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Starkregen in Kalifornien: El Niño, Pech und Klimawandel

Der »Ananasexpress« überschwemmt Kalifornien. Was hinter den heftigen Regenfällen der letzten Tage steckt und warum sie so verheerend sind.
Das Betonbett des Los Angeles River voll mit braunem Wasser.
Der Los Angeles River ist weit über seinen normalen Wasserstand angeschwollen und transportiert die Fluten zum Meer.

Zwei enorme Ströme feuchter Luft binnen einer Woche bescheren Südkalifornien historische Niederschläge. In Los Angeles fielen am Montag binnen eines Tages 104 Liter Regen pro Quadratmeter, mehr als das Anderthalbfache des bisherigen Rekordes aus dem Jahr 1927. Bislang sind bei den Unwettern mindestens drei Menschen ums Leben gekommen, in acht Landkreisen rief die Regierung wegen Überschwemmungen den Notstand aus. Zusätzlich zu den heftigen Regenfällen traf ein schwerer Sturm mit Winden bis zu Hurrikanstärke die Küste. Hinter dem extremen Wetter steckt ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die aus einem relativ gewöhnlichen Wetterphänomen einen Notstand machen.

Direkte Ursache von Regen und Wind ist der »Pineapple Express«. Dieser Ananasexpress ist ein regelmäßig auftretender Strom feuchter, warmer Luft, den ein Tiefdruckgebiet vom Meer aus gegen die kalifornische Küste treibt. Solche atmosphärischen Flüsse transportieren gigantische Mengen Wasser, nicht nur an der Westküste der USA. Sie entstehen weltweit, wenn über dem tropischen Ozean Wasser verdampft, diese Luftmasse anschließend von einem Wettersystem in mittlere Breiten getragen wird und dort ergiebigen Regen bringt. Der Ananasexpress an der Westküste der USA, der seinen Ausgangspunkt im Meeresgebiet um Hawaii hat, ist der berühmteste dieser atmosphärischen Flüsse.

Bekannt ist er deswegen, weil er so häufig ist. Im Jahr 2023 trafen insgesamt 46 atmosphärische Flüsse die Westküste der USA; in Kalifornien bringen sie einen großen Teil der jährlichen Niederschläge. Man teilt sie ähnlich wie Hurrikane in eine fünfstufige Skala ein, in die neben der transportierten Feuchtigkeitsmenge auch die Dauer der Regenfälle eingeht. Die beiden Stürme der letzten Tage lagen nach Angaben der University of California in San Diego am unteren Rand der Stufe 3. Sie sind also moderat bis stark, aber nicht extrem. So trafen im Januar 2023 mehrere deutlich stärkere atmosphärische Flüsse Kalifornien, mit verheerenden Folgen.

Vier Faktoren machen das Wetterereignis zu einer teilweise lebensgefährlichen Situation: ein sich rapide verstärkender Sturm, eine unglückliche Abfolge zweier atmosphärischer Flüsse, das Klimaphänomen El Niño und schließlich auch der Klimawandel. Zum einen nämlich hat die warme, feuchte Luft das Tiefdruckgebiet, das die atmosphärischen Flüsse heranführt, explosiv verstärkt. Bei diesem als »Bombogenese« bezeichneten Prozess treffen kalte und warme Luftmassen aufeinander und versorgen den Sturm mit viel Energie für starke Winde und stärkere Regenfälle. Der dafür typische rapide Luftdruckabfall sei einer der stärksten gewesen, die je gemessen wurden, sagte der Klimaforscher Daniel Swain von der University of California gegenüber lokalen Medien.

Zum anderen folgten hier zwei atmosphärische Flüsse direkt aufeinander – womöglich einfach ein unglückliches Zusammentreffen. Während das Wasser der letzten Regenfälle noch die Flüsse füllte und den Boden durchnässte, kam schon das nächste Warmluftband heran. Noch dazu bewegt sich der zweite atmosphärische Fluss relativ langsam, so dass Südkalifornien am Montag durchgehend unter seinem Einfluss lag. Zwei weitere Faktoren, die die Regenfälle mutmaßlich verstärkten, waren der globale Klimawandel und das Wetterphänomen El Niño. Der tropische Pazifik vor Zentralamerika schwankt zwischen La Niña, wenn sich kühleres Wasser im östlichen Pazifik sammelt und entsprechend weniger Feuchtigkeit in die Atmosphäre gelangt, und dem aktuell dominierenden El Niño. Der führt dazu, dass wärmeres Wasser an der Meeresoberfläche die Verdunstung und damit auch die Niederschläge des Ananasexpress verstärkt.

Der Klimawandel hat den gleichen Effekt. Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen – rund sieben Prozent mehr Wasserdampf pro Grad mehr – und entsprechend auch abregnen. Zusätzlich sind seit einigen Monaten die Ozeane weltweit in bisher beispiellosem Ausmaß wärmer als normal, aus bislang ungeklärten Gründen. Welchen Anteil diese globalen Faktoren konkret an den schweren Niederschlägen in Kalifornien haben, ist noch unbekannt; Fachleute erwarten aber, dass sie eine Rolle spielen. Klimamodelle sagen jedenfalls seit langer Zeit bei steigenden globalen Temperaturen heftigere Starkregenereignisse voraus. Insofern kommen die Überschwemmungen durch den Ananasexpress zumindest nicht unerwartet.

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