr 2015, als Gravitationswellen von kollidierenden Schwarzen Löchern mit Laserinterferometern endlich entdeckt wurden. Im Jahr 2020 gab es dafür sogar den Nobelpreis für Physik. Die Schwarzen Löcher dieser ersten Signale sind mit einigen zehn Sonnenmassen allerdings eher klein. Auch ihre schwergewichtigen Verwandten mit Millionen bis Milliarden Sonnenmassen in den Zentren von Galaxien sollten sich bei Zusammenstößen der Welteninseln nahekommen. Irgendwann umkreisen sie sich so eng, dass die Umlaufzeit nur noch im Bereich von Jahrzehnten, Jahren oder sogar Monaten liegt. Bei dieser Bewegung der Schwergewichte entstehen infolge der beschleunigten Massen Gravitationswellen. Das besagt die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein. Im Unterschied zu den bisher gemessenen Gravitationswellen mit Frequenzen von einigen hundert Hertz sind die Signale der Giganten viel niederfrequenter und liegen im Bereich von milliardstel Hertz oder Nanohertz.
Da draußen müssen in unterschiedlichen Distanzen unzählige Paare extrem massereicher Schwarzer Löcher sein, die sich derart umkreisen und schließlich zu einem größeren Loch verschmelzen. Die vielen Gravitationswellen breiten sich aus verschiedenen Richtungen kommend mit Lichtgeschwindigkeit aus und überlagern sich. Daraus entsteht ein gemeinschaftliches Signal: der Gravitationswellenhintergrund. Er wurde bislang nicht nachgewiesen, weil die gängigen Gravitationswellenlaserinterferometer auf der Erde für diese Wellenform blind sind. Erst weltraumgestützte und sehr große Laserinterferometer, wie das geplante Projekt LISA, werden dafür empfindlich sein, aber LISA fliegt erst Ende der 2030er Jahre.
Einsteins Wellen messen mit Pulsaren
Es gibt allerdings auch eine völlig andere Methode, um niederfrequente Gravitationswellen nachzuweisen. Besonders clever ist eine unter dem Einsatz von Pulsaren. Bei diesen Überresten von Sternexplosionen handelt es sich eigentlich um schnell rotierende Neutronensterne, winzige kompakte Kugeln von rund 20 Kilometer Durchmesser, die ungefähr zwei Sonnenmassen in sich vereinen. Wie Leuchttürme geben sie gerichtete Radiostrahlung ab, die zufällig die Erde treffen kann. Astronomen beobachten sie dann als Pulsare. Auf Grund der beständigen Rotation der Neutronensterne geben Pulsare die Radiopulse extrem präzise wie ein Uhrwerk ab. Ein Verbund von Pulsaren (englisch: Pulsar Timing Arrays, PTAs), von denen jeder einzelne viele Lichtjahre von uns entfernt ist, kann daher benutzt werden, um Gravitationswellen aufzuspüren: Wenn eine Raumzeitwelle durch die Anordnung von Pulsaren läuft, verändern sich die Abstände der Pulsare zur Erde. Sie scheinen kurz aus dem Takt zu kommen. Das lässt sich tatsächlich messen.
Eine neue Wellenform
Mit einer ganzen Reihe von Radioteleskopen haben viele Teams weltweit einige ferne Pulsare ständig im Blick. Inzwischen haben sie Datensätze gewonnen, die bis zu 25 Jahre in die Vergangenheit reichen. In dem Datenschatz schlummert die wertvolle Information, wie sich die Pulsare relativ zur Erde bewegten. Korrelationsanalysen verraten dann die Gravitationswellen als schwaches Rauschsignal. Das Besondere an den Raumzeitverzerrungen ist, dass sie recht langwellig sind. Das liegt an den Ausmaßen der großen Schwarzen Löcher in Galaxien und dass diese sich in relativ großen Abständen umkreisen. Es ist ein Brummsignal bei tiefen Frequenzen, viele Zehnerpotenzen niedriger als alles, was bisher gemessen wurde.
Internationale Anstrengungen
Schon seit Jahrzehnten machen Radioastronomen Jagd auf dieses Gravitationswellenhintergrundsignal. EPTA bezeichnet ein PTA das mit den fünf größten Radioantennen in Europa Ausschau hält. Der Zusammenschluss umfasst das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg bei Bonn in Deutschland, das Lovell-Teleskop des Jodrell Bank Observatory in Großbritannien, das Nançay-Radioteleskop in Frankreich, das sardische Radioteleskop in Italien und das Westerbork Radio Synthesis Telescope in den Niederlanden.
Darüber hinaus gibt es auf der ganzen Welt das australische Pulsar Timing Array PPTA, das chinesische CPTA und das nordamerikanische NANOGrav. Sie haben sich untereinander abgestimmt und geben nun in den Publikationen ähnliche Ergebnisse bekannt.
Die europäischen Beobachtungen wurden durch weitere Daten vom Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) des indischen Arrays InPTA ergänzt. Die aktuellen Ergebnisse von EPTA beziehen sich auf eine Gruppe von 25 Pulsaren, die ausgewählt wurden, weil sie am empfindlichsten für einen Gravitationswellenhintergrund sind.
Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, betont: »Die Daten des Effelsberger Teleskops reichen mehr als 25 Jahre zurück. Das ist wichtig, denn es macht das EPTA einzigartig empfindlich für die niedrigsten untersuchten Frequenzen.«
Die Wahrheit ist da draußen
Schon vor zwei Jahren verdichteten sich die Hinweise, weil ein gemeinsames Rauschen in allen überwachten Pulsaren gefunden wurde. Seine Ursache war damals noch unbekannt. Inzwischen gestattet es die Datenlage, die Paare von extrem massereichen Schwarzen Löchern als Ursache zu identifizieren. Dennoch sind die Teams zurückhaltend und sprechen noch nicht von einer sicheren Entdeckung, denn die statistische Signifikanz reicht noch nicht aus. Das wird erst besser mit noch mehr Messdaten.
Im Rahmen des International Pulsar Timing Array (IPTA) sollen die Messdaten von 13 Radioteleskopen zusammengeführt werden, die bei mehr als 100 Pulsaren aufgezeichnet wurden. Auf jeden Pulsar entfallen dann 10 000 Beobachtungen. Diese Kooperation läuft bereits. Damit sollte der Nachweis für den brummenden Gravitationswellenhintergrund endgültig erbracht werden – hoffentlich bald.
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